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168 Hberlaufltzer Helmatzeltung Nr. 11 wand für einige Jahrzehnte das Maschinenproblem, bis es heute abermals sein Haupt erhebt. Abermals stockt der Ausfuhr-Absatz und die gegenwärtige Maschinenkapazität der deutschen Industrie übersteigt in ihrer Leistungs fähigkeit bei weitem den Bedarf, sowohl des Inlandes als auch des durch den Krieg zu einem guten Teile industriell selbständig gewordenen Auslandes. Zeiten drückender wirt schaftlicher Not und Hoffnungslosigkeit sind wieder über das deutsche Volk und nicht zuletzt über Sachsen und die Lausitz hereingebrochen. Die Menschenhand wird allent halben durch Maschinenarbeit zurückgedrängt. Wird es möglich sein, die sich hieraus ergebenden Probleme zu lösen und in welcher Zeit? Die Zukunft des Oybiner Waidtheaters Als durch den deutschen Blätterwald die Kunde rauschte, daß die seit 1912 angestrebte, aber erst nach dem Kriege er reichte Verschmelzung der Oybiner Waldbühne mit dem Zittauer Staüttheater wieder gelöst und die erstere ihrem Schicksal überlassen werden sollte, gingen dem Unter zeichneten, der bekanntlich mit der Geschichte des Wald theaters auss engste verwachsen ist, von Dresden und anderwärts verschiedene Schreinen zu mit der dringenden Bitte, sich für den Fortbestand der Oybiner Anlage mit allen Mitteln einzusetzen. Schwerwiegende Gründe per sönlicher Art zwangen jedoch den Verfasser, in der Ange legenheit unbedingte Neutralität zu wahren. Inzwischen sind diese Gründe gegenstandslos geworden, und es er scheint an der Zeit, nunmehr zur Sache noch einmal Stel lung zu nehmen. In kritischen Aufsätzen, die uns während der letzten Jahre zu Gesicht kamen, ist des öfteren der Standpunkt vertreten worden, die Bühne unter freiem Himmel sei an sich und überhaupt als überlebt zu betrachten. Diese Auf fassung ist aber ganz bestimmt unzutreffend, wie man sich noch heute durch einen Besuch des der Vereinigung „Thalia" gehörenden Waldtheaters in Reichenau überzeugen kann. Die schlechthin außerordentliche Begeisterung, mit der das zu Pfingsten 1911 eröffnete Oybiner Waldtheater vpn der gesamten deutschen Presse begrüßt wurde, ist sicher kein Strohfeuer gewesen. Die riesigen Besuchsztffern, die dieser Knnststätte den von dem Berliner Kritiker Peter Scher geprägten Ehrennamen des „Theaters der Fünftausend" eintrugen, hielten sich bis Ende Juli 1914, d. h. bis zum Ausbruch des Weltkrieges annähernd ans gleicher Höhe, trotzdem bis zu diesem Zeitpunkte wie in ganz Deutsch land so auch in unserer Nachbarschaft dies- und jenseits der Grenze das Oybiner Beispiel die Naturtheater wie Pilze aus der Erde schieße« ließ und trotzdem die Oybiner durch Gesamtgastspicle auf den benachbarten Freilicht bühnen dein eigenen Unternehmen manche unerwünschte Konkurrenz bereiteten. Daß während des Krieges und in der Folgezeit das Interesse für die Aufführungen da draußen jo stark zurückging, beruht aus einer ganzen Reihe natürlicher Ursachen. Die Zittauer, die leider von je her im Verhältnis zu den zahllosen Fremden einen ver schwindend minimalen Bruchteil der Besucher stellten, glänzten nun erst recht durch Abwesenheit. Verteuerung der Lebenshaltung und Verschlechterung der Zugverbin- dungen, vor allem aber die seit dem Kriege bestehenden Erschwerungen des Grenzübertritts taten ein übriges. Die zahllosen Tagessrcmden aus der Görlitzer, Löbauer und Neugersdorfer Gegend sowie aus Böhmen mußten sich not gedrungen anderen Ausflugszielen und Zerstreuungen zu wenden. Dazu kommt die leidige Kinoseuche und die un selige einseitige Unterstützung der Sportveranstaltungen selbst in ihren rohesten Erscheinungsformen. Und dann die von Jahr zn Jahr stärker in Erscheinung tretende Verödung des Spielplans! Alljährlich mehrere Male die „Versunkene Glocke", den „Pfarrer von Kirchfeld" oder gar „Das weiße Rössel" über sich ergehen lassen zu müssen, das hält ans die Dauer der stärkste Mann nicht aus. So manches an sich zur Aufführung im Freien recht gut ge eignete und auch ganz brave Stück scheiterte an einem kate gorischen „Wir können cs nicht geben!" Und warum? Weil der oder jener Favorit — wohlgemerkt: der Direktion, keineswegs immer des Publikums! — sich dadurch benachteiligt geglaubt hätte. Bei manchem recht tüchtigen Künstler — diesen Eindruck wurde man nicht los — wurde es anscheinend planmäßig verhindert, daß er zur Geltung kam. Er bezog die Gage und — wurde spazieren geschickt. Dafür bekamen wir 1926 bis zur Verdünnung Komödien ivie „Das Lächeln der Frau Staatsanwalt". Das Werk paßte zum Waldtheater wie die Faust auf's Auge. Was aber dem Waldtheater in der bisherigen Form letzten Endes den Todesstoß versetzte, das waren die katastro phalen Witterungsverhältnisse der beiden letzten Sommer, die eine für den Stadtsäckel nicht mehr tragbare Unter bilanz verursachten. Das ist auf's tiefste zu bedauern, denn eine Verschmelzung der beiden Betriebe unter zweck dienlicher Leitung wäre nach wie vor für beide Teile von größtem Vorteil. Ganzjährige Verträge ermög lichen eine sorgfältigere Siebung des Personals und auch wirksamere soziale Fürsorge für das letztere. Daß durch eine derartige Regelung beide Bühnen sich noch erfolg reicher als Kulturfaktoren betätigen könnten, ist selbst verständlich. Einstweilen müssen wir dem Stadtrat herzlich dankbar sein, daß er dem Weiterbestehen des Waldtheaters keinerlei Schwierigkeiten in den Weg legt, es vielmehr im Rahmen der Möglichkeit in jeder Hinsicht begünstigt. Das Schau- spielpersvnal der letzten Winterspielzeit wird den Betrieb unter eigener Verantwortung aufrecht zu erhalten ver suchen. Die Persönlichkeit des künstlerischen Leiters Julius Glaß, der mehr als den dritten Teil seiner beruflichen Laufbahn in Zittau verbracht und sich in vollem Maße des Vertrauens und der Wertschätzung des theaterfreundlichen Publikums erfreut, bietet uns jede denkbare Gewähr dafür, daß er nichts verabsäumen wird, was die Lebensfähigkeit des Oybiner Waldtheaters auf künstlerischer Höhe sicher stellen kann. Jedenfalls ist er ein Mann, dem die Kunst das oberste Gesetz ist, hinter dem alle persönlichen Momente zurückzntreten haben. In aller erster Linie ist der Erfolg seiner ersprießlichen Tätigkeit in diesem Falle natürlich davon abhängig, daß der Wettergott dem Unternehmen wieder sein früheres sprichwörtliches Wohlwollen zuwendet. In zweiter Linie liegt die Entscheidung beim Publikum, ob unfern lieben Zittauer Bergen und dem freundlichen Oybin, dem wir alle so manche gesegnete Stunde verdanken, ein wichtiger Kulturfaktor erhalten bleiben soll oder nicht. Die Entscheidung kann unseres Erachtens keinem schwer fallen, der seine Lausitzer Heimat lieb hat. Wir sind es auch unserm Ansehen bei den Tausenden von Fremden schuldig, deren Urteil uns nicht gleichgültig sein darf. Erfolgverheißend ist schon die erste Maßnahme des neuen Leiters, die in einer wesentlichen Herabsetzung der schon bisher nicht allzuhohen Eintrittspreise besteht. Möge sie durch erheblich verstärkten Besuch wettgemacht werden! Auch was der bekanntgegebcnc Spielplan verspricht, berech tigt zu den besten Erwartungen. Besonders begrüßen wir die bisher jedes Jahr vergeblich angeregte Aufnahme des Schauspiels „Die Jäger" vom alten Jffland, das immer noch anspricht und seinen Zweck da draußen ganz trefflich erfüllt. Auch „P h i l i p p i n e Welser" von Oskar v. Red witz dürfte sich als recht glücklicher Griff erweisen. Die übrigen Neuheiten sind wenig bekannt, doch darf man hin sichtlich dieser Wahl Julius Glaß ein ziemliches Maß von Vertrauen schenken. Alterprobte Schlager der Waldbühne, wie „Wilhelm Tell", „Räuber" und „Wallen steins Lager" mit ihren Massenwirkungen dürften auch diesmal die alte Anziehungskraft bewähren, und auch die