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Als ob ich zu dir kommen solle, Nur eine Nacht umfangen dich. Dein langes Haar wie Seidenwolle Umwehe schon wie damals mich, Als ob die roten Lippen lohen. Die Brust ein heißer Atem dehnt, Ich wieder unter jenen hohen Platanen ständ, an dich gelehnt. 5. Studien Als Beispiel für die Art der Schulung seiner Be obachtungsgabe nehme ich eine von den Prosafkizzen „Tage". 4. April 1927. Heute war der Himmel fast immer grau und feucht, nnd der Regen hing zum überlaufen voll an den Bergen, daß man immer in Angst war, wenn er losbrechen würde. Ja — heute war es ganz toll, der Himmel wußte nicht, was er wollte. Manchmal zwang sich die Sonne durch die zähe Wolkendecke und sah in die Pfützen, die wie blanke Taler auf dem Wege lagen, und dann blies sich der Him mel auf, daß er ganz blau wurde, um im nächsten Augen blicke fauchend in Regen und Schneetreiben über das Tal zu zieh». Die Fuhrwerke draußen konnten kaum fort. Der Lehm war ausgeweicht auf den Wegen und quoll unter den Rädern hervor wie gelber Teig. Der wässrige Dreck spritzte den Pferden bis in die Weichen und durch das Stampfen der Pferde den Fuhrleuten ins Gesicht, daß sie fluchten. Auch das Dorfwasser fing langsam an zu schwellen und schwerfällig durch die Brücken zu ziehn. Wenn nur nicht Überschwemmung käme. Und man konnte manchmal ängstliche Gesichter durch die Fenster blicken sehen nach dem Wasser in dem breiten Graben. Die Wiesen waren schon schön grün. Überhaupt stand es auf den Feldern gut. Der Hafer war gesät, und die Brache, die voriges Jahr liegen geblieben war, hatte man geauert. Aber seit einigen Tagen war es mit der guten Meinung vorbei, besonders seit es heute so oft und wüst gewettert hatte, daß die Dachtraufen gar nicht genug schüt ten konnten und das Regenwasser von den Feldern hereiukam wie frisch entsprungene wilde Bäche. Es gluckste und gluckerte um die Häuser, und die Gärten lagen wie betrunken hinter den Zäunen. Man vermeinte selbst manch mal ein Schnaufen und Seufzen von dorther zu verneh men, aber das war der Wind, der aus den Bornlöchern kam — so nannten die alten Bauern einen sumpfigen Buschteil, der an das Rattwitzer grenzte —, und wenn er von dorther zog, wurde es noch nicht gleich besser mit der Witterung. Gegen Abend wurde das Dorf immer trauriger. Das Wasser kam immer lauter, und auch der Wind verstärkte sich. Das Tal wurde immer enger, und die Berge sanken ein von der Last der Wolken, die der Sturm aufhäufte. Man sah schweigend und angstvoll nach der Nacht. Bald rauschte es unter den Brücken dumpf dahin, und das Was ser schwankte über die Ufer hüben und drüben, daß der weiße Schaum aufglänzte, wenn ein Lichtstreifen breit auf das Wasser fiel. In manchen Häusern schöpften sie schon durch die Fenster, und die Lampen glühten wie einzelne Kohlen im Tale auf. Die Nacht sank immer schneller herab. Gegen Mitternacht war ein Gewitter in den Born löchern nieüergegangen, aber das Wasser war nach dem Ostertal geströmt. Und hier über uns kam nur ein kleiner Zipfel Regen zu hängen. Die Bauern waren alle froh, aber nun sprachen sie davon, daß es wohl noch einmal kalt kommen werde. Die Blitze hätten wie Eis und Firnsplitter in der Luft gehangen. Und man merkte schon einen fröstelnden Wind über den Hügel kommen. Die Mägde, die beim Lochbauern das Wasser schöpften, froren an die Beine; denn sie hatten ihre Röcke Hochgürteln müssen. Es kam nun auch weniger Wasser in den Hof und die Ställe und ins Haus. Sie hörten bald auf und gingen in die Kammer. Nur der Alte und der Knecht blieben auf. Wäh renddessen lag der Regen noch über dem Tal. Aber das Wasser behielt seinen Stand. Es rauschte nur tief und un heimlich durch die Brücke. Der Mond war diese Nacht voll geworben, und nun hing der Himmel wie ein blaues Tuch über dem weiten Tal. Ein Atmen ging durch die Luft so leicht und frisch wie an keinem einzigen Tage seit vier Wochen. Die Wege waren zwar noch naß, aber der Wind trocknete alle zu sehends. Und die Sonne war wie ein strahlendes altes Mütterlein, das sich über ihren bunten Besuch freut- so lustig ging es draußen zu. Das war ein Himmel! Die Berge wurden ordentlich größer, und es dehnte sich überall. Ach, solch ein Tag! Heute konnte man nicht genug auf ein mal sehen. Die Felder in ihrem Grün und Gelbgrün und Braun waren mir so lieb, daß ich es ihnen sagen mußte vor lauter Freude. Ach, ihr Felder in euren neuen blanken Tüchern, ich wollte euch umarmen wie ein Weib, so heiß ist mir! So sind sie nur einmal, so frisch und hell —, nur im Frühjahr. Das sagen auch die Vögel. Der ganze Tag war wie ein einziges liebes Wort, das der Himmel langsam aussprach. Ich hörte und sah immer entzückter. Das liebe Wort sagte ich mir immer wieder. O, ich verschweig's. 6. Bilder: Dorf, Garten und Landschaft In diesen Gedichten zeigt sich die Eigenart des Dich ters wohl am schönsten: alles ist Licht, Farbe, Melodie. Fragt man nach einem Vorbild, so ist hier die Stelle, wo man Rilke nennen muß. Der Frühlingshimmel sieht mich wie ein sanftes Kind Mit großen Augen an. In seinen Blicken liegen So viele trunkne Träume, die ein warmer Wind Erzählt, der singend niedersteigt von blauen Stiegen, Und der im Dorf an allen Häusern stehen bleibt Und immer singt und schwärmt von seltsam fernen Dingen. Die Leute lachen, wenn den Märzenstaub er treibt Und läßt sich jauchzend so hinaus, zum Dorfe schwingen. Im Garten sticken die Zyanen Rondelle, die der Buchsbaum faßt, Und von den sonnigen Altanen Nickt Goldlack durch den Mittagsgläst Zu einer Frau. Sie geht in Gängen, Schaut auf geblumte Beete hin. Sie steht — um sie ein Blütendrängen — Wie Gottesmutter mittendrin. Zyanen beugen sich. Voll Glauben Erwarten sie Len Sommerspruch.^ Sie segnet. Dann rauscht unter Lauben Ihr weißes Kleid — wie Heil'gentuch. Am Wassergraben hat sich manches eingefunden. Die Glockenblumen mischen sich mit Gundermann, Und fette Lattichblätter drücken ungebunden Die zarten Nesseln an die alte Mauer an. Libellen gleißen diamanten über'm Wasser. Um grüne Steine rutscht vereinsamt eine Schmerle. Still ist es ringsumher. Ein Sonnenstrahl, ein blasser, Verschläft den Junitag auf einer breiten Erle. Die Dämmerung kam um das Haus gegangen. Vom Fensterstock fiel Abendrot ins Gras. Die Bäume standen wie vom Traum umfangen. Fern lag der Berg wie hinter trübem Glas. Ein warmer Wind Hub an im Hof zu flüstern. Ich ö.inete die Fensterflügel leicht Und horchte, bis durch graues Blätterdüstern Er still gegangen war. Wohin? Wer weiß! (Schluß folgt.)