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Herrn Paul Reuter gebotenes Melodrama „Der sterbende Komödiant" von Endrikai und Geller. Um die feinfühlige Be gleitung der Solonummern am Klavier machte sich Herr Ober- lehrer Engelmann sehr verdient. Eine Augenweide waren die von der Reichenauer Turnerinnenabteilung (D. T.) vor geführten Tanzformen, in denen Anmut, Schönheit und rhyth misches Gefühl einen starken Wettbewerb ausfochten. Recht gut schnitt Herr Max Heinrich-Reichenau mit der Rezitation eines Gedichtes, „Heimat" von Anton Marschner-Warnsdorf und der bekannten Ballade „Der Organist von Schmalkalden" ab. Jubelnd begrüßt wurde Wilhelm Friedrich, als er sich anschickte, aus eigenen Dichtungen das stimmungsvolle „Sein letzter Gang" und eine heitere Dichtung zu bringen: nicht geringere Freude löste seine prächtige Tanzszene aus, in der man wieder einmal die lieben Altlausitzer Volkstänze bewundern durfte. An den Kommers schloß sich das bereits erwähnte urgemütliche Beisammensein. Es mußte wegen der starken Beteiligung zwar etliche Male „umgezogen" bezw. der Aufenthaltsraum gewechselt werden, aber schließlich fand sich alles wieder im großen Saale zusammen. Herr Alwin Rösler erfreute durch eine lange Reihe kostbarer weiterer Liedergaben, auch Bruno Reichard packte nochmals seinen „lyrischen Musterkoffer" aus und erntete lebhafte Heiterkeit. Zwischendurch wurde allerlei fröhliche Allotria getrieben. Nach einer sehr, sehr kurzen Nacht fand sich die ganze Thalia mit ihren Gästen zu einem handfesten und dauerhaften Frühschoppen bei „Augustins" zusammen, wobei natürlich keine Tränen des Leids vergaffen wurden. Die Zeit verging mit künstlerischen Darbietungen, improvisierter Jazz- Musik, geistreichen Reden usw. Und dann kam abends die Fubiläumsaufführung! Die sterbende Grube (Das Schicksal der Grube der Stadt Dresden) Don Otto Flössel-Bautzen W enn man mit der Bahn von Görlitz nach Zittau fährt, so berührt man ein großes Stück des Oberlausitzer Braunkohlenreoiers. An beiden Enden dieser Strecke liegen Gruben von be deutenden Ausmaßen. Görlitz besitzt selbst eins der modernsten Kohlenwerke in der „Grube der Stadt Görlitz", die abseits der Eisenbahnlinie Görlitz—Breslau in der Nähe von Kohlsurt gelegen ist. Und im Zittauer Kessel zeigen rauchende Schornsteine, hohe Halden und mächtige Fördergebäude an, daß hier so recht die Heimat der Oberlausitzer Braunkohle ist. Hier liegt auch das größte Oberlausitzer Braunkohlenwerk: in Hirschfelde. Etwa in der Mitte der Zittau—Görlitzer Strecke wiederum liegt ein Kohlenwerk, das in den letzten Jahren viel von sich reden gemacht hat und auch neuerdings wieder das Interesse der breiten Öffentlichkeit auf sich zieht, indem es daran ist, stillgelegt zu werden. Zwar von der Bahn aus ist es kaum zu erkennen. Nur der Bahnhof Nikrisch kündet seine Nähe an. Nicht nur, daß hier tagaus, tagein Züge mit Rohkohle und Briketts zur Abfahrt bereitstehen, sondern es zweigt von Nikrisch aus auch eine Kohlenbahn nach dem Werke ab. Werkslokomotioen fahren ab und zu. Uber Felder und Wiesen geht der Schienenstrang nach dem kleinen Orte Berzdorf (auf dem Eigen), in dessen Nähe sich das Werk befindet. Es ist ziemlich abgelegen vom großen Verkehr, und das Werk hat sich durch eine eigene Bahn unter Aufbringung erheblicher Mittel den Anschluß an die Bahnlinie Zittau—Görlitz und damit an das große Verkehrsnetz selbst geschaffen, eine für den Absatz der Pro duktion wie für das Heranbringen der Materialien und Rohstoffe unerläßliche Notwendigkeit. Wohl haben in den letzten Jahren innerhalb des Ober lausitzer Braunkohlenbergbaus mancherlei Umwandelungen stattgefunden: das vorher selbständige Kohlenwerk Grube „Olba" in Kleinsaubernitz bei Bautzen ist an die großen Niederlausitzer Kohlenqesellschaften angeschlossen worden, auf dem Hirschfelder W«>rke hat der sächsische Staat eine gänzliche Neuregelung der Verhältnisse geschaffen, keins aber hat einen solchen Wandel vollzogen wie das Braun kohlenwerk in Berzdorf a. d. Eigen. Kohle wird im Eigenschen Kreise bereits seit Mitte des vorigen Jahrhun derts gearaben. Man hat das reiche Kohlenvorkommen an der sächsisch-schlesischen Grenze verhältnismäßig frühzeitig erkannt und für die Wirtschaft nutzbar gemacht! Um 1850 gab es dort vier Gruben. Sie befanden sich anfangs in Privatbesitz. Die Bauern des Eigenschen Kreises waren es, die die schwarzen Diamanten im Schoße ihrer Felder ge funden hatten. Der Abbau geschah damals noch mit den primitivsten Mitteln, von einer Förderung im großen Maße konnte nicht die Rede sein. Um mit dem sich steigernden Wettbewerb der übrigen Lausitzer Gruben Schritt halten zu können, machte sich bald ein Ausbau der Gruben nötig. Dazu waren große Summen Geldes erforderlich, und da dazu die Besitzer nicht imstande waren, wurden die vorhan denen vier Gruben zu einem großen Werke vereinigt. Das geschah im Jahre 1862, und dieses Jahr kann somit als das Geburtsjahr des heutigen Braunkohlenwerkes angesprochen werden. Das reiche Vorkommen von brauchbarem Lehm legte den Besitzern frühzeitig den Gedanken nahe, auch diesen gleichzeitig mit den Kohlenschätzen nutzbar zu machen. So entstand bald neben dem Förderturm auch eine Ziegelei. Bon der ursprünglichen Ziegelei freilich ist heute nichts mehr zu sehen, sie wurde in den siebziger Jahren des vorigen Iakr- hunderts uiedergerissen, an ihrer Stelle erstand im Jahre 1872 eine neue Ziegelei. Sie ist im Laufe der Zeit mehr und mehr ausgebaut worden und zählte noch vor wenigen Jahren mit zu den modernsten Anlagen ihrer Art. Das Werk hat wiederholt seine Besitzer gewechselt. Eine Zeitlang stand es in enger Verbindung mit Görlitz, es gehörte der Görlitzer Firma Ernst Geißler. Im Jahre 1901 erwarb es die Firma Kroschwald L Zücker in Berzdorf. Bedeutungsvoll für die Geschichte des Werkes sollte der Beginn dieses Jahrhunderts sein, indem es nach längeren Verhandlungen in die Hände der Stadt Dresden überging. Gleichzeitig mit dem Werke kaufte diese im Jahre 1901 umfangreiche Ländereien in dortiger Gegend auf. Diese waren als kohlehaltig bekannt und sollten Reserven für den späteren Abbau sein, wenn die damaligen Gruben erschöpft sein würden. Dadurch erfuhr das Werk also eine ganz be trächtliche Erweiterung. In diese Zeit fällt auch der voll kommene Umbau der Anlage zu einem großzügigen Werke, das allen Anforderungen der Neuzeit gewachsen war. In der Tat hat die Stadt Dresden große Summen auf den Ausbau verwandt. Der große Kohlenbedarf in der Kriegs zeit ließ die Vergrößerung nickt nur geraten, sondern auch durchaus rentabel erscheinen. Tatsächlich ist die Kohlenver sorgung Dresdens gerade in jener schwierigsten Zeit zum guten Teil mit dem Besitze der Grube in Berzdorf zu danken. Damals kamen Soldaten von Dresden her, und es begann der Bahnbau und die Regulierung des Bachbettes. Damals auch wurde ein Plan in ernste Erwägung gezogen, der für das Wirtschaftsleben der Lausitz von eminenter Bedeutung hätte werden können: Der Gemeindeverband sächsischer Elektrizitätswerke beabsichtigte, hier ein großes Kraftwerk