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er mit einem unbekannt gebliebenen Gegner einen Zwei kampf zu bestehen, in dem er diesen mit seinem Degen lebensgefährlich verletzte. Nach den strengen Bestimmungen des brandenburgischen Duelledikts vom 6. August 1688 hätte er eine schwere Strafe zu gewärtigen gehabt. Um dieser zu entgehen, nahm er seinen Abschied und trat in die kursüchsische Armee ein. Das Gleiche hatte schon vor her sein Gönner von Schöning getan. Bet den Sachsen trat Kyaw als Leutnant ein und beteiligte sich sofort an den Kämpfen der vereinigten Reichstruppen gegen die Franzosen am Rhein. Im Jahre 1692 legte er in dem Gefecht bei Heilbronn ganz besondere Ehre ein. Als im Jahre 1694 nach dem Tode Georgs des Vierten dessen Bruder Friedrich August der Erste fAugust der Starke) sächsischer Kurfürst wurde, begann die eigentliche Glücks laufbahn Kyaws. Er gewann bald die Gunst dieses Für sten, die ihm bis zu seinem Tode in unverändertem Maße erhalten blieb. Während der Jahre 1695 und 1696 kämpfte Kyaw inmitten der sächsischen Truppen wieder in Ungarn gegen die Türken, 1697 aber begleitete er August den Star ken auf seinem am 2. September stattfindenden feierlichen Einzüge in Krakau und wohnte der überaus prächtigen Krönung seines Landesherrn als König von Polen bei. 1698 ward Kyaw zum Oberstwachtmeister befördert. Lange Zeit befand er sich mit den sächsischen Truppen fern von seinem Vaterlande, besonders in Polen. Cregander er zählt, daß er sich in den Kreisen des damals ziemlich roh gesitteten polnischen Adels durch seine bekannten Eigen schaften dermaßen beliebt machte, „daß sie ihn öfters ganz ungern von sich ließen". Aus seinen Reisen, die er in dieser Zeit unternahm, erlaubte er sich mehrfach mit seinen Herbergswirten lustige Scherze. Das heiterste Stückchen ist wohl folgendes: Eines Tages kehrte Kyaw mit seinem Diener bei einem Wirte ein, der die Gewohnheit hatte, seinen Gästen erheblich mehr auf die Rechnung zu setzen, als sie genossen hatten. Kyaw wußte dies und war entschlossen, den unehrlichen Geizhals zu bessern. Er befahl deshalb seinem Diener, daß er dem Wirte auf seine Fragen nach Namen und Stand seines Herrn folgendes antworten solle: Sein Herr fei ein recht merkwürdiger, ja geradzu unheimlicher Geselle. .Er hätte ihn in der kurzen Zeit seiner Dienerschaft so viele wundersame und unerklärliche Dinge vornehmen sehen, daß er bestimmt glaube, sein Herr sei der leibhaftige Teufel oder wenigstens mit diesem im Bunde. Deshalb sei es wdhl geraten, ihm die Zeche aufs genaueste zu be rechnen: denn sonst könne die Sache schlecht ablaufen. Als der Wirt diesen Bericht vernommen hatte, ging er schwei gend hinweg, lächelte still vor sich hin, weil er annahm, diese ganze Erzählung sei weiter nichts als Stimmungs mache für seinen Gast, der auf diese Weise glaube, zu einer billigen Bewirtung zu kommen, und gedachte in diesem Falle eine ganz besonders saftige Rechnung auf zustellen. Und so kam es auch. Ehe aber Kyaw den gerade zu unverschämt hohen Betrag bezahlte, ließ er sich von seinem Diener eine Pfanne mit glühenden Kohlen aufs Zimmer bringen, legte einen harten Taler daraus und ließ den Wirt erst rufen, als das Geldstück fast glühend geworden war. Dieser kam auch sofort, um die Bezahlung der Rechnung entgegenzunehmen. Kyaw, der den Taler schon vorher mit wildledernen Handschuhen von den Koh len genommen hatte, drückte ihn nun mit den Worten: „Hier habt Ihr, was Euch vor Eure Rechnung gebühret," fest in die Hand des Wirtes. Dieser ließ voller Schmer zen den Taler fallen, schrie laut auf, lief zum Hause hin aus, indem er seiner Frau, nun wirklich in dem Glauben, der Teufel sei sein Gast, zurief, sie solle „retirieren, die- weilen der Teufel im Quartiere wäre". Hierüber geriet das ganze Haus in Schrecken und Aufruhr. Alles lief da von, und man wagte sich erst wieder ins Haus, als man annahm, der unheimliche Höllenbewohner sei verschwun den. Kyaw war auch mit seinem Diener fortgeritten, nach dem er den Betrag für seine Rechnung auf den Tisch ge zählt hatte. Diese erzieherische Maßnahme unseres Kyaw war von vollem Erfolg. Der Wirt behandelte, immer in dem Glauben, der Teufel habe ihn kuriert, seine Gäste fortan gerecht, worüber man allgemein zufrieden war, und als Kyaw nach einiger Zeit in anderer Kleidung, so daß er von dem Wirte nicht erkannt werden konnte, bei diesem einkehrte, fand er zu seiner Genugtuung, daß er nicht mehr übervorteilt wurde. Im Jahre 1700 begann der Nordische Krieg, in dem der Dänenkönig Friedrich der Vierte, der Russenkaiser Peter der Erste und August der Starke gegen den jungen Schwedenkönig Karl den Zwölften kämpften. Im Februar genannten Jahres wurden mehrere kursächsische Regi menter an der Grenze Livlands unter dem Befehle des Grafen von Flemming zusammengiezogen. Unser Kyaw wohnte dieser Kriegshandlung bei, mit der mau den Zweck verfolgte, Riga zu überrumpeln. Da das Kriegs glück sich dem Schwedenkönige zuwandte, Friedrich der Vierte zum Frieden von Travendahl (28. August 1700) gezwungen und Peter der Erste von den Schweden bei Narwa (30. November) geschlagen wurde, verließ August der Starke seine Armee und begab sich nach Polen, wohin ihm auch Kyaw auf "einige Zeit folgte. Hier wurde er zum Major bei den Grenadiers ä cllovsl ernannt. Als Major hatte er einmal den Auftrag, in einer Stadt eine größere Summe Geldes auszuzahlen. Da es ihm an Kleingeld fehlte, ließ er einen jüdischen Geld wechsler zu sich rufen. Dieser versprach auch, innerhalb einer halben Stunde die gewünschten Geldsorten herbei zubringen. Pünktlich war der Jude wieder zur Stelle, brachte aber mit klugem Vorbedacht eine Menge ver schiedener Waren mit. Nach der Abwickelung des Wechsel geschäftes pries der Jude unserm Kyaw die Waren auf eine so eindringliche Art an, daß dieser sich nicht enthalten konnte, die schönen Dinge eingehend zu betrachten. Das war nun für den Juden der gewünschte Augenblick. Wäh rend Kyaw am Fenster stand, ließ dieser etliche von den Dukaten, die auf dem Tische lagen, mit geübter Hand un bemerkt in seiner Manteltasche verschwinden. Als Kyaw die Waren mit der Bemerkung, nichts kaufen zu wollen, wieder in den Kasten gelegt hatte, wollte sich der Abra- hamssohn empfehlen. Ein Blick auf seine Dukaten be lehrte aber unfern Kyaw, daß hier etwas nicht mehr stimmen könne. Er zählte sofort nach und fand auch, daß 4 Stück seiner Goldfüchse fehlten. Er bestimmte deshalb den Juden, sein Geld ebenfalls nochmals zu zählen, wozu dieser gern bereit war. Selbstverständlich stimmte das Geld des Hebräers. Kyaw aber hegte die feste Meinung, der Jude müsse die fehlenden Dukaten haben, und er kam sofort auf einen eigenartigen Gedanken, die 4 Goldfüchse wieder hervorzuzaubern. Er zählte nämlich in Gegen wart des Juden seine Dukaten mit allem Eifer wohl mehr als hundert mal immer wieder durch, von oben nach unten, von unten nach oben, von rechts nach links u. s. f. Als der Hebräer ungefähr eine halbe Stunde diesem sonderbaren Spiele, das gar kein Ende nehmen wollte, zugesehen hatte, fing ihm an, angst und bange zu werden, und er bat den Herrn Major, ihm zu erlauben, daß er sich entferne, da er sonst zu viel in seinem Geschäfte ver säume. Kyaw aber antwortete, „daß, da der Jude, als ein ehrlicher Mann, ihm keineswegs die Dukaten entwendet habe und außer ihnen beiden sonst niemand in der Stube gewesen," die Dukaten auf jeden Fall da sein müßten und es deshalb nur am Zählen läge. Aus diesem Grunde habe er sich vorgenommen, „die ermangelnden Dukaten wieder herauszuzählen, es möchte dauern, so lange es wolle. Er müsse sich also gefallen lassen, so lange zu ver bleiben, bis die verlorenen Schafe sich wieder zur Herde gefunden." Also zählte Kyaw unentwegt weiter. Der Jude,