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Aber auch sonst gibt der Flösselsche Aussatz Anlaß zur Richtigstellung. In Absatz 1 heißt's: ^,Mehr denn einmal schaut der wendische Bauer durch die Scheiben, ob nicht der Frühling bald über die Heide kommt." Und in Absatz 2 wird ausgeführt, daß die wendische Volksseele mit ganz besonderer Sehnsucht den Lenz erwarte und das geheime Weben der Natur tiefer empfinde. Wie kann Herr Fl. dies als wendische Eigenart hcrvvrhebcn? Die Sehnsucht nach dem Frühling ist ein allgemein menschlicher Zug. Besitzt ihn nicht auch der deutsche Bauer, mag er nun in unseren Oberlausitzer Bergen wohnen oder in Schlesien, in der Lüneburger Heide oder in Bayern? Nicht auch der Be wohner des Erzgebirges oder unserer Jndustriedörfer oder Mittel- und Kleinstädte? Und singen nicht auch unsere deut schen Lieder von Frühlingssehnsncht und Osterhoffnung? Das geheime Weben in der Natur empfindet nicht unsere Durchschnittsbevölkerung in Stadt und Land, auch im Wendenlaude nicht, sondern nur ein beobachtender, sinnen der und nachdenkeuder Geist,' und solche gibt's in allen Kreisen und Ständen. Eine weitere Übertreibung bringt Absatz 3,- da heißt's: „Er sder Wende) feiert die Sonne und ihr irdisches Ab bild — das Feuer." Mit der Feier der Sonne und des Feuers s?) soll doch wohl nur ein Lobpreis der Leben spendenden Sonne gemeint sein. Der Nichtkenner der wendischen Verhältnisse aber könnte daraus wie auch aus den folgenden Ausführungen den Schluß ziehe«, unsere allgemein kirchlich gesinnte Bevölkerung stecke noch im Aberglauben oder in einer Art Heidentum und verehre Sonne und Feuer und bete zu ihnen. Ich kenne die wendische Literatur zn wenig, bin aber der Überzeugung, daß die Sonnenlieder, die man nm Ostern im Wendischen singt, nichts anderes sind als unsere deutschen: ein Lob preis auf den Allmächtigen, den Schöpfer, Erwecker und Erhalter alles Lebens, oder auf Christus, die Sonne und das Licht der Welt. Vergl. unsere Morgenlieder: „Die güldne Sonne" oder „Die heiße Sonne leuchtet jetzt herfür" pp. oder unsere Abcndlieder: „Der lieben Sonne Licht und Pracht" oder „Der Mond ist anfgegangen" pp. Ohne jede Einschränkung steht ferner der Satz da: „Die Ostersvnne erwartet man drunten im Wendenlaude im Freien." D. h. also doch, daß dies allgemein üblich ist,' dsr Hausvater mit den Seinen oder mindest eine größere Zahl Dorfbewohner würden sich demnach draußen vor dein Dorfe versammeln, um den Sonnenaufgang zu erwarten. Daß einzelne dies tun werden, ist richtig; aber cs ist nicht nur wendischer Brauch. Auch anderswo ist dies der Fall lvergl. den Aufsatz „Ostermorgen im Heimattal" von Zwahr in derselben Nr. der O. H. Z.); auch in meinem Heimatdorf Rohnan bei Hirschfelde war's so. Ich selbst bin als Knabe am Ostermorgen mehrmals mit Mutter und Schwester auf dem Lehdeberge gewesen, um den Sonnenaufgang zu sehen. Die Sonne sollte ja drei Freudensprünge machen. Das ist nun allerdings an die 60 Jahre her. Dann aber fährt Flösset fort: „Nm Mitternacht wohl steht man auf. Die Jugend geht singend von Dorf zu Dorf. In der Ostcrnacht, da geht ein Singen durch den Wenden wald. Burschen und Mädchen sitzen beisammen unter der Dorflinde bei frommem Choral. Ihr Lied preist die Sonne, die sich in rosigem Dämmern im Osten ankündigt." Nm Mitternacht? — Wenn man diese Sätze liest, muß man un willkürlich auf den Gedanken kommen, daß die wendische Jugend in der Osternacht unter der Dvrflinde eine Art nächtlichen Gottesdienstes veranstaltet und unter dem Sin gen geistlicher Lieder in der Weise der Wallfahrer von Dorf zu Dorf zieht. Das aber sind falsche Vorstellungen. In der sächsischen Oberlausitz sind diese Bräuche nicht heimisch; ob sie früher geübt wurden, kann ich nicht entscheiden. In den Dörfern der Muskauer und Spremberger Heide lTschelln, Spreu, Schleife pp.) mag ja Ähnliches noch Brauch sein. Gewiß geht es in der Osternacht auch in unseren Wendendörfern recht lebhaft zn; da wird geschossen aus alten Pistolen, oder neuzeitliche „Kracher" werden entzündet, da wird auch gesungen und, namentlich beim Holen des Osterwassers, allerlei Unfug getrieben; erst neulich be klagte sich eine Bauersfrau aus der Wesseler Gegend bitter über die Ausschreitungen in der Osternacht. Also gar so fromm und sittsam, wie Flösset unsere wendische Jugend hiustellt, ist sic nicht mehr. Er gibt das ja auch zu, wenn er über das Osterwasser schreibt: „Wo freilich die Jugend allein ist, da wird bald ein tolles Treiben daraus." Mit der wendischen Sitte der Bemalung bunter Oster eier mit Figuren und Rankenwerk aus farbigem Wachs sS. 112), die ein Stück guter Bauernknnst darstellen, ist es auch so ein eigen Ding. Man hört und liest immer wieder davon. Mir will es aber zweifelhaft erscheinen, ob der Brauch noch allgemein geübt wird und ob die mit einem Netzwerk geometrischer Figuren überzogenen Eier wirk lich bodenständiger Bauernkunst entstammen, oder ob sie nicht etwa von einzelnen, dem Bauernstände nicht ange hörigen, im Zeichnen und Malen geübten Personen her rühren. Im Wendischen Museum in Bautzen waren vor zwei Jahren mehrere solche Eier aus Hoyerswerda aus gestellt; aber die Bemalung war nach Angabe des Museumsleiters von einem Zeichner und Techniker aus dem Lautawerke und einem Buch- oder Kunsthändler nach russischem Muster ausgesührt worden. Und da kann mau wohl nicht gut von „wendischer Bauernkunst" sprechen. Die Frage nach dem Ursprung der Bemalung wäre auch bei den dem Wendischen Museum in jüngster Zeit über wiesenen Ostereiern ans Mochten spreuß. Oberlausitz) zu prüfen, ehe man sie als wendischer Bauernkunst entstam mend bezeichnet. Herr Flösset hätte in seiner Schilderung der von ihm angeführten Osterbräuche doch angeben müssen, in welchem Kirchspiele oder Dorfe nuferer Oberlausitz sie noch heimisch sind und auf welche Quellen er sich stützt. Solange er dies nicht tut, kann ich seine Schilderung als den Tatsachen ent sprechend nicht ansehen. Es ist nicht angängig, Sitten und Gebräuche, die vielleicht vor 60, 80 oder 100 Jahren geübt wurden, als in heutiger Zeit geltend hinzustellen oder solche, die vielleicht in der Niederlausih jetzt »och heimisch sind, ohne weiteres ans unsere Oberlausitz zu übertragen, wie wir dies mit schlesischen, böhmischen oder erzgebir- gischen Bräuchen ebenfalls nicht tun dürfen. Anmerk.: In Nr. 9 der OHZ., S. 138, steht ein sehr be achtenswerter Aufsatz über die Osterreiter-Prozesston in Wittichenau von W—l; er versucht, den Ursprung des Osterreitens zu erklären und schildert die Entwickelung desselben in Wittichenau. Auf ihn sei besonders aufmerk sam gemacht. Säggscber Triebling (Wäkns Sckbatz mackd, ganns nack der sckeenen Melodie singn ,§akr mick kiniewer, junger Sckikser!") vis Miggen sumsen in dän Lüden. Vie Sckwalben laben sick daran. Vas kritzd un sckreid. vis Mänsckn wundern Sick säkre, Latzmr sowas gann. vär Maulwurf gräbd nack Üngerlingsn, §ritzd, bis är sick die Scknaudse wiscbd. §ier dän sins feine Läggerbissen. IZlos fier dän Mänscken is das nisckd. ven löubbekrosck ninund dein Scklafiddjen vär Sckdorcb un kaddn scbon versckluggd. lZfui Scbbinns! sakgd ä Mänsck von vildung, Wenn är där Maklzeid zugeguggd. Üs is bei Mänscken wie kei vieren: vär (Zambk ums vasein is nick sckeen. va gann, dän §riskling zu besingen, Oän Oickder ja dis Lusd vergekn. Da»i«l 6uhl«c-