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Aber ich habe doch in meinem Artikel gar nicht von „Ostern im sächsisch-lausitzer Volk gesprochen". Das ist wieder eine solch ganz willkürliche Umbiegung meines Aufsatzes. Und endlich — und endlich! Weil einmal eine wen dische Bauersfrau über ein paar Lausbuben geschimpft hat, die beim Osterwasserholen ihr Kalb ausgetrieben hatten, soll man das Osterwasserholen als solches als schöne Sitte nicht preisen? I. Frenzel hat das wohl auch nur scherzhaft gemeint. Kürzlich brannte in Bautzen beim Walpurgisfeuer ein Holzplatz weg. Nach I. Frenzel müßten die Hexenfeuer fürder auf die schwarze Liste der Volksbräuche kommen. „So etwas denkt ein Bautzener?" Otto Flösse!. Botanische Seltenheiten im Sachsenlande Ende Mai und Anfang Juni gelangen allerlei Pflanzen zur Blüte, die inmitten der allgemeinen floristischen Herr lichkeit unsere besondere Aufmerksamkeit verdienen. P f i n g st n e l k e n. Von den zahlreichen Nelken, die im Freien wachsen (unsere Gartennelke haben die Kreuz fahrer aus Italien mitgebracht), interessiert am meisten die Art, die behördlich geschlitzt ist, die Pfingstnelke (Dian- thus caesius, Silene caesia). Jungfernnelke heißt sie mancherorten. Auf steinigem uird sandigem Ödland, in Ge sträuchen und lichten Niederwäldern, an altem Gemäuer und in alten Gärten verfallener Ruinen erhebt sie ihren bis 25 Zentimeter hohen kahlen Stengel mit hellroten wohlriechenden zartfiedrigen Blüten, unter denen meist ein Paar stumpfer und darunter ein Paar stachelspitziger Hochblätter sitzen. Sie gehört zu den Falterblumen. Das Innere der Blüten einiger Nelkenarten wird von Insekten als Brutstätte benutzt. Trollblumen. Im östlichen Erzgebirge erschließt nun langsam die Trollblume (Trollius europaeus) ihre goldgelben Kugelköpfe. An und für sich zeigt diese Pflanze einen starken Lebenstrieb,' sie überwuchert ans feuchten Wiesen in wenigen Jahren gern alle anderen Gewächse und die guten Gebirgskräutcr. Das Vieh meidet sie, weil ihre Stengel einen starken Saft enthalten. Auch reichen Samen trägt die Trollblume, dessen Aussaat leicht möglich ist. Bei so außerordentlich günstigen Bedingungen für ihre weitere Verbreitung dürste, so sollte man meinen, kein Mangel an dieser herrlich blühenden Pflanze sein. Aber erstens sind ihre Verbreitungsgebiete infolge ihrer natürlichen An forderungen beschränkt und zweitens haben die Blumen räuber, die davon Jahr um Jahr Riesenstränße bündelten, dafür gesorgt, daß sie in Sachsen zu einer großen Selten heit geworden ist. Sv weit hat es falsche Blumenliebc ge bracht! Ist das nicht traurig? Jetzt hat sich eine wackere Schar örtlicher Naturfreunde zusammen getan, um ihre Standorte zu behüten, denn wenn wieder Hunderte der bei uns seltenen Gewächse erst ausgerissen sind, kommt der Schuh zu spät. Vorbeugung ist besser als Strafe. Bei Regen und in der Nacht bieten die prächtigen Blumen köpfe der Trollblume zahlreichen Insekten Unterschlupf, zumal es infolge der Atmung im Innern der Blute wärmer ist als draußen. Seerosen. Mit Beginn des Vorsommers öffnet eine der herrlichsten Blumen überhaupt, die weiße Seerose (Nymphaea alba, polystigma) ihre Prachtblüten. Aus tiefem Wasser hebt sie ihre langen Stengel und schickt ihre kreisrunden Schwimmblätter auf den Spiegel der Ober fläche, oft im Kampf mit Binsen und Schilfrohr, um sich auch einen Platz an der Sonne zu sichern. Die Kelchblätter unterstützen die Wirkung der schneeigen, innen gelben Blüte durch ihre blendendweiße Innenseite. Bei der ge öffneten Seerose übersieht man meist die Kelchblätter ganz,' erst wenn sich in der Dämmerung die wunderbare Blume schließt, die sie im Sonnenschein ei» wenig über das Wasser gehoben hatte, erkennt man den Kranz von Kelchblättern, die nun ihre grüne Außenseite zeigen. An der Seerose läßt sich sehr hübsch der Übergang von Kron- in Staub blätter studieren. Vornehme Verwandte unserer behördlich geschützten Seerose sind die rosenrot blühende Lotosblume der ägyptischen Sümpfe und die berühmte Victoria regia der Flüsse Südamerikas. Orchideen. Von den einheimischen Orchen, die samt und sonders geschützt sind, haben bereits die Katzenorchis (Orchis mascula) und das gefleckte Knabenkraut (Orchis maculata) ihre rotvioletten Blütenstände über die feuchten Bergwiesen erhoben. Besonders die Fleckenorche wird gern von falschen Blumenfreunden heimgesucht, denn nicht nur die Blüten, auch die wundervoll gepantherten Blätter haben es den Räubern angetan. Den Orchen, deren Be obachtung außerordentlich viel dazu beigetragen hat, in das Geheimnis der Bestäubung der Pflanzen durch Insekten einzudringen, möchten wir demnächst einen besonderen Auf satz widmen. Daher begnügen wir uns heute mit dem Hin weis, daß jede Wiese nur immer wieder die gleiche Anzahl dieser Pflanzen hervorbringt, die sie seit Jahrhunderten hatte. Eine ausgegrabene Orche ist nicht zu ersetzen, jede sorgt nur für eine einzige Tochterpflanze. Deshalb ist das Gebot doppelt am Platze: schützt diese seltsamen Kinder Floras! Es gibt ja noch so viele andere Blumen in den Hochmonatcn des Jahres, an denen man sich als dankbaren Schnittblumen erfreuen kann. Vierhundert Jahre Bautzener Gymnasium Zur Jubelfeier am 31. Mai Von Otto Flösse!, Bautzen Mau könnte meinen, es sei eine rein örtliche An gelegenheit, die allein Bantzen und dort auch nur wieder eine von den vielen Schulen angeht. Dem ist aber nicht so. Das Bautzener Gymnasium ist nicht nur eine der ältesten Schulen der Oberlausitz, sondern hat auch in dem gesamten Schulwesen Bautzens und der Lausitz eine hervor ragende Rolle gespielt. Wenn man das Alter jetzt mit 400 Jahren augibt, so geschieht dies mit Rücksicht ans das Jahr 1527, in welchem der Rat der Stadt Bautzen neben der damals schon bestehenden Domschule eine „neue Ratsschule" gründete. Die Anfänge der Schule gehen bis in das frühe Mittelalter zurück. Wie allgemein in jener Zeit, war die Jngendlehre eine Aufgabe der Schule, und so war auch die Bautzener Domschule fest mit dem Bautze ner Domstifte verbunden. Sie war sowohl was die Unter richtsfächer als auch die Lehrer anbelangt, streng kirchlich orientiert. Da sie dem freien weltlichen Zuge, wie er durch die Kreuzzüge und das anfbltthenbe gewerbliche Leben wie den zunehmenden Handel ansgelöst wurde, nicht Rechnung zu tragen vermochte, da andrerseits auch der protestantische Teil der Bevölkerung, der an den Segnungen der katho lischen Stiftsschule natürlich keinen Anteil hatte, nach Bil dungsmöglichkeit verlangte, kam der Stadtrat zu Bautzen diesem Verlangen dadurch entgegen, daß er 1527 die „Nene evangelische Natsichulc" gründete, nachdem seine Be mühungen, Einfluß auf die Domschnle zu erlangen, nicht den gewünschten Erfolg gehabt hatten. Sie war zunächst noch denkbar einfach und umfaßte nur eine Klasse. Doch bat sie sich mehr und mehr entfaltet, Klasse nm Klasse wurde aufgebaut und Schüler- und Lehrerzahl wuchs. Ans ihr ist eben das heutige Gymnasium hervorgegangen, üntergebracht war sie später in der Bastei, einem Teil der Befestigungsanlagen der Stadt. Brände und — da sie eben im FortifikationSrina lag — Kriege zerstörten sie wieder holt: zeitweilig (so 1812) war sie Lazarett. Dann siedelte sie über anfangs ins Franziskanerkloster, das infolge der Reformation von den Mönchen verlassen worden war, in die Michaeliskirche, ins Stadthaus am Markt, später auch in verschiedene Bürgerhäuser der Stadt, immer aber kehrte