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Und modulieren ganz unbändig, Laufen Sonntags in die Häuser hinein Und thun den christlichen Glauben schrein. Unsere Brotschüler haben nun zu wenig Geld eingesam melt, und unser Magistrat bittet daher die Bürger, ihre Gaben den Brotschülern nicht mehr in die Hände, sondern in ihre Büchse zu stecken. Dieses ist ein böses Lob für die Herren Kurrendaner der guten Stadt Lauban." Der obenerwähnte Pastor Museovius war es auch, der den heftigen Streit umden lateinischen Kirchen gesang entfachte. Er ließ 1687 ein Buch erscheinen: „Gebrauch und Mißbrauch, des Lateinischen Singens und Betens, Beym Öffentlichen Gottes-Dienst, aus Gottes Wort, der Kirchen-Geschichte, und der reinen Theologen Schrifften, zur treuherzigen Vermahnung, zum vernünfftigen, verständlichen, Hertz-Bußfertigen, gläubigen und erbaulichen Singen und Beten: Wie dann auch zur ernstlichen Warnung vor dem, mit Unverstände, aus blosser Gewonheit, ex opere operato, in einer nur deutschen Kirchen- Versammlung ohn Andacht geplerrten Lateinischen Choral singen, Mönchischen Murmeln, und Collecten-Lesen; Allen die im Geiste und in der Wahrheit verständlich, und andäch tig Singen, und Beten wollen, wie sie sollen, vorgestellet Mit vorangedruckter Censur und Approbation der Hoch- löbl. Theol. Facultät zu Wittenberg. Durch Johannem Muscovium, Past. Prim, in der Churfürstl. Sächs. Sechs-Stadt Lauban. Wittenberg, druckts Martin Schultze." Der Titel läßt ahnen, daß es der Herr Pastor nicht ganz kurz mit seiner Streitschrift abzumachen gedenkt, und wenn wir nun das in der Bibliothek der Oberl. Gesellschaft der Wissenschaften zu Görlitz (Th. 4. 129) erhaltene Exemplar des Buches zur Hand nehmen, so finden wir nach 12 Seiten Gutachten der Wittenberger theologischen Fakultät und 2 Seiten Widmung an alle Einwohner LaubanS vom Bürgermeister bis zum Handwerker den Stoff auf 214 Seiten aufs Gründlichste bearbeitet. Es gewährt einen eigenen Reiz, einen so streitbaren Theologen des 17. Jahr hunderts einmal mit Leidenschaft seine Sache verfechten zu sehen, und wir wollen ihn daher möglichst selber zu Worte kommen lassen. In der Einleitung zittert Mus- eovius den D. Heinrich Müller, der in einer Schrift vier stumme Kirchen-Götzen ausgestellt hat, den Taufstein, Pre digtstuhl, Beichtstuhl und Altar. „Diesen vier stummen Kirchen-Götzen wollte ich nicht gerne den fünften hinzu setzen,- wiewohl nicht einen stummen, sondern . . . einen gewaltig schreienden, prächtig dröhnenden, kraus- und buntgekünstelten Brumm-Summ-Thon- und Schrei-Götzen." Das ist die „in fremder lateinischer Sprache unverant wortlich gemißbrauchte Kirchenmusik, welche nicht nur allein zur Hinderung des andächtigen und vernünftigen deutschen Lieüersingens mit langweiligen, unverständlichen lateini schen Mönchischen Choral-Geplerr die edle Zeit verderbet, sondern auch mit dem Italienischen, in unsere deutsche Kirche eingeschlichenen kauderwelschen Kapaunen-Gelächter die biblischen Texte gewaltsam zerreißet, durch der Gurgel geschwinde Läufe in kleine Stücke zerhacket und notzüchtiget: Da man wohl ein sausen, dröhnen, brausen, brummen, summen und Jäger-Geschrei höret, aber nicht weiß, was es ist: Wenn zumal in einer von der Kirchen unverstandenen lateinischen Sprache mit concertiren, wunderlichen Colo- ratoren und seltsamen Läufen-machen, da alles geschwind, hüpfender und lachender Weise durcheinander gehet, einer den andern jaget, und den, der es am künstlichsten machet und der Nachtigall am allersubtilsten nachschläget, . . . vor einen sonderlichen Abgott admirtret, . . . wenn man also ohn Verstand, ohn Andacht, ohn Buß und Gottesfurcht den Menschen zu gefallen, die Noten daher lachet, streichet, orgelt, posaunet, fiedelt, brummet, pfeifet und singet. . . . Wenn der Organist da sitzet, nur seine Kunst hören lässet, auch, wie manche junge Prediger sich selbst gerne hörend, nur ihre große Kunst verkündigen, mehr ihre eigene, als Gottes Ehre und der Kirchen Erbauung suchen." Siu» werden in den ersten 3 Kapiteln rechtes und falsches Beten unü Singen einander gegenüber gestellt und im 4. Kapitel wird der „Schaden, den die deutsche Kirche hat, wenn lateinisch gebetet und gesungen wird," aufgewiesen: Der gemeine Mann wird am mitbeten und mitsingen gehindert, die schönen deutschen Kirchenlieder bleiben unbekannt, die Leute werden vom Kirchenbesuch abgehalten. Den Ein wand, daß ja in Lauban nicht nur lateinisch sondern auch deutsch gesungen werde, läßt Museovius nicht gelten: „Ist es denn recht, wo man an Sonn- unü hohen Festtagen vor der Amtspredigt bis zum Glauben lauter lateinisch singet, welches oft 5 Viertelstunden währet? . . . Oder soll der Kantor nur mit seinen Schulknaben allein singen und der Organist mit Orgeln allein die Zeit zubringen?" Im ö. Kapitel bekommen dann die Kirchenmusiker ihre besondere Vermahnung: „Wie dann gemeiniglich solche hohe Orter in der Kirchen, als Chöre und Orgeln, fast zu Plauder- Orten gemachet werden, da sich mehrenteils dieselben hin stellen, die dem Gottesdienste ungern beiwohnen." Und: „Nicht weniger im ganzen Leben müssen Christliche Musici mit gottesfürchtigem Leben, Andacht und Frömmigkeit ihr Amt preisen, nicht zu losen Händeln, ärgerlichen Spielen und Pfeifen in Wirtshäusern sich gebrauchen lassen, nicht Schandpvssen treiben, die Leute fröhlich zu machen." In den Schlußkapiteln (6 und 7) führt M. aus, daß man „nicht mit der Stimme allein, sondern fürnehmlich mit dem Herzen singen soll. Lieblichkeit soll beim Gesänge sein, ohn Lieblichkeit bewegt er nicht viel; Andacht muß aber auch bei der Lieblichkeit sein, Lieblichkeit ohn Andacht gefällst Gott nicht. Andacht ohn äußerliche Lieblichkeit gefäüet Gott wohl, wenn aber Andacht und Lieblichkeit beisammen sind, gefället es Ihm desto besser, ist auch desto mehr zu rühmen und zu preisen." Daß diese Schrift nicht nur in Lauban, sondern in der ganzen Oberlausitz, wo damals noch viel lateinischer Kirchen gesang in den evangelischen Kirchen gepflegt wurde, trotz des berechtigten Kerns viel Widerspruch erregte, läßt sich ohne weiteres erwarten, und Museovius beschwert sich auch in der gleich zu erwähnenden, 7 Jahre später erschienenen zweiten Schrift, daß seine Gegner, die er im Laubaner Gymnasium vermutet, ein zweites theologisches Gutachten von einer andern Universität mit gegenteiligen Ansichten eingeholt und hinter seinem Rücken haben zirkulieren lassen. „Ist hierauf bald ein namenloses Skriptum aus geflogen, unter die unschuldige Schuljugend ausgestreuet und als eine Widerlegung meiner Predigt gerühmet und vielfältig abgeschrieben worden. Darin ich solcher unförm lichen Consequentien beschuldigt werde, daß einer, dem ich unbekannt bin, nicht glauben kann, daß ich gesunde Ver nunft und einige Theologische Qualität von Gott haben müsse." So ließ er denn 1694 als eine Verteidigung seiner Ausführungen erscheinen: „Bestraffter Mißbrauch der Kirchenmusik, und Kirchhöfe, Aus Gottes Wort zur Warnung und Besserung vorgestellet durch Johannem Muscovium, Pastorem Primarium und Jnspectorim der Kirchen und Schulen in Lauban." (Ein Exemplar dieser Schrift befindet sich in der Laubaner Stadt- und Volks bücherei, A 1561.) Er verteidigt sich darin gegen den Vor wurf, daß er die Kirchenmusik überhaupt angegriffen habe; die edle Musik in ihrem rechten Gebrauch hätte er allezeit hoch geschätzt und gerne gehört, sein Kampf richte sich nur gegen ihren Mißbrauch. Nach einer geschichtlichen Über sicht über das Alter der Instrumentalmusik, besonders der Orgel, in der Kirche, wiederholt er dann die Anklagen aus der ersten Schrift. Neu ist seine Forderung, daß dieselben Instrumente nicht zur Kirchen- und weltlichen Musik ver wendet werden sollen. „Ob auch Gott das gefallen könne, wenn man beim Gesundheittrinken große Gläser Wein zur Völlerei einpauket, einschalmeiet oder etnörommelt, bald darauf aber eben mit diesem musikalische» Zeuge in die