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Nr. 13 Gberlauflhsl? Hslmakzsttung 1S5 Sonniges Wandern Vier Tage Fahrt im Osten Sachsens Kurt Nierich - Kötzschenbroda Der Morgen flammte im Osten auf, und die Sonne ergoß Ihr junges Licht über nahe Rebenhügel, ferne Berge und die Türme des schönen Dresden. Der Wind spielte fröhlich mit der Rauchfahne nnsers weiß-grünen Dampfers, der uns in die Sandsteinberge brachte. Villen, die im schattigen Grün verschwiegener Parke träumten, glitten vorüber, ebenso wie Drahtseilbahn nnd Schwebebahn, die ein internationales Pnbliknm in den Kurort ans den Losch- witzhöhen befördern. Durch lachende Frnchtgefilde geht die Fahrt, immer der Sonne entgegen. Die Wellen kräuseln ans Ufer, wo die alte Kirche von Hvsterwitz wie ein ver gessenes Eiland liegt, 1790 steht auf ihrem Dache ge schrieben. Dann rauschen wir vorbei an dem Wasserschloß von Pillnitz und seinen japanisch geschwungenen grünen Kupferöächern und den chinesischen Malereien an den Friesen. Wir wissen, daß dahinter am Berg'palais die Rosen blühen und alte Palmen nnd seltene Coniferen die schattigen Wege säumen. Am andern Ufer rollt sich jetzt ei» Stück Prosa auf. Eine Werft mit lustigem Hammerschlag auf klingende Dampferkcssel, riesige Kohlcuzillen auf dem Trockenen, frische Farben, von denen der Pinsel des Malers noch nicht lange herunter ist, rote Mennige an den Eisenteilcn, hier eine fertige weiße Dampfpinasse. Dann ziehen sich Kilo meter lang die ungeheuren Holzspeicher der Heidenauer Zellulosewerke hin, soweit man sehen kann, nichts als ge schälte Rollen, ein und zwei Meter lang. Elevatoren saugen die Kohlen aus de» mächtigen Kähnen, nnd ein schwarzer Kanal schlingt alles in den unersättlichen Rachen der Ofen eines modernen Jndustriewerkes. Pirna, überthront vom Schlosse Sonncnstcin, liegt als freundlicher Endpunkt des Tales; denn hier schließt sich die breite Wanne, die bis Meißen reicht und die soviel Fruchtbarkeit in sich birgt nnd soviel Fleiß nnd Wohl stand hervorbringt. Das Tal wird eng. Jäh rücken die Felswände an die Ufer heran. Hoch oben am Steilhange, wie luftige Schwalbennester, kleben die Häuschen, in denen die Steinbrucharbeiter ihre Werkzeuge, die vielen Hämmer, Eisenschlägel, Ketten nnd Bruchstangen aufbewahren. Bei der freundlichen Stadt Wehlen winken wir dem Dampfer frohe Fahrtgrüße nach und hundert Tücher und Tttchlein wehen zurück. Waldige Schluchten, in denen ein klares Wässerlein entlangplätschert, nehmen uns auf und dann die grüne Nacht der Felsenwildnis mit engen Stiegen, iibermoosten Blöcken und pechschwarzen Höhlen. Riesige Mühlen, von der gewaltigen Hand der Natur gedreht, haben hier Jahrhunderte geranscht: in Gletschertöpfen kreiselte das Wasser den Mahlstein, der die Felsen durch bohrte. Jetzt führt unser schattiger Pfad auf farnumsäumten Stufen hindurch. Dann stehen wir hoch auf der Felsplatte der Bastei. Wie klein ist doch alles da nuten! Sind das Gänse oder Tauben dort auf der Wiese? Nnd wer dort auf der Straße geht, ob das Kinder sind oder große Leute? Selten wohl kann man von solcher Höhe senkrecht hinabschauen. So ist es, wenn man im Flugzeug fährt, wie schmale, weiße Bändchen sehen die breiten sonnigen Landstraßen aus, und die Boote dort am Landungssteg könnte man für kleine Badewannen halten. — Auf der Basteibrücke haben wir noch lange gestanden, sie galt einst als eins der bedeutend sten Kunstbauwerke des Landes, und erst die moderne Zeit, in der Technik alles bisher Unmögliche Wirklichkeit wer den läßt, hat ihre Bedeutung gemindert. Einst stand auch hier ein trutziges Raubnest, wie auf mehreren anderen Felsen der Sächsischen Schweiz. Spuren davon finden wir noch, hier sieht man, wo die Balken einsanken, die als Riegel schwere Tore sperrten, mnd dort auf den vorspringenden Felsen führt noch jetzt in guter Deckung eine steingehauene Treppe hinauf, da stand einst eine Steinschleuder. Solche Steinkugeln, wie sie warf, fand man, wir sehen welche im Garten an der Wirtschaft. — An der anderen Brückenseite sinkt der Blick in felsige Tiefen, uns faßt ein gelinder Schauer, wenn wir daran denken, welche Kühnheit, Ge wandtheit und Sicherheit dazu gehört, an den glatten, senk rechten Wänden emporzuklimmen bis zur Spitze einer solchen Felsennaüel, wo dort in dem kleinen Blechkästchen das Gipfelbuch steckt. Und viele müssen schon, oben gewesen sein; denn der Fels zeigt unterhalb des Eisenringes eine deutliche Rinne von dem ablaufcnden Seil. Schwedenlöcher heißen die Schlüchte, die ins kühle Tal des Amselfalles hinabführcn.*) Auf vielen Stufen sinkt der Weg niederwärts, bis er sich schließlich auf eingeklemm ten Stiegen durch enge Schluchten windet, in denen gerade ein Mann mühsam Platz hat. In waldiger Nacht rauscht die Flut des Amselbaches über den Felsen wie ein breites Wehr und zieht so einen Vorhang von Tausenden nasser sausender Faden vor die Höhle, die dahinter liegt. Dämm riges Dunkel und feuchte Kcllerkühle umgibt uns hinter den stürzenden Wassern, es ist wie fließend Silber, das her niederschäumt, in dem sich tausendfach der Lichtstrahl bricht. Vom hohen Felsen schauen wir hinab in das grüne Pvlenztal nnd hinüber nach nnserm Wanderziel, der Jugcndburg Hohnstein. Die Sonne steht schon tief und malt die Schatten der hohen Fichten so lang, daß sie die jen seitige Talwanö decken. Wieder steigen wir durch eine nachtschwarze Schlucht im Juueru der Felsen nieder. Die Wolfsschlncht heißt dieser Spalt, und der Name sagt uns, daß einst hier Wölfe in den Wäldern Heulten. Ja, diese Zeit ist nicht allzu fern, und daher sind die Namen Bär und Wolf, die an jene großen Raubtiere erinnern, in den Ortsbezeichnnngen recht häufig. Wir finden da eine Löwen höhle, einen Wvlfsgraben, Wolfsbach, einen Ort Bärwalde u. a. als Zeugen für das einst häufige Vorkommen jener Räuber, die nun längst ganz und für immer aus den deutschen Wäldern verschwunden sind. Die Jugendbnrg Hohnstein nimmt uns in ihren gast lichen Toren und Türmen auf. Hier ist immer viel wauderfrohes Jungvolk, das mit Lantenklang und frischen Liedern Hallen und Höfe füllt, in denen einst Straf gefangene interesselos ungewollte Arbeit taten. In freund lichen Farben, mit reichem künstlerischen Schmuck, prangen jetzt die einst so nüchternen Säle. Eine vorzügliche Burg küche sorgt für einfache, kräftige und reichliche Kost, und abends treffen sich alle im stimmungsvollen Festraum, nm Kasperls unermüdlichen Späßen zu lauschen oder selbst Lieder nnd Tänze darzubieten. Ein froher Geist der Zu sammengehörigkeit und der Glcichvedeutung eint hier alle, Burschen und Mädel, Schulkinder nnd auch „große Kinder", die sich ein junges Herz ins graue Haar gerettet haben und gern noch mit der Jugend froh und fröhlich sind; denn das Alter des Menschen gibt das Herz an, nicht sein Außeres. — Nach guter Ruhe in den großen gemeinsamen Schlafsälen weckt uns ein leuchtender Morgen zu neuem Wandern. Die dunklen Rundbogen der Tore der alten Feste liegen hinter uns, nnd wir schreiten durch die sau beren Gassen des freundlichen Städtchens, das sich wie Schutz suchend um die hochstrebenden Felsen schmiegt, auf steilen Pfaden hinab ins Potenzial. Wir folgen dem Wasser, in dem flinke Forellen dahin schießen, des Farnkrauts filigrandnrchbrochene Wedel und riesige Lattichblätter säumen die Ufer, nnd in den Baum kronen hängt endloser Vogeljubel. Bei der Waltersdorfer In den Tagen des dreißigjährigen Krieges flüchte ten die Bewohner der Gegend vor den Scharen der Schwedengencräle Torstensvn und Bauer in die schützende Wildnis der Waldschluchten.