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gründ das Khaatal und das Dorf Khaa selbst, um dann jenseits langsam ansteigend, vielleicht mit etwas stiller Wehmut der Khaastraße folgend und ihrer feinen Schönheiten gedenkend, den Wald zu gewinnen, immer rückwärts den Blick zum Forsthaus, das uns so lieb wurde. Ich hatte bei einer Biegung der Bezirksstraße einen alten Weg links gewählt, um nahe dem 548 Meter hohen Maschkenberge zu sein, dessen Gipfel ebenfalls die Ver werfungslinie einen besonderen geologischen Retz auf drängt, hatte nichts gesagt von dem Kommenden. Und so waren meine wenigen Begleiter einigermaßen verwun dert, als wir nach wenigen Minuten an Häuslein vom entlegenen Daubitz gerieten, so echt, treulich und fein. Und als wir just am saubersten und gepflegtesten von allen standen, vor einem köstlichen Gärtchen, in dem späte Rosen und heimatlich anmutende Georginen und leuchtende Astern locken, da ging die Haustür fast wie von selbst auf. Und da bat ich meine Weggenossen cinzutreten,' denn wir waren nun am Ziel unserer Reise: wir waren da und daheim! In Daubitz! Und noch dazu erwartet und willkommen geheißen in einer warmen Stnbe. Was soll ich weiter sagen von diesem köstlichen Hause mit seinem trauten, auf den ersten Blick heimisch anmutenden Gan zen? Von lauschigen Ecken und Winkeln, von sauberster Küche und weißbezogenen, für uns zurecht gestellten Bet ten, von dem Abend, der uns allen bis an unser Ende un vergeßlich bleiben wird? Weil wir hier in der Fremde daheim waren. Es war ein Paradies! Gern hätte ich mit den andern den Ort Daubitz ein gehender beschaut, der schon seit 1487 bestand nnd ehemals eine Glashütte hatte, hätte erst all diese traulichen Häus lein bewundert, um dann entweder den basaltischen Jricht- bcrg mit seiner berühmten Aussicht ins Kreibitzer Tal zu besteigen oder mehr westlich durch köstlichen Wald über den „Eustachius" und die Schlangenfichte zur Balzhütte, dem schönsten Forsthause zwischen Ostsee und Elbe, hinab zusteigen, um dann heimwärts die ganze Pracht der wet terharten Buchen in ihrem herbstlichen Brautkleide zu be wundern, um von dem schönsten Gasthanse dieser Gegend, der „Budersöorfer Säule", Abschied von Daubitz zu neh men. Aber liebe Freunde aus Deutschböhmen kamen, dar unter unser Hausherr. Nnd so begnügten wir uns mit einem langen Blick auf all die Pracht und schauten uns dafür umsomehr in Auge und Herz, beglückt, daß es noch solche Manner mit solcher Gastfreundschaft gibt. Und als sie ungern von uns schieden und wir ihnen ein Stück des Weges das Geleite gaben, da kam es mit aller Wucht mit dem Abend, der in diesen stillen Waldwinkeln mit seinem Schweigen ungeheuer eindringlich spricht und wächst. Und als wir zwischen den Lichtlein der kleinen Hütten wieder aufwärts stiegen, da fühlten wir stärker die Schauer einer Gebirgsnacht. Und mit den blinkenden Sternen in ihrem ewigen Rhythmus strömte der Pulsschlag dieses herrlichen Landes die sehnsüchtige Schwere über uns. O, daß es doch noch heimischer in unseren Herzen würde,' o, daß doch noch mehr unsere Toten, die für Deutschtum und Deutschland einst stritten und starben, unsere gemeinsamen Schicksale noch mehr besiegeln könnten! So kam es über uns, fast wie eine wunderbare Dichtung, wie ein Erleben in dieser sternfunkelnden Nacht, wie ein Loslösen und doch wiederum wie eiu Festhalten an dem, was uns bald mit diesem herr lichen Fleckchen Erde verschmolzen hatte: unsere gemein same deutsche Sendung. Nach einem beglückend gemütlichen Plauderabend kam dann eine traumlose Nacht und nach ihr am nächsten Mor gen der Abschied. Da es stark regnete, ließen wir alle küh nen Pläne fallen und nahmen uns nur vor, über einige abseits liegende und wenig begangene Stellen zurück zur Grenze zn wandern. Wir besuchten erst das Daubitzer Kalkbergwerk, das hart an der Verwerfung nach Schönlinde zu liegt. Man findet hier einen Jurakalk, der ein Stück ist jenes Jurabandes, welches sich vom südwest lichen Ende Europas verfolgen läßt bis ins nördliche Böhmen, ja bis nach Rußland. Da es außerdem der einzige offene Steinbruck) der böhmischen Juraformation und noch dazu von Basalt durchbrochen ist und ganz besondere Rei bungsflächen mit seltensten Mineralien enthält, so zählt er mitsamt dem benachbart anstehenden Porphyr und einem Quarzgange zu einem besonders hervorragenden geolo gischen Denkmal der Erde. Wir schritten nach der Besichti gung rüstig bergauf, ließen den Maschkenberg links liegen und später den basaltischen Steinhübel rechts, schritten durch das wegen seiner geologischen Funde ebenfalls sehr bekannte Nasse ndorf, in dessen Kalk Porphyr, Basalt unst noch andere Gesteine wechseln, hinab zum Khaa- t a le und jenseits zur Höhe von Schnauhübel. Selten hat mir der Aufstieg zu diesem Dorfe, das in einer gro ßen Menge von Porphyr-, Quarz- und Dioritgängen un gemein malerisch eingebettet ist, so viel Freude bereitet wie diesmal. War es Hier doch so herbstlich geworden. Herbstlich in den zahllosen weißen Birken und roten Eber eschen am Hang,' herbstlich in und an den schon mit Reisig und Kartoffelkraut eingepolsterten Häuslein, aus denen uns staunend die Augen der Einwohner nachschauten. Im Gewirr der vielen heimlichen Pfade fanden wir uns zur Schule und zur 1732 erbauten Wallfahrtskapelle daneben. Vielen ist sie bekannt ob ihres Ablasses. Und ich selbst habe ihr während eines solch lärmenden Wallfahrtsfestes 1913 einmal einen flüchtigen Besuch abgestattet. Nie aber vergeß ich den Blick von der Kirchentür hinab ins Tal. Denn unwillkürlich steigt mir da immer wieder zur Seele der Vergleich mit dem Daubitzer Kirchlein weit hinten an der Elbe. Nur, daß dort der grausige Blick weit tiefer ins lachende Elbtal springt und mehr bekannt ist. Nun gab es noch einen steilen Abstieg ins Langen gründer Tal (380 Meter) und jenseits auf einem ver schwiegenen Pfade einen schönen Aufstieg zum Dörflein Wolfsberg (480 Meter). Wiederum erquickte uns eine Weile der wohlige Raum des dortigen Johann-Rudolf- Hauses. Dann begann der Heimweg. Erst gingen wir westlich des Wolfsberges, dem man nun den letzten Schmuck des Waldes genommen hat, sodaß man nicht Hinsehen kann vor Wehmut über seine einstige Schönheit und viel lieber ins Tal von Zeidler schaut, wo hinter dem zwiebelförmi gen Kirchturm Plissen, Hantschberg, Schweizerkrone, Tanz plan und die ganze Reihe Sandsteinberge das wunder bare Landschaftsgemälüe abschließen. Dann kam der Bahn hof von Herren walöe (450 Meter), auf der Haupt wasserscheide zwischen Elbe und Oder gelegen, 1642 der Schauplatz eines heftigen Kampfes zwischen dstm kaiser lichen Obersten Matlohe und dem schwedischen Hauptmann Schlange, der dabei glänzend geschlagen wurde. Und end lich das alte, 514 Meter hoch gelegene Forst Haus Herrenwalde. Wenn uns im Herbste die Natur ihr wundersames, ewiges in seinen geheimsten Tiefen unergründetes Schau spiel erleben läßt und noch einmal alles mit einer sonnen klaren Sicht überstrahlt, dann muß man sich am „alten Forsthaus" von Herrenwalde auf die Bank unter die alten Buchen setzen. Dann ist hier eine eindringliche Schön heit, eine erhabene Naturandacht und ein tiefes Gott erleben, wie selten an einem anderen Orte der näheren Umgebung. Dann kann hier das Auge köstlich und träu mend schauen die Pracht des Rumburger Landes mit sei nen gewerbefleißigen Dörfern in der breiten Mandau- aue. Über der rauhen Schönborner Höhe blaut der un endlich zarte und doch so beherrschende Kamm des Zittauer Grenzgebirges, vom mächtig ausladenden Tannenberge aus über die zackige Klippe des Tollensteins bis zur fein gebauten Kuppe der Lausche und dem beherrschenden Sattel des Hochwaldes. Und hat man einen glücklichen Tag, so tauchen links davon Jeschken und Reifträgerbaude, Tau-