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Nr. 13 Gberlaufltzer Hsimatzeltung 1S3 nach alten Grabdenkmälern zu forschen. Wir finden aber nichts Besonderes- nur fällt uns auf, daß die Gräber der verstorbenen früheren Geistlichen mit einem großen Eichen kreuz gekennzeichnet sind. Das scheint hier allgemein üb lich zu sein- denn wir haben das noch einige Male wahr nehmen können. Mittags 12 Uhr ist es, aber Mittags geläut ist hier anscheinend nicht üblich. Bon hier ließe sich ein lohnender Abstecher nach Krvbnttz ausführen. Dort im Parke, Friedenstal genannt, ruht der Kriegsminister und Generalfeldmarschall Graf Albrecht von Roon. Bismarck, Moltke und Roon, diese drei sind uns wohl allen bekannt aus der Geschichte des Krieges von 1870-71. Dort ruhen auch vier von den fünf im Weltkriege gefallenen Enkeln des Feldmarschalls. Nur drei kehrten zurück. Die Witwe des ältesten dieser 8 Brüder, Karola von Roon, ist als Lausitzer Dichterin bekannt geworden. Am 29. April d. I. schloß sich auch über sie die Gruft der Kapelle im Friedens tale. Inzwischen hat sich die große schwarze Wolke ver zogen, die paar Tropfen als Abschied stören uns nicht. Nach kurzer Fahrt kreuzen wir bei Döbschütz die Kreis bahn Weißenberg—Krische—Tetta—Görlitz. Eben kommt ein Zug. Hier hat sich am 1. Pfingstfeiertage ein tödlicher Motorradunfall ereignet. Die Stelle ist auch wirklich sehr unübersichtlich. Warnungstafeln sind auch hier schwer er kennbar. Die Königshainer Berge sind ganz nahe im Osten. Eine Drahtseilbahn und ein Kran verraten die um fangreichen Steinbrüche. Seifersdorf und Jänkenöorf durch fahren wir, ziemlich langgestreckte Dörfer, an der rechten Straßenseite begleitet uns ab und zu der Schwarze Schöps. Eine ganz andere Bauart zeigen hier die Bauerngüter. Die uns so wohl vertrauten lausitzer Holzbogen mit den Umschrotsäulen fehlen. Fast alle Gebäude sind bis zum Dachfirst hinauf aus Granitsteinen erbaut, der Granit ist ja hier in großer Menge zu haben. Der Bauernhof ist fast immer auf allen vier Seiten zugebaut, während bei uns nur drei Gebäude, oft nur zwei, vorhanden sind. Die gleiche Bauweise sah ich in Westsachsen in der Limbach— Peniger Gegend. Ob wohl hier auch wie dort Franken das Gebiet besiedelt haben? Dort waren es Rheinfranken aus der Gegend des Siebengebirges, die einem Felsen zwischen Penig und Rochsburg nach heimatlichem Vorbild den Namen Drachenfelsen gegeben haben. Das Schloß in Jünkendorf, das in einem großen, alten Parke sichtbar wurde, machte einen recht stattlichen Eindruck. Da wir keine Kilometerfresser sind, sondern ab steigen, wo wir etwas Wissenswertes vermuten, ließen wir's uns vom Kirchhof erzählen, wer die Ritterguts herren gewesen sind. An der Südseite, durch einen lebenden Zaun von den anderen Grübern getrennt, war das Erb begräbnis der Herrschaft. Große liegende Marmorplatten entziffern wir: „Fürst Heinrich l^XXIV. j. L. Neuß 1798-1886" „Herr XXVI. Prinz Neuß j. L. 1867/1918." „Heinrich IX. j. L. Prinz Reuß 1827/1898. „Heinrich Ruzzo Graf von Plauen 18871904." Voller Staunen stellten wir fest, daß eine Neben linie der vormaligen Herrscher des Fürstentums Reuß hier als Rittergutsbesitzer lebt. Bald naht die Heide. Ab und zu s chon waren die Hügel mit Kiefernwäldern bedeckt. Jetzt kam geschlossener Waldbestand, durch den die Straße ziemlich geradeaus nach Niesky führt. An ihr stehen Ahornbäume und zu beiden Seiten am Waldrande Akazien. Dahinter aber nach links und rechts dehnt sich der große Kiefernwald. Gar festlich empfängt er uns. Die langen Frühjahrstriebe sehen aus wie die Kerzen am Weihnachtsbaum. Von rechts mündet die Görlitzer Straße ein und nun dauert es nur noch kurze Zeit, dann ist Niesky, das Ziel unserer Radtour, erreicht. Es ist nur ein kleinerer Ort wie Herrnhut und gleicht diesem auch in der Anlage. Es gehört ja auch zur Herrnhutischen Brüdergemeinde. In der Mitte des Ortes ist der „Platz", mit alten Laubbäumen bepflanzt, aber etwa viermal so groß wie der in Herrnhut. In der Mitte steht als gotisches Türmchen ein Kriegerdenkmal für die Ge fallenen des ganzen Kreises Rothenburg vom Jahre 1870-71. An erster Stelle ein Generalleutnant v. Gersdorff. An der Nvrdwestecke hat man das Ehrenmal für die Opfer des Weltkrieges errichtet. Es gefiel uns aber nicht. Die Namen der Krieger sind auf Papier gedruckt unter Glas und Rahmen in das Mauerwerk eingelassen. An der einen Stelle hat der Regen das Papier bereits vergilbt. Das macht einen recht ärmlichen Eindruck. Niesky bildet einen Straßenknotenpunkt und verdankt dieser Verkehrshäufung wohl auch seine Entstehung. Im Norden führt die Straße nach Muskau und Berlin, im Osten nach Sagan, im Süden nach Görlitz und Löbau, im Westen nach Bautzen. Auf der Ostseite steht ein größeres Gebäude, das Pädagogium, das Lehrerseminar der Brüdergemeinde. Im Laden des Buch händlers merkt man, daß man bei Herrnhutern ist. Die einzelnen Kunden kramen ganz nach Wunsch im Post kartenständer, unter den ausgelegten Büchern, im Spiel warenschrank usw., ohne daß der Besitzer weiter darauf achtet. Es scheint dort nur ehrliche Leute zu geben! Nach kurzer Rast im Garten des Gasthofes der Brüdergemeinde fahren wir erst einmal ein Stück nach Norden, überschreiten die Eisenbahn Horka—Senftenberg — der Bahnhof Niesky ist recht bescheiden — und staunen dann über die vielen einzelnen Gebäude linkerhand, die sämtlich zur Firma Christoph und Unmack gehören, von der im Vorjahr eine Reihe Holzhäuser in Dresden auf der Jahresschau aus gestellt waren. Würden wir weiter fahren, dann kämen wir erst bei Ritschen durch das Teichgebiet, ein Teil des ersten Urstromtales der Schmelzwässer der Eiszeit. Dann wür den wir den Muskauer Forst durchfahren, 40 Kilometer lang immer durch Heide bis Muskau. Doch das sparen wir auf für kommendes Jahr. Wir wenden uns um und radeln, obwohl unser Heimweg ostwärts über Görlitz geplant ist, zunächst einmal nach Westen, die Bautzener Straße hinaus. Etwa 3 Kilometer entfernt von Niesky liegt hier ein klei nes Kirchdorf, See genannt. Das hat es uns angetan. Keinerlei Sehenswürdigkeit weiß es zu zeigen. Aber nach mündlicher Überlieferung stammt unser Geschlecht aus diesem See bei Niesky. Etwa nach dem siebenjährigen Kriege sind drei Brüder aus diesem Ort ausgewandert und haben in Ebersbach, Sa. eine neue Heimat gesucht und ge funden. Der eine war ein Schlosser, der andere ein Bäcker und der dritte übernahm später ein Gasthaus. Es ist also zu verstehen, wenn wir diesen Ort mit besonders kri tischem Auge musterten. Nur etwa 600 Einwohner hat er, ein großes Rittergut, dem Prinzen zur Lippe zu eigen, keine Bauerngüter, nur einige Wirtschaften. Das übrige schienen die Häuser von Hofeleuten und Arbeitern zu sein. Wir können es also verstehen, wenn unsere Vorfahren dort abgerückt sind. Da dieser erste Besuch nur dem Bekannt werden mit der Gegend galt, begnügten wir uns mit dem, was wir gesprächsweise erfuhren. Der Name unseres Ge schlechtes ist dort ausgestorben, nur im nächsten Orte Mv- holtz wohnt noch einer, ob aber eine Verwandtschaft be steht, ließen wir unerörtert. Bei einem zweiten Besuche wollen wir dann die Kirchenbücher aus alter Zeit durch blättern, vielleicht ist etwas aufzufinden. Im Gerichtskret scham ließen wir eine dritte Auflage des Gewittergottes herabrauschen, anscheinend eine neue Gesamtausgabe, so ein Heidegewitter bringt wirklich viel Regen! Wir ließen uns von der freundlichen Wirtin über die Sitte des Maibaums unterrichten, der auf dem Platze vor dem Gasthause in ansehnlicher Höhe, wohl 20 Meter lang, auf gerichtet war. Es ist dies ein wendischer Brauch. Der höchste Baum wird dazu genommen, glatt geschält, mit einer Pfingstmaie geziert und dann am Pfingstsonnabend von der Jugend des Ortes aufgerichtet. Das soll gar nicht so schwer sein, aber etwa 16 Leute sind dazu notwendig, die den langen Baum nach und nach mit Stangen und Stricken anfstellen. Am Sonntag nach Pfingsten wird er wieder um-