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die bekannte Pirskenbaude mit ihrem Pflanzen garten links liegen, zwängten uns durch Gesträuch und Gestrüpp über jene uralte „Heidenmauer" und waren bald oben auf dem von kräftigen Buchen bestandenen langen Rücken. Hier, wo das für den Basalt so typische Fuchs kreuzkraut, der Bergholunder und Fürberwaiö eine Lücke gegen das Tal zu ließen, lagerten wir uns. Ein herrlicher, echt lausitzer Blick! Vor uns das breite, kesselförmige Tal von Schluckenau mit diesem fleißigen, überaus schmucken Städtleia in der Mitte,' umsäumt vom flachen Jüttels- berg, dem von Steinbrüchen zerfurchten Taubenberge, dem Spitzberge und Wolfsberge. Dahinter aber reihen sich wie die langen Rücken einer Riesenherde alle unsere graniti schen Heimatberge an, vom Kottmar angefangen bis zum Valtenberge, nur hier und da durchbrochen von einem Dörflein, einer Esse oder einem sonstigen Zeichen der engeren Heimat. Jedem Lausitzer muß bei solchem An blicke das Herz aufgehen! Es sind die Stellen, die ihre Be wohner immer wieder locken mit plötzlichem Heimweh, wenn sie das Glück suchen wollen in weitem, fremden Lande und die sie immer erneut zu sich ziehen mit der Kraft, die von gemeinsam verbindendem völkisch eigenem Schicksale getragen ist. Freilich, um ein derartiges Wunder unserer Heimat erleben zu können, muß man das senti mentale Weh unserer Lausitzer als unsagbare Sehnsucht an sich selbst erfahren haben: Sehnsucht nach der väter lichen Linde, nach stammesverwandten, treusorgenden Augen und nach der stillen Gemeinschaft, die den Lausitzer trotz allem immer noch zusammenkittet. Leider zwang uns echt basaltische Kühle bald aufzu brechen. Und nachdem einem nichtsahnenden Wander genossen noch ein kleines Andenken in Form einer zier lichen Basaltsäule in den schon prall gefüllten Rucksack ver steckt worden war, ging es hinab zum ehemaligen Rum burger Dreieckswege und von diesem sofort rechts durch verschwiegenen, quellenreichen Wald genau südwärts zum Plissen. Auch an seinen ehemals so dicht bewaldeten Abhängen hatte die Nonne vor einigen Jahren furchtbar gewütet, deshalb waren viele Holzfäller damit beschäftigt, die Norük- und Ostseite ganz zu entblößen. Uns lockt der 591 Meter hohe basaltische Gipfel, den wir unter dichten Schwaden beißenden Holzrauches erklimmten. Nach der Besichtigung des etwa 6 Meter im Durchmesser zeigenden „Kraters" und des anstehenden Gesteins — welches teil weise große Olivinkugeln mit Vronzit und Magnetit- krystallen führt — gings am Südhang steil hinab. Nach kaum 100 Meter lockte uns eine Lichtung. Ahnungslos treten wir hinaus, um dann plötzlich freudedurchzuckt stehen zu bleiben, denn unten lag behütet von seinem alten Kirch lein der uralte tief eingebettete Ort Zeidler, bekannt durch seine bedeutenden Wirkwaren. Darüber aber, rechts und links — eine Bergpracht, wie wir sie noch nicht schau ten! Fast alle unseren bekannteren Berge — Rosenberg, der Olymp Böhmens, der flache Zschirnstein, der Winter berg, Hunderte von Sandsteindomen, Sandsteinzacken und Spitzen, und darüber die Wächter all der Schönheit: Kal tenberg, Lausche, Ahrenberg, Großer Bnchberg, Hochwald und Jeschken — ein Gewirr von Hügeln, von Niesen und Zwergen, von Domen und Rücken, daß uns das Herz aufging! Wir schauten unwillkürlich im Geiste zurück nach der Zeit, wo längs alter Schollen und Nisse die Erde hier in der Richtung Hinterhermsdorf—Zeidler—Wolfsberg— Daubitz—Kreibitz—Lausche fast 300 Meter tief einbrach. Einerseits erhielten diese Stellen übergeschichteten Kreide sandstein, durch welchen sich infolge des Druckes im Innern der Erde feuerflüssige Massen in Form von Basalten und Monolithen (Klingstein) zur Höhe einen Weg bahnten. Anderseits wurde durch all diese Riesenvorgänge sdie wir Verwerfung trennen!) eine Landschaft hervorgezaubert, die durch ihren millionenfachen Wechsel von Berg und Tal, von Wald und Aue, von stetestem Übergang in Gestein und Pflanzenwelt zum Paradies des reisenden Wanderers wurde. Dem hier besonders offen daliegenden Buche der Urnatur folgten wir, indem wir bis Zeidler auf grani tischem Boden schritten, südlich dieses Ortes hinter einer „Druckerei", in der der Granit kilometerweit infolge des damaligen Druckes zerklüftet und zermalmt wurde, in ein Kalkgebiet traten, das ehemals gewaltige Lücken aus zementierte, um endlich in die ganz eigenartige Welt des Sandsteins geführt zu werden. Aber auch hier war der Aufenthalt in den vielen, von Kiefern überzogenen Rissen, Klüften und Spitzen nicht allzulange. Wenige Schritte links aufwärts — und schon nahm uns das sog. „Rotliegenöe" auf, au dessen östlicher Grenze wieder Granit ansteht, mit dem Dörfchen Wolfs berg, nicht zu verwechseln mit dem 590 Meter hohen basaltischen Berg Wolfsberg, der wie ein Wächter dies ganze geologische Gebiet beherrscht und zugleich auch die eigene unbeschreiblich schöne und abwechslungsvolle Wolfsberger Landschaft. In Wolfsberg konnte ich meine Wandergenossen in das Heim eines lieben Rumburger Freundes führen, der uns, wie schon einst dem hiesigen Alpenverein, Rast und Ätzung liebevoll und gern gewährte. Zum Danke haben wir über dem Eingänge seines Hauses eine Tafel ange bracht, auf der ein dankbarer Gast schrieb: Es sei hier jedem, der sich tapfer stellt Mit aller Unbill dieser Welt, Ein Plätzchen, wo er dann und wann Von aller Welt sich trennen kann. Neugestärkt und gekräftigt ging es nun hoch am Rand der nach rechts tief abfallenden Verwerfung zum Forst Haus Wolfs berg, der Stätte des schaurigen „Paudietrich", oder nach anderer Lesart der Wohnort des alten Raschauer, der sich der Sage nach mit einer roten Weste unsichtbar machen konnte und 1740 in Hainspach gehenkt wurde. Das Forsthaus Wolfsberg ist aber auch ein Eckpfeiler im geo logischen Sinne für das ganze Gebiet. Biegt doch hier gerade die Verwerfungsliuie scharf von Nordwest nach Südost um, sodaß wohl wegen diesem sehr unvermittelten Wenden gerade hier ganz bedeutende Erscheinungen der Verwerfung (besonders sog. „Rutschflächen") beobachtet werden und die ganze Gegend unendlich zerklüftet er scheint. Kein Wunder, daß der nichtsahnende Wanderer, der sorglos von den zwei Kastanien zur einladenden Laube schreitet, schaudernd und doch so unendlich entzückt hier den Schritt bannt. Denn tief unten gähnt es aus tausend Winkeln und Ecken,' weit zerklüftet bricht sich das Land rechts und links der Khaa, zart zergliedert durch malerisch hingestreute Häuschen von Langengrund, Steinhübel, Khaa und Nassendorf und doch so gewaltig überzeugend und kräftig im Eindruck auf jeden. Und darüber die Riesen unserer Bergwelt: Lausche, Kaltenberg, Tannenberg. Für- wahr ein neues Paradies! Wie oft stand ich versonnen an dieser natürlichen Brüstung dort und sah versonnen hinaus und hinein. Besonders dann, wenn noch nicht der gleißende Sommer hier erschien. Dann glühte und blühte zu meinen Füßen die wechselvolle Pracht des Herbstes, und über und jenseits des blauenden Tales lag oft die Kühle oder die brü tende Schwüle eines dicht verschleierten Tages. Und oben, über dem allen, meist mächtige Gebilde weißer Wolken, oft wie Ballen, oft sich faustig hineindrückend in das satte Blau des Äthers. Und hatte ich besonderes Glück, dann glitt ein Fall stürzenden blendend weißen Lichtes hinein in diese verschlungene Welt, der Reste unserer „Lausitzer Hauptverwerfung". Und mit ihrer glühenden Pracht sog sich mir für immer die nie zu stillende Sehnsucht nach meinem unvergeßlichen und lieben Wolfsberg ein. Diesem starken Eindrücke jener Landschaft vermag sich keiner zu entziehen, der nur irgendwie etwas Sinn für unsere Hei mat hat. Und wie so manche, die hier eine neue Offen barung erhielten, so zogen auch wir still und bewegt hinab zum Rauschengrund, kreuzten hinter Langen-