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324 Gberlauflher Helmatzettung Nr. 21 «Sonniger Hervsttag Wie frisch der Matten HerbstesgrUn mit Blumen zart und buntl Und drttber heißes Sonnenglühn in stiller Mittagsstund Wie frisch und klar die Herbsteslust! Dir Zweige früchteschwer. Der frischgepflügten Scholle Dust weht würzig um dich her. Doch rasch der kurz« Tag verglüht in seiner bunten Prackt; ein Nebelftreif die Fern umzieht und kühl kommt her die Nacht. Und Sonnengold und Mattengrün und was der Tag gebracht — wird licht durch all dein Trüumen zieh» in schlummertiefer Nacht. Auguste Lapstich, Hoyerswerda. Die Helle Heimat Theodor Schütze, Hainitz Unsere Ahnen begnügten sich des Abends mit dem Kienspan, entzündeten bei festlichen Gelegenheiten die Kerze und bestaunten die erste Petroleumlampe über alle Maßen. Wir aber leben in einer Fülle von Licht; unsere Abende werden Heller und Heller; wir drängen die Dunkel heit in entlegene Winkel, in entfernte Wälder zurück. Das gilt besonders für den südlichen, industriereichen Teil unserer Oberlausitz, für diese eigentümliche Land schaft voll stadtartiger Taldörfer, für die 60 Kilometer lange fast ununterbrochene Kette menschlicher Ansiede lungen, die man von Bischofswerda bis Zittau durchfährt. Stellen wir uns z. B. an einem Winterabend gegen 6 Uhr an den Südabhang des Mönchswalder Berges bei Wilthen. Welch ein Lichtermeer zu unseren Füßen! Welch ein Gewirr von Hellen Flammenpünktchen in samtschwar zem Untergrund! Da schimmern die Fenster von tausend und abertausend Stuben, Läden und Arbeitsräumen win zig und unbeweglich herauf; da sind breitfenstrige Fabrik säle noch grell erleuchtet; da strahlen die starken Lampen, die den Dorfstraßen Licht und Sicherheit spenden. Nach den Höhen zu werden die Fünkchen spärlicher; doch im Talgrunde drängen und häufen sie sich; aus weiter Ferne blinzeln sie noch fein und matt. Und dazwischen gleitet manchmal wie eine glitzernde Perlenschnur ein Zug da hin; die Scheinwerfer der Autos zucken hier und da auf. Auch zu dir hinauf schicken die unzählbaren Lichtquellen noch dünne, schwache Strahlen; du kannst sogar im Berg walde kaum noch in der guten, soliden Finsternis unserer Altvordern gehen, es sei denn, du machst dich erst gegen Mitternacht auf den Weg oder schlägst dich durch das struppigste Dickicht. Steigst du abends vom Czorneboh, so blicken dir von unten herauf zwischen Baumstämmen hin durch funkelnde Augen entgegen: dem pessimistischen Ver ächter der Zeit, dem romantisierenden Träumer erscheinen sie vielleicht als ein böser Glanz, als die giftsprühenden Augen des Untieres Zivilisation, das dort in den Tälern lauert. Doch gleichviel, du muht stehen bleiben und das Licht meer da unten bestaunen. Bist du einer aus der Art der Poeten, so wirst du entzückt sein und ergriffen; denn die Menschen scheinen die Sterne von der ewigen Feste des Himmels gerissen und auf ihre Erde gestreut zu haben. Den Himmel selbst freilich haben sie sich nicht herab zwingen können; sie haben im Gegenteil manch eine Hölle in all ihrer Lichtflut, und dazu verlernen sie mehr und mehr, nach oben zu schauen, wohin man ehemals die trost suchenden Blicke sandte und wo man von himmlischem Lichte gesättigt ward. Besitzt du eine nüchtern praktische Denkweise, bist du also ein „moderner Mensch", so wirst du trotzdem nicht umhin können, am Berghange innezuhalten und deine Augen in die lichtfunkenbesäten Täler hinabschweifen zu lassen. Eine stolze Befriedigung erfüllt dich wieder einmal. „Donnerwetter!" wirst du sagen, „das ist ja prachtvoll, das ist ja kolossal! Wie weit haben wir es doch schon ge bracht!" Dein rechengewandter Geschäftssinn wird sich regen; du wirst dich staunend fragen, wieviel Lampen dort unten von derselben unhörbar und blitzesschnell fließen den Kraft entzündet, wieviel Motoren und Maschinen von ihren allgegenwärtigen und doch unsichtbaren Händen ge trieben und geschwungen werden. Du wirst dich beim wei teren Absteigen mit deinem Begleiter darüber unter halten, wie man diese unausdenkbar gewaltige Kraft in dem fernen riesigen Elektrizitätswerk erzeugt, wie man ungeheure Spinnennetze von Leitungsörähten über unsere Heimat spannt, in denen die geheimnisvoll gebändigte Blitzesmacht hin und her fliegt und bis in die entlegenste Hütte dringt. Du wirst vielleicht jene Feststellung wieder machen, die heutzutage schon eine Schulweisheit geworden ist, nämlich daß dieses Licht, diese Kraft im Grunde ge nommen nichts anderes ist als zauberhaft verwandeltes, verschollenes Sonnenlicht grauer Urzeittage, nach Jahr tausenden von klugen Menschen wieder zur Auferstehung und Dienstleistung gezwungen. Aber auch aus solchen Tat sachen und Zahlen weht dich, lieber Freund, ein geheim nisvoller Atem an, ein Hauch ewigen Fühlens mitten in der Vergänglichkeit, der dich, bist du nicht gänzlich bar feiner Empfindung, erschauern und dich für Augenblicke schweigen und sinnen macht. Ich kann mir auch denken, daß du plötzlich wieder lächelst, da dir eine heitere Vorstellung durch das Hirn zuckt. Ja, möchtest du nicht ein Riese sein, in übermütigem Scherz eine gewaltige felsenschwere Faust Heven und dieses große Elektrizitätswerk, dieses krafterzeugende mächtige Herz zerschmettern, zermalmen? Male dir aus, wie in einer raschen Sekunde die hunderttausend Lampen ver löschen, die fleißigen Maschinen innehalten, wie allent halben Schrecken und Unordnung sich einstellen, die Men schen ärgerlich in der pechschwarzen Finsternis tappen und irgendwelche altmodischen Beleuchtungsgeräte hervor kramen! Auf den Straßen stoßen sie mit den Köpfen zu sammen; in den Gasthäusern trinken sie ihr Bier aus und empfehlen sich geschwind; in den Theatern und Kinos betätigen sich schmunzelnd die Herren Taschendiebe; die Konzerte brechen mit schrillem Klange ab; man murrt, knurrt, regt sich aus und schimpft überall, in den Heimen, wie an den öffentlichen Stätten; denn man ist verwöhnt heutzutage, .maßlos verwöhnt durch die Fülle von Licht, die man sich durch einen kinderleichten Griff am Schalt werk hervorzaubern kann. Und wie hell soll es, fragst du dich, nach hundert Jahren in unserer Heimat aussehen, wenn sich die Welt so weiter und in immer geschwinderem Maße entwickelt? Werden dann auf unseren Bergen ungeheure elektrische Fanale entzündet sein, die die Finsternis bekämpfen, ver drängen, vernichten, die das Land weithin mit starker künstlicher Tageshelle erfüllen? überflüssig sind dann die Millionen Lampen und Lämpchen; jeder Bürger zahlt seine Lichtsteuer, und nach der Dämmerung wird der Helle Tag auf den Bergen eingeschaltet; die künstlichen Sonnen strahlen in alle Täler herab, zu allen Fenstern herein. Wer schlafen oder im Dunkeln sitzen will, muß mit dichten schwarzen Vorhängen dem unbarmherzigen Lichte wehren. Vielleicht aber wird man nicht mehr viel auf Schlaf hal ten, sich nicht viel Zeit zum Stillesitzen gönnen, sondern wird noch mehr als heute arbeiten und hasten auf der Erde und in der Luft, dem Gelde nachjagen und sich um Nerven und Gesundheit bringen. Es herrscht ewige, unveränder liche Helligkeit; an finsteren Herbsttagen unterstützen die