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Der Vater Oberlausitzer Erzählung von Oskar Schwär lFortsktzung) Der Kantor, der auch geladen war, hatte eine gediegene Schnitzelbank geschaffen. Die konnte erst vorgetragen wer den, nachdem die fünf Zickel und die zwei Schinken in Brotteig verzehrt waren. Denn sie zählte vierzig Bilder und erforderte frische Kräfte. Die ganze Jugend des Bräu tigams und der Braut war dargestellt, das Ernste ge mieden, aber alles Heitere, was Verwandte und Schul kameraden zu berichten wußten, angedeutet. Und das ganze schloß mit einer Frage, die ungelöst blieb. Der Kantor zeigte einen Bogen, darauf war nichts zu sehen als ein Gummisauger. „Ist das nicht ein Kinderzulp?" fragte er, und die ganze Gesellschaft wiederholte die Frage. „Sapper lot, was will denn der? Sapperlot, wo kommt der her?" fragte er dann die Gesellschaft weiter. Dann wiederholte man im Chor sämtliche Stichwörter der Schnitzelbank und endete: „Kinderzulp, was will denn der, wo kommt der her?" Da hob ein lautes Bravorufen an, der Bräutigam klatschte selbst kräftig Beifall, nur die Brant saß mit er röteten Wangen stumm da und blickte verschämt lächelnd vor sich hin. Auch Ehregott Heidorn klopfte sich die fetten Schenkel und meinte dann zur kleinen Brautmutter: „Ja, ja, Mutter, das beste kommt noch! Großelternfreuden!" Sie war gerührt, als sie an diese Aussichten dachte, und wischte schnell mit dem Taschentuch, das sie den ganzen Tag in der Hand hielt, eine Träne vom Auge, aber ihr Mann kicherte dazu. Abends wurde die Gesellschaft in großen Schrecken ver setzt. Drei Unholde, ein Gelber, ein Roter, ein Schwarzer, drängten sich in die Stube. Der fette Schwarze mit großen metallenen Ringen an Ohren und Nase und in der dürfti gen Kleidung der Sudanneger war mit einem in kunst voller Scheide steckenden Messer bewaffnet. Er stürmte, die weißen Zähne bleckend und heiser brüllend, voraus. Als er ein dickes Weibchen sah, sprang er hinzu, kniff cs in die drallen Arme, fiel in ein lantes Freudengejohle, winkte seinen Genossen, zischte und fauchte sudanesisch und rief ans lausitzisch: „O, fraß ich mit Haut und Hur! Klchch, klchch, putzereschhoboburetscheratsche klchch! A feiner Bissen. A feiner Bissen. A Snnntagsbroten. Mit Haut und Hur' wirb se gefrassen!" Und der Chinese wie der Indianer stimmten in das Frcudengehenl ein. Da entdeckte der Menschenfresser die Braut. Vor Freude machte er einen Luftsprung, patschte mit der Zunge, klatschte sich die Schen kel und rief auf sudanesisch die Genossen herbei. O — o — o heulten sie in tiefen und hohen Tönen, immer wieder o — o — o. Als aber der Chinese, entgegen den guten Sitten seiner Rasse, Miene machte, sich auf die Braut zu stürzen, hielt der Menschenfresser, von soviel Schönheit gerührt, ihn zurück. „Klchch, klchch, schönes Menschenkind! Zu schön! Zu schön! Kinder, ich frass' sie nich! Nein, nein, ich fress' sie nicht!" Stiirzte sich aber im Augenblick selbst auf die Braut, reckte sein Maul vor und patschte laut mit der Zunge. Die Braut war zurückgewichen, die Züchtjung fern kreischten auf, die Blumenmädchen weinten. Aber der Menschenfresser beherrschte sich, verzichtete sogar auf den Kuß, pries nochmals die Schönheit der Braut und machte seinen Genossen den Vorschlag, ihr nichts zuleid zu tun, aber sie zu beschenken. Die beiden nickten, und so löste sich das Spiel in Wohlgefallen auf. Der Rothäutige riß die funkelnde Nadel ab, die seine umgehängte Pferdedecke vorn zusammenhielt, der Chinese zog einen Fächer aus seinem Gewände, der dicke Menschenfresser löste die Messer scheide vom Gürtel, und dann sangen die Vertreter der drei Farben und Rassen in einer Zunge und schönem Zu sammenklang: Entflieh mit mir und sei mein Weib und ruh an meinem Herzen aus! In weiter Ferne sei, mein Herz, dir Vaterland und Vaterhaus. Und fliehst du nicht, so sterb ich hier, und du bist einsam und allein, und bleibst du auch im Vaterhaus, wirst doch wie in der Fremde sein. Dann zeigten sie der Braut die Geschenke und winkten ihr. Da sie aber auf ihren Bräutigam wies, dem sie nun angehöre, hatten sie ein Einsehen, kamen heran, legten die Geschenke vor die Braut auf die Tafel, nahmen kurzen, aber gar rührenden Abschied und sprangen hinaus. Ehre gott Heidorn eilte ihnen nach und bat sic, seine Gäste sein zu wollen. Es dauerte auch nicht lange, man lieh die Ge schenke noch von Hand zu Hand gehn, bewunderte sie und pries das tolle Spiel, da kehrten die drei in der Gewan dung zivilisierter Europäer zurück. Mit rauschendem Bei fall wurden sie begrüßt. Es waren drei Betbrüder des Bräutigams, die auch nun noch allerhand lustige Späße trieben. Ja, es ging fröhlich zu auf dieser Hochzeit. Und der alte Liebscher sagte manchmal zu seiner Fran: „Mutter, is ni schiene zi Elsas Huchst? Hm, hm, war hätte doas gebucht! Na, Mutter, trink! Sollst leben!" Die Mutter guckte oft nach ihrer Tochter hinüber und schüttelte den grauen Kopf: so eine schöne Braut war ihre Elsa! Und dann zog sie die Augenbrauen hoch! es hatte ihr in den Brautkranz geregnet, das bedeutete nichts Gutes. Und sie wischte sich mit dem Taschentuch schnell über die Augen. Frau Alwine war heute um zwanzig Jahre jünger, sie war bald drin, bald draußen, sie sprach oft mit der Mutter Liebschern, führte sie auch hinauf in das eine Stübchen, das ganz angefüllt war von lauter Hochzeitsgeschenken. Auch in die Kammer der jungen Leute, wo die schneeweiß überdeckten Betten standen. „Ach, wie gut, daß es soweit ist!" sagte die Bäckin. „Wir müssen abtreten von der Bühne, die jungen Leute werden unsre Stelle vertreten. Das ist der Welt Lauf. Und nm die beiden bangt mir nicht, die werden ganz glücklich sein miteinander!" „Gott geb's! Gott geb's!" antwortete die alte Mutter Liebschern. Sie gingen wieder hinunter in die brausende Festfreude. Dann aber schlugen die Uhren zwölf. Der Lärm ver stummte. Eine Betschwester nahm unter rührenden Worten der Braut Kranz und Schleier ab und setzte ihr ein Häub chen auf, und der Bräutigam mußte sich eine Nachtmütze über den Kopf ziehen lassen. Eine blühende, junge Frau ivar Elsa. Und doch weinten ihre Eltern, als sie sic an sahen, und auch Frau Alwine hatte nasse Augen. Aber sie gab sich nicht traurigen Gedanken hin. „Na, wer ist das nächste Paar?" fragte sie und begann, Tische und Stühle beiseite zu rücken. Man half ihr, und nun wurde der Brautkranz ausgetanzt. Und dann führte Johann Elsa hinauf iu ihre Kammer. Die alten Webersleute gingen still durchs Dorf. Es hatte aufgehört zu regnen. „Hm, doaß's groade zir Träut oafangen mißte zi renn! Groade zir Träut!" sagte die kleine Frau. Ihr Mann beruhigte sie: „Mutter, wenn zwee Menschen sich su gutt senn, do ivarn sie sich o immer zt- raichte sinn. Do mach Dir ok keene Gedanken!" Aber als sie dann ihr Nachtgebet sprach, legte sie dein lieben Gott doch noch besonders ans Herz, er solle über die beiden jungen Leute ja immer seine Hände halten. Denn einer Braut, der es in den Kranz geregnet hat, stehe ein Unglück oder schweres Leid bevor! 3. Johann Heidorn und sein junges Weib lebten im Himmelreich. Sie machten auch den Alltag dazu. Keine Arbeit ward ihnen schwer,- denn was man auch tat, es ge schah für's andere. So konnten sie sich nicht nur am Abend ihres Werkes freuen und mit Gesang und Spiel oder