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gehen, sondern Natureindrücke und Bilder so sammeln, wie der aufmerksame Wanderer und Naturfreund sie findet,- wenn er erwacht in seiner stillen Hütte und mit leuchtendem Auge und froher Seele die Heide durchstreift. Wir brau chen nichts non Naturwissenschaften zu verstehen, um den Zauber der Heide genießen zu können. Wir lassen die Natur auf uns einwirken, und bald werden wir merken, daß der Schöpfer aller Dinge auch hier in der Heide für uns ein Buch geschrieben hat, das auf jeder Seite neuen Inhalt bietet. Ehe noch die ersten Frühlingsblumen zu neuem Leben erwachen, sind schon die Sänger der Heide da. Überall dringt uns der Jubel aus ungezählten Vogelkehlen ent gegen. Sie locken und rufen überall, wo wir die Heide durchstreifen. Mitten im Wald ein heimliches Singen und Zirpen von Kohlmeisen, Haubenmeisen, Tannenmeisen, Schwanzmeisen, von großen und kleinen Baumläufern bis zum zierlichsten Schmuck des einsamen Kiefernwaldes, dem Goldhähnchen: Ein buntfarbiges Zigeunervolk, aber doch so voll Lust und mit Anmut und Gewandtheit sich in den Zweigen wiegend. Hier sucht ein Meisentrupp das Holz ab. Das lockt und ruft und zirpt, pfeift und trillert, rasselt durch das dünne Laub, raschelt an der Rinde, hämmert und baut, klettert hier, hämmert da, zinkt dort, hängt über Kopf an den Zweigen, zimmert an den Ästen, guckt hinter jede Rindenspalte, schaut in jede Borkenritze und erfüllt die ganze Waldecke mit Lärm und Farben. Und wer keine Zeit hat, die lustigen, gefiederten Genossen im freien Walde zu beobachten, der locke sie an sein Fenster, wenn die Heide längst verblüht ist, wenn der Winter kommt. Reine Freude können wir erleben, wenn wir sic am Fenster an der ihnen schon bekannten Fütterung Jahr für Jahr beobachten kön nen. Und sie kommen wieder alle Jahre, werden so zahm und vertraulich, erfreuen die Kinder, die mit neugierigen Augen, mit platt gedrückter Nase an der Fensterscheibe stehen und staunen. Und wir zeigen ihnen die Vögel, die nicht so leicht in die Nähe der Menschen kommen und ein same Waldbewohner bleiben. Charakteristisch für die Heide ist der Ziegenmelker oder die Nachtschwalbe. Am Tage ist sie nicht leicht zu finden. Ihre auffallende Schutzfärbung, die der Rinde des Baumes gleicht, schützt sie vor Entdeckung. In der Heide am Rande des Kiefernwaldes liegt sie flach auf dem Boden gedrückt oder platt auf einen Ast geschmiegt und läßt den Wanderer auf wenige Schritte herankommen. Plötzlich er hebt sie sich mit einem merkwürdig klingenden Rufe, der sich wie ein rauh hcrvorgestoßencs Tak-tak anhört, schwenkt gewandt um die Büsche und Stämme und ist spurlos ver schwunden. Das schwarzbraun und rostgelb gemusterte Ge fieder verschmilzt förmlich in dem Erdboden oder dem Aste. Ein Erdvogelgefieder, wie es die Schutzfärbung nicht besser hervorbringen kann. Aus dem Kiefernwald kommen wir auf die Blößen. Eingefaßt von dunklen Kiefernwaldungen liegt ein abge triebener Windbruch, von Mooren und Teichen umsäumt. Silbern schimmern die Stöcke der Kiefern im Zwielicht, und zwischen ihnen wuchern Brombeeren und Himbeeren, Kreuzkraut, Weidenröschen und Adlcrfarn, Heidelbeeren, Moose und Flechten. Es ist, als ob dieser Lichtblick aus der dichteren Heide auf die freien Flächen von Bruch, Moor und Wiese, der Anblick der schimmernden Wasserfläche den Wanderer froher nnd leichter stimmt. Auch die gefiederten Sänger scheinen hier freier nnd lustiger zu sein. An der Schlagfläche läutet der Schwarzspecht die silberne Glocke. Klick klick! tönt seine Helle Stimme, und mit wellenför migem Fluge schwingt er sich ins Altholz zurück. Hier äugt ber senerköpfige Waldzimmermeister einige Male hin und äeht an seine Arbeit. Nachdem er sich unstet eine Weile im Walde Herumgetrieben hat, schält er hier einen toten Kiefernstamm und holt mit seiner nadelscharfen, mit Wider haken bewährten Zunge Larven und Käfer und zieht sie in den Schnabel. Bei jedem Hieb seines Schnabels leuchtet der hellrote Stumpf seines Schwanzes, der ihm als Stütze dient. Im Brombeergestrüpp verborgen schmettert der Zaunkönig sein Lied. Ein alter Reisighaufen dient ihm als Schlupfwinkel. Wenn er singt, gibt es keine Traurigkeit in der Heide... Er ist der Spaßmacher und Humorist unter den Sängern: Immer fröhlich, immer guter Dinge. Und mit einer Kraft schmettert der kleine, winzige Kerl sein Lied, daß man staunt wie die kleine Kehle diese starken Töne hervvrbringt. Als eifriger Jnsektenvertilger immer lebhaft nach Nahrung suchend, macht er einen Diener nach dem andern, reckt seinen kleinen Schwanz steif in die Höhe, beschaut sich den Wanderer mit seinen lebhaften Augen und ist im nächsten Augenblick im Reisighaufen verschwunden. Leise ertönt das Lied der Heckenbraunelle. Der Baum pieper schwebt mit kräftigem Flügelschlage herab und läßt mit einem schmetternden Zta-zia sein Lied ausklingen. Wenn aber die Amsel mit lautem Geschrei ihren Schlaf busch aufsucht, die Singdrossel ihren letzten Vers beendet hat, der Ruf des Waldkänzchens sich aus dem tiefen Wald vernehmen läßt, dann erhebt sich an den Teichen und auf den Wiesen an Bruch und Moor noch ein seltsames Leben. Mit gaukelndem Flügelschlage tummelt der Kiebitz sich über Teich und Wiesen. Die Mandelkrähe zeigt sich im Schmucke ihres farbenprächtigen Gefieders. Schell- und Moorenten, große Wildenten und Kneck- und Krickenten rudern bedächtig im Schilfe. Und auf der freien Wasser fläche zanken sich die Vleßhühner, ein unangenehmes Volk, das die Enten beim Brüten und Nestbauen stört. Selbst der Hauben- und Ser Rothalstaucher meiden die störenden Gesellen und ziehen mit ihren Jungen ins bergende Schilf rohr. Prächtig ist der Anblick, wenn der Taucher seine kaum flügge gewordenen Jungen auf seinem Rücken spa zieren rudert. Es würde zu weit führen, wenn wir noch von all den andern gefiederten Bewohnern von Schilf, Moor und Wiese erzählen wollten, vom großen Brachvogel, von den verschiedenen Arten der Wiesenpieper, vom grün- füßigen Teichhuhn, von den Sumpfhühnern, von den Moor enten, die Teich nnd Wiesen beleben, von den Beherrschern der Lüfte, die mit kaum merklichem Flügelschlage ihre Kreise ziehen, von Rohr- und Kornweihe, vom Karpfen heber mit weißschillerndem Brustgefieder, vom Kranich und Storch, von den stolzen und schönen Bewohnern von Heide und Moor, von alter deutscher Urwaldsheimlichkeit letztem Vermächtnis, das wir nun als Naturdenkmal der Heide erhalten wollen. Ohne den vielstimmigen Gesang der Vögel würde selbst die Heide trauern und auch wir Menschen würden in der jetzt so freudlosen Zeit noch ärmer werden, wenn wir nicht immer wieder Anregung und stille Freude aus der Naturbeobachtung schöpfen könnten. Er halten wir uns bis ins Alter diese Freude, Scheu und Ehrfurcht vor dem geheimnisvollen Walten der Natur, dann spüren wir den warmen Hauch des Gottesodems, in dem alles Geschaffene lebt und webt. Dann pflanzen wir etwas von dem großen und stillen Leuchten, das über Wald, Heide, Bruch und Wiese liegt, in die Herzen unserer Kin der, daß sie Anteil nehmen au diesen schönen Freuden und ebenfalls Liebe gewinnen für die singende, klingende Vogelwelt. Wir verlassen den fröhlichen Chor der Sänger und wollen den Stimmen der alten Föhren lauschen, was sic raunen und flüstern und was die Zeit sie erleben ließ, bis sie selbst ein Menschenalter hinter sich hatten. Der charak teristische Baum des Heidewaldes ist die Kiefer. Auf spär lichem Heideboden ist sie aufgewachsen, dankbar dem Mutterlands, das sie gedeihen ließ, und dankbar den Heide bewohnern, für die sie der ernste Baum ihrer Heimat bleibt. Und bei der Betrachtung von ausgedehnten, geschlossenen Kiefernbeständen unserer Heide wird die Stimmung immer ernst bleiben, weil die farbenreiche Abwechselung des Laub waldes fehlt. Zum eindrucksvollen Baum kann eine Kiefer