Volltext Seite (XML)
Ein Pfingstausflug zu Rad in die preußische Heide Vvn A. F., Neusalza-Spremberg Der Rucksack mar gepackt, Tabak und das geliebte Pfeifchen steckten wohlverwahrt in der Tasche, so fuhren wir, mein Bruder und ich, an einem der Pfingstfeiertage los. Der Norden, die Heide, war unser Ziel. Den Kottmars- dorfer Berg hinab gings in flotter Fahrt. Unser Weg weiser war der Löbauer Kirchturm, der ganz hinten auf der Straße zu stehen schien. Bald war die alte Sechsstadt erreicht. An der Kirchmauer der Heiligen Geistkirche fiel uns etwas Neues in die Augen, was wir hier noch nicht gesehen hatten. Eine alte Po st meilen faule wars, wie sie August der Starke einst errichten ließ. Wir waren froh überrascht, daß die Stabt — sicher im Einvernehmen mit dem Heimatschutz — getreu nach historischem Vorbilde eine neue Säule hat setzen lassen. Gekrönt von kursächsischen und Polnischen Wappen und geziert mit den Initialen Augusts des Starken steht die schlanke Sandsteinpyramide da. Wir lesen: „Von Löbau nach (Meilen) Zittau 3Vs, Reichenberg 6« >, Gabel 5Vr, Niemes 7°.», Weißwasser 10, Prag 18</s." Den Sockel schmückt das Posthorn und die Jahreszahl 1729. Zwei Jahrhunderte zurück versetzt uns dieser Stein. Ein Wegweiser in früherer Zett für Frachtfuhrlente und Reisende auf der alten Handelsstraße nach Prag. Gar leb haft war damals der Verkehr. Ein alter Torwärterzettel besagt, daß am 12. Oktober 1782 durchs Bautzner Tor vier zehn zwei- bis vierspännige Lastwagen mit Flachs, Garn, Wolle, Getreide, Gemüse und Kaufmannsgut, durchs Zit tauer Tor am 11. Februar dreizehn mit Leinwand, Zwillich, Butter und Kaufmannsgnt gefahren kamen. (Seeliger, Geschichte der Heimat, S. 33.) Nachdem uns der Wettergott mit einem kräftigen Gusse begrüßt hatte, den wir aber im Trockenen ungefährdet überstanden, gings über die Weißenberger Brücke nach Kitt litz zu weiter. Wandervögel mit der Laute kamen uns singend und musizierend entgegen, und ihnen nachblickend genossen wir noch einmal das prächtige Bild, das Löbau mit seinem Berge zur Linken dem Beschauer bietet. Die Eisenbahnglocke warnte, gar wichtig schnaufte das Weißen berger Zügle an uns vorüber dem Endpunkte Löbau zu. Nicht viel hätte gefehlt und einem Auto wäre hier dasselbe Geschick passiert, das am ersten Pfingstfeiertage bei Melaune einen Motorradfahrer ereilte. Es kam von Kittlitz und hatte den nahenden Zug nicht bemerkt, hielt aber ans unser energisches Winken. Als das Bähnle vorüber war, grüßte der Chauffeur außerordentlich liebenswürdig, was uns ge wöhnlichen „Straßenschnecken" von dieser Seite nicht oft passieren wird. Es kann nicht eindringlich genug darauf hingewiesen werden, daß die Bahnverwaltung dem moder nen Verkehr unbedingt durch Anbringung großer War nungstafeln in wesentlich weiterer Entfernung vom Bahn übergang gerecht werden muß. Die kleinen Schilder „Achtung auf den Zug" kurz vor den Schienen sind durch aus ungenügend. — In Kittlitz gabs kurze Rast. Die ersten 20 Kilometer waren hinter »ns. Gar klein und bescheiden liegt der Ort da, hat aber eine große geschichtliche Ver gangenheit. Die Kittlitzer Kirche ist eine der drei ältesten in der Oberlausitz. Gleich alte Kultstätten des christlichen Glaubens im alten Wendenlande sind Bautzen und Jauer nick an der Landeskrone. Die alte Kittlitzer Kirche ist wahrscheinlich bereits 1262 erbaut worden, die jetzige wurde 1776 geweiht. Kittlitz hat eine sehr ausgedehnte Parochie, sind doch 22 Dörfer und 12 Rittergüter eingepfarrt. Früher gehörte auch noch die jetzt selbständige Kirchgemeinde Nostitz mit dazu, die sechs Gemeinden umfaßt. Gar viel hatte Kittlitz in vergangenen Zeiten zu erdulden. Im Hussitenkriege wurde 1425 das Schloß Unwürde erstürmt und angezündet. In den Septembertagen des Jahres 1631, also im 30 jährigen Kriege, plünderten die Kaiserlichen das Rittergut und das Dorf gründlich aus. „Anno 1631, den 24. und 26. Sept., ist der General Tiefenbach mit der kaiser lichen Armee in die Oberlausitz eingerückt. Da sind zu Kitt litz von den herrschaftlichen Böden 800 Scheffel Korn und andere Getreide weggenommen worden.... Sie haben von Kittlitz 500 Stück Schafe nebst dem Schäfer gewaltsam weggeführt, den Schäfer aber bald unterwegs erschossen. Desgleichen haben sie 55 Stück Rindvieh, 10 Pferde aus der Arbeit und zwei herrschaftliche Reitpferde mitgenom men, von welchen keine Klaue mehr gesehen worden." (Seeliger, a. a. O. S. 67.) Am 12. November 1633 hatte Wallenstein hier sein Hauptquartier. „Der Kittlitzer Herr schaft waren von 1628 bis 1635 1300 Schafe, 32 Pferde und 131 Rinder weggenommen worden, den Bauern im Dorfe 20 Pferde und 219 Rinder. In derselben Zeit hatten die Soldaten 1643 Scheffel Getreide vom Hofe geraubt und die Saaten zertreten, (cf. Seeliger S. 68.) Im Kittlitzer Pfarr hause berieten die österreichischen Heerführer unter Daun den Plan des Überfalles bei Hochkirch am 14. Oktbr. 1758. Nach dem Gefecht am Wohlaer Berge am 4. Septbr. 1813 ritt Napoleon durch Kittlitz nach Reichenbach. Auch in diesem Jahre hatte der Ort wieder schwer zu leiden. „Es hat der ganze siebenjährige Krieg dergleichen Verheerung nicht ver ursacht als dies einzige Jahr 1813 gewesen." (Neue Säch sische Kirchengalerie, Diözese Löbau, S. 298.) Das alles könnte uns die große, alte Linde auf dem Kirchhofe er zählen, die über 000 Jahre stehen soll. Doch lassen wir die Geschichte ruhen. Die Ebene liegt vor uns, rechts erheben sich die Königshainer Berge immer höher. Bergabwärts führt uns das Rad in schnellem Lauf nach Kleinradmeritz, und kurz darauf künden zwei große Steine, daß wir den Freistaat Sachsen verlassen haben und in das Gebiet der „Mußpreußen" kommen, die 1816 durch den Spruch des Wiener Kongresses vom alten Vaterlande lvsgerissen wurden. Ein Stück bildet die Straße die Grenze, und wo diese dann links abbiegt, kreuzen wir die alte Bautzener Heerstraße, die über Kotitz und Cunnewitz nach Reichenbach führt. Sie ist ein Teil der „Hohen Straße" von Halle—Leipzig nach Polen. Sinnend steigen wir ab. Wieviel Menschenschicksal hat sic gesehen! Einst kamen deutsche Bauernsöhne auf ihr ins Ostland und germani sierten das wendisch gewordene Gebiet, später war sie die verkehrsreiche Salzstraße von Mitteldeutschland nach Schle sien und weiter ostwärts. Wie oft zogen Heerscharen mor dend, sengend und brennend auf ihr entlang und fluteten wieder zurück. Nichts verrät die wildbewegte Vergangen heit. Sie ist keine breite Heeresstraße mehr, nur ein schmaler Kvmmunikationsweg wie viele andere. Marge riten und Glockenblumen blühen am Rande, und geschäftige Bienen summen darüber hin. Aber nun merken wir an unserer Straße, daß wir in Preußen sind. Zu beiden Seiten ist ein Streifen Graswuchs, aber sauber abgestochen, und die Obstbäume stehen auf dem Straßenrande, nicht wie bei uns in Sachsen auf besonderen Ausbuchtungen a m Grabenrande. Aber etwas ist entschieden vorbildlich: Von Zeit zu Zeit steht ein Stein an der Straße, ans diesem sind, mit Pfeilen versehen, die Obstsorten angegeben, die vorwärts und rückwärts von uns angepslanzt wurden. Danziger Kantapfel, Weißer Klarapfel usw., lauter be kannte Namen. Könnte das in Sachsen nicht auch durch geführt werden? Eine bessere Anleitung zum Studium der Obstsorten kann es doch gar nicht geben. Bei uns steht aber alles durcheinander, jeder Baum ist fast eine andere Sorte. In Melaune halten wir wieder, da Petrus inzwischen eine neue Auflage fertiggestellt hat. Ehe man nicht weiß, ob er will oder nicht, kann nicht wcitergefahren werden. Wir besichtigen inzwischen den Kirchhof. Es ist interessant,