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Ä-. 10 Vbsrlaufltzer Helmatzettung linke Flügel, größtenteils Reiterei, füllte den Raum zwischen dem Töpferberge und Sohland. Die Stadt Reichenbach selbst und der jetzt südlich vom Berge von der Eisenbahn durch schnittene Raum waren mit russischen Jägern besetzt. Bon der Höhe beim Gute Rieder-Reichenbach aus, die von den ver bündeten Batterien bestricken wurde, ging die sächsische In fanterie im Sturmschritt gegen die russischen Jäger vor. Das sächsische Gardebataillon drang in die Stadt ein, ein weiteres bemächtigte sich der nördlichen Ortsteile, und die russischen Jäger wurden trotz heftigsten Widerstandes geworfen. Das übrige Fußvolk des französischen 7. Korps zog sich, gut ge deckt, nach dem Fuße des Töpferberges, von wo die russische Infanterie, welche diese Bewegung nicht bemerkt hatte, um nicht abgeschnitten zu werden, eiligst zurückgehen mutzte. Sie geriet dabei in das Kartätschsnfeuer der auf den Höhen nord westlich Reichenbachs ausgestellten sächsischen Batterie und erlitt große Verluste. Inzwischen rückten südlich der großen Straße die übrigen französischen Truppen mit der Reiterei der Kaiserlichen Garde und Latour-Maubourgs, bei der sich die beiden sächsischen Kürassier-Regimenter befanden, gegen Cohland vor. Ihrer Vorhut stürmte die Reiterei der Verbündeten entgegen, warf sie zurück und nahm einige 100 Mann gefangen. Allein die kühnen, zu weit vorgedrungenen Reiter erblickten plötzlich vor sich die gesamte französische Kavallerie und mußten der Uber- macht weichen. Der General Bruyeres, einer von Napoleons besten Führern leichter Kavallerie, verlor in diesem Kampfe beide Beine. Die Infanterie des französischen 7. Korps, welche Reichenbach südlich umgangen ist und bei dem Heranstürmen der Reiterei der Verbündeten ein großes Viereck gebildet hatte, vereinigte sich nun mit den über Sohland gekommenen Ko lonnen zu einem gemeinsamen Angriff auf den Töpferberg. Zu dieser Zeit hörte man die ersten Kanonenschüsse des Lau- ristonschen Korps, welches von Biesig und Mengelsdorf her die rechte Flanke der Verbündeten angriff. Die russische Nach hut, aus beiden Flügeln und in der Front von einer Uber- macht, die nahe an 50000 Mann betrug, bedroht, verließ nun zwar die Stellung, bezog aber sogleich weiter rückwärts zwi schen Reichenbach und Markersdorf eine neue und erwartete dort den Gegner. Es war um 4 Uhr nachmittags; stundenlang wurde be- reits marschiert und gekämpft, aber noch war das blutige Tagewerk nicht zu Ende. Nachdem Napoleon die Stellung der russischen Nachhut beobachtet hatte, befahl er den auf den Töpferberg aufgestellten Truppen, vorzurücken. Umsonst machte ihn der Divisionsgeneral Reynier auf die außerordentliche Er mattung derselben aufmerksam. So rückte denn das 7. Korps, unterstützt von der auf dem Töpferberge ausgestellten franzö sischen Artillerie, den Ruffen unter einem fürchterlichen Geschütz feuer entgegen. Die Nachhut der Verbündeten zog sich nach lebhafter Gegenwehr zurück, aber nur, um bei Holtendorf neue Stellung zu nehmen. Napoleon, der sich an diesem Tage selbst den größten Gefahren aussetzte, von kriegerischem Feuer und der Begierde gestachelt, den blutigen Tag nicht ohne Erkämp- sung eines wesentlicken Vorteils zu beschließen, betrieb das Borrücken ungestümer als je und ließ Reiterei und Fußvolk bei der schönsten Beleuchtung der sinkenden Sonne vorgehen. Die Artillerie der Verbündeten aus dem Hoterberge bei Holten dorf bestrich die Straße; eine kurze Stille folgte. Als aber die feindlichen Kolonnen im Begriff waren, in Markersdorf einzurücken, begann das Feuer von neuem, und eine der ersten Kugeln der Unseren tötete Napoleons Ingenieurgeneral Kirch ner, einen Württemberger, und verwundete den Großmarschall Duroc, Herzog von Friaul, der nach 14 Stunden in einem Bauernhöfe zu Markersdorf verschied. Gewehr- und Geschütz, feuer dauerten bis zum Einbrüche der Nacht, die dem Kampf tage ein Ende machte. Napoleon hatte an ihm alle Hilfs mittel seines kriegerischen Geistes und seiner überlegenen Truppenmacht, die er rücksichtslos ins Feuer trieb, erschöpft und doch keine^entscheidenden„Dorteile^erzielt, die errungenen aber teuer erkauft mit dem Tode zweier Generäle und eines Freundes. Den für den Korsen so tragischen Ausgang des Tages schildert Odeleben in seinem Werke: „Napoleons Feldzug in Sachsen" mit folgenden treffenden Worten: Der schmerzliche Verlust, wenn er ihn zu fühlen vermochte, erwartete Napoleon noch beim Schluffe des Tages. Nachdem auch Markersdorf von den Russen geräumt worden war, setzten sie sich noch einmal auf der dahinter liegenden Anhöhe gegen Rausche (Rauschwalde), dem erhabensten Punkte von Görlitz, fest. Es gab eine Panse; man vernahm seit Stun- den nicht einen Schuß. Der Kaiser ritt mit seiner Stute auf der großen Straße in das Dorf Markersdorf, währenddem die Truppen von beiden Seiten herumzogen. Gleich beim Ein gänge des langen, flachen Tales schräg durchschneidenden Dorfes wendet sich die Straße in einen ganz stumpfen Winkel etwas links, und kaum hatte Napoleon mit den nächsten Um- gedungen seines Gefolges diese Wendung gemacht, so sauste nach dieser Windstille die erste Kugel hart vorüber und schlug 50 Schritt hinter ihm nieder. Ein paar Minuten darauf er hielt er durch einen seiner Adjudanten die Nachricht, daß die- selbe Kugel ihm den Großmarschall Duroc und den General Kirchner, Kommandanten des Geniekorps, geraubt habe. Sie ritten schräg nebeneinander. Letzterer war auf der Stelle tot. Duroc aber, in den Unterleib verwundet, lebte noch 14 Stun den. Er wurde in das zunächst gelegene Bauernhaus gebracht, in dessen Nähe an diesem Abend noch ein anderes abbrannte. Der Kaiser, der seine Erschütterung über den Verlust eines seiner treuesten Diener nicht verbergen konnte, ritt stumm und in sich gekehrt seitwärts durch einen Bauernhof und beob- achtete noch eine zeitlang den Punkt, von dem aus sein Lieb- ling ihm genommen worden war. Dann begab er sich auf einem Umwege um die Gärten des Dorfes zurück (diesseits Markersdorf) auf eine freie Höhe, wo die ganze Infanterie seiner Garde, die Elite seines Heeres, ein längliches Viereck gebildet hatte, in dessen Mitte die gewöhnlichen 5 Zelte des Kaiserlichen Hauses aufgeschlagen waren und späterhin die Wachtfeuer aufloderten. Es war ein Abend der Phantasie, der reichhaltigen Stoff zum Nachdenken gab. Man denke sich Napoleon zwar nach einer großen gewonnenen Schlacht, aber mit steter Vergeudung der außerordentlichen ihm anvertrauten Kräfte, ohne ein entscheidendes Resultat an den dunklen Pforten einer schwankenden, folgenreichen Periode; bar des liebsten Vertrauten, den dieser sonst so empfindungslose Mann hatte, der zu ihm vielleicht mit der Freimütigkeit eines Jugend gefährten sprach. Man denke sich ihn im einfachen grauen Überrock, auf einem Feldstuhl, mitten in dem ungeheuren Kreise seiner Bravsten sitzend, mit herunterhängenden Armen und gesunkenem Haupte, abgesondert von dem glänzenden Gefolge seines Hauses, das sich ehrfurchtsvoll in einzelne Gruppen zurückzog und kaum die Worte auszusprechen wagte, des Kaisers Freund sei im Verscheiden Und neben dieser dumpfen Stille, zunächst dem Kaiser, das Geräusch, das die Geschäftigkeit der Garden, ihre Einrichtung zum Kochen und Lagern verursachte, und 2 Chöre Musik der Grenadiere und Jäger, die auf den Endpunkten des Vierecks in elegischen Akkorden das Bild des Tages versinnlichten, vergebens den Gebieter zu zerstreuen suchten. Unzählige Wachtfeuer schienen in der Gegend umherzuschwärmen, die Landeskrone erhob sich matt am Horizonte, und die Flammen von zwei brennenden Dörfern loderten gen Himmel zum milden Richter menschlicher Taten empor. Diese Zusammenstellung, verbunden mit der Erinnerung eines so blutigen Tages, dem Nachspiele der vor- hergehenden, wo vielleicht das Leben jedes llbriggebliebenen dieser großen Masse öfters an einem Haar gehangen hatte, der Gedanke, daß jetzt noch tausende schwer verwundete Opfer dem nahen Ende entgegen gingen, und daß alles dieses nicht hinreichte, um das furchtbare Schicksal zu versöhnen, machte auf den Beobachter, der das große Rad des Schicksals nicht lenken oder hemmen, sondern nur fassen konnte, den er»