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Sö GbsrlauMsr Helmatzslirmg Nr. 6 Die Zittauer Wiesenherren Zittauer Geschichts- und Museums» '»verein veranstaltete am 23. Februar im Sitzungs- soale der Amtshauptmannschaft unter Leitung des neuen Vorsitzenden Herrn Dr. Reinh. Müller den ersten -< Vortragsabend dieses Jahres, der wieder einen sehr an sehnlichen Besuch zu verzeichnen hatte. Nach herzlichen Worten der Begrüßung berichtete der Genannte kurz über die im Januar abgehaltene Hauptversammlung und die Vorstandswahl, die eine Umgruppierung und teilweise Neu- besetzung ergeben hatte. Über den bei dieser Gelegenheit eben falls zur Erledigung gekommenen Schriftkührerposten soll dem nächst Bestimmung getroffen werden. Sie ist bekanntlich dem Gesamtvorstand Vorbehalten worden. Die Milgliederbewegung ergibt seit der letzten Sitzung einen Zuwachs von 6 Personen; der Bestand beläuft sich somit auf 174 Mitglieder. Eine be merkenswerte Neuanschaffung der Stadlbücherei, die zur Kennt nisnahme herumgereicht wurde, gibt interessanten Aufschluß darüber, wie vorteilhaft anderwärts, besonders in Süddeutsch- land, für ihre eigentliche Bestimmung nicht mehr benutzte Bau lichkeiten, wie Klöster, Kirchen usw., zur Unterbringung Heimat- und volkskundlicher Museen wieder Verwendung finden. Auch für Zittau ist bekanntlich die Frage aufgerollt worden, ob unsere schöne Kreuzkirche nicht dem gleichen Zwecke in irgend einer Form dienstbar gemacht werden kann. Unser Stadlmuseum birgt ganz erhebliche Schätze an kunstvollen Küchengeräten und son« stigen Schmuckstücken, die bei dem beklagenswerten Platzmangel im Magazin aufgestapelt werden müssen, dadurch in ihrer guten Erhaltung gefährdet sind und der Allgemeinheit nicht zugäng lich gemacht werden können. Wie hoch unser Museum ander- wärts eingeschätzt wird, beweist die starke Beachtung, die die Zittauer Abteilung der Berliner Polizeiausstellung (Folterwerk, zeuge und Geräte des Strafvollzugs aus dem hiesigen Stadt- museum) allgemein gefunden hat. Im Anschluß an die Er- ledigung der geschäftlichen Angelegenheiten hielt Herr Referen- dar Mitter einen in hohem Maße interessanten Vortrag über „Die Zittauer Wiesenherren im Jahre 1487". Dieser sonderbar anmutende Titel findet seine Begründung in einem vom Volksmunde geprägten Spitznamen, der den Urhebern einer folgenschweren Verschwörung gegen den Zittauer Stadt- rat beigelegt wurde, weil sie ihre heimlichen Zusammenkünfte mit Vorliebe auf der außerhalb der Stadt gelegenen Queck- wiese abhielten. Es ist überdies bezeichnend, daß der Rat von diesen Vorbereitungen zum Umsturz keine Ahnung gehabt hat und auch der Warnung eines von Gewissensbissen bedrängten Verschwörers keine Beachtung schenkte. Der Aufstand der Zünfte, der gewisse Parallelen zu Vorkommnissen der jüngsten Ber- gangenheit heraufbeschwört, richtete sich anscheinend keineswegs gegen begangenes Unrecht, sondern war wohl vielmehr ledig- lich eine Machtfrage, die zunächst zugunsten der Aufrührer ent- schieden wuroe, aber gleichzeitig eine Angelegenheit von außen politischer Bedeutung wurde. Den Hintergrund bildete ein Inter- effenstreit zwischen den Kronen Ungarn und Böhmen um den Besitz Schlesiens und der Ober- und Niederlausitz. Der Ungar- König Matthias Corvinus besaß in dem zu Bautzen residieren- den Lausitzer Landoogt Georg von Stein auf Zoffen und Hoyerswerda einen getreuen und zuverlässigen Parteigänger, der mit Eifer die Lache seines Herrn betrieb. Unter den Zit tauer Ratsmannen waren beide Parteien vertreten. Den unga rischen Standpunkt vertrat namentlich der Bürgermeister Hans Pabst; der Führer der Böhmischgesinnten war Peter Frech. Bon dem ersten Zusammenprall der Gegner, der im Jahre 1482 stattfand und im übrigen verhältnismäßig harmlos ver lief, weiß der Chronist Johann von Guben nichts zu berichten. Der aus dem Amte entfernte Bürgermeister Pabst wendete sich an die Zünfte und beschuldigte einen Teil der übrigen Rats mitglieder der mißbräuchlichen Verwendung amtlicher Gelder im eigenen Nutzen. Nachdem die inneren Wirren sich andauernd verstärkt hatten, veranlaßten die Zünfte den Londvoqt zum persönlichen Eingreifen. Er erschien am 3. Mai 1487 in Zittau und beschränkte das Recht der freien Ratskür, indem er einen Teil der Ratsmannen ihres Amtes enihob, es aber unterließ, seinen Parteifreund Pabst wieder einzusetzen. Der schwere Groll der Gegner wendete sich vornehmlich auch gegen die sogenannte Marienbruderschaft, die man auch als Konstabuler bezeichnete, eine aus Anerkennung der von der Stadt Zittau während der Hussitenkriege für die Allgemeinheit dargebrachten Opfer im Jahre 1469 begründete Laienkongregation, die gewisse Vorzüge genoß. Sie wurde zu einer einschneidenden Änderung ihrer Satzungen gezwungen und fast aller Vorreckte beraubt. Die Zünfte waren jetzt die tatsächlichen Herren der Stadt und der Rat nur ihr ohnmächtiges Spielzeug. Schließlich maßten sie sich auch noch die Gerichtsbarkeit an. In diese Zeit fallen die unerhörten Foltergreuel, die die Aufrührer an dem mit Gewalt aus der „Gans" (dem abscheulichen Gefängnis im Rathaus) geholten Michael Ientsch verübten. Als sich die hartbedrängten Ratsmannen keinen Rat mehr wußten, wählten sie am 24.August 1487 Hans Pabst wieder als Bürgermeister, und der abgesetzte Bürgermeister Bernhard wurde zum Verlassen der Stadt genötigt. Aber diese taktische Maßnahme änderte nichts an den verworrenen inneren Verhältnissen Zittaus, wenn auch die beiden folgenden Jahre ohne besondere Störungen verliefen. Im Jahre 1490 erfolgte die Rückkehr Bernhards und seine Rehabilitation. Nunmehr wurde Papst zum zweiten Male ab gesetzt und mit Nikel Röther im böhmischen Torturm ver wahrt. Noch einiger Zeit wurde er freiqelassen, durfte aber sein Haus nicht verlassen und mußte sich dauernd zur Verfügung des Rates halten. Der Andere blieb in Haft; ein gewaltsamer Befreiungsversuck scheiterte. Es gelang ihm jedoch, sich durch eine waghalsige Flucht durchs Fenster nach Gabel in Sicher heit zu bringen. Die inn-re Ordnung in der Stadt war in ihren Grundpfeilern erschüttert. Ein geplanter Überfall auf die Stadt wurde dem Rat noch rechtzeitig verraten. Der Bürgermeister Papst wurde des Hochverrats bezichtigt, im Jahre 1494 erneut in Haft genommen und am Sonntag nach Weihnachten >495 auf dem Marktplatz zu Zittau vor seinem eigenen Hause mit dem Schwerte hingerichtet. Daß man ihn aber nicht als ge meinen Verbrecher betrachtete, wird durch die Tatsache bewiesen, daß sein Leichnam ordnungsmäßig aufgebahrt und beim Tauf stein in der Iohanniskirche beigesetzt wurde. Nach dem Tode des Königs Matthias Corvinus hatte die Lausitz vertragsmäßig an die Krone Böhmen zu fallen. Damit hatte auch die Stunde Georgs von Stein geschlagen. Er wurde seines Amtes als Lausitzer Landvogt entsetzt; sein Nachfolger wurde Sigismund von Marienberg auf Tetichen, und allmäh lich kehrten in Zittau die ordnungsmäßigen Zustände wieder ein. Aber die durch die „Wiesenherren" hervorgerufenen Er schütterungen haben die Stadt in ihrer Entwickelung schwer geschädigt und sie um einen Vorsprung gebracht, der kaum wieder einzuholen war. Der nach sorgfältigstem Quellenstudium mit größtem Fleiß ausgearbeitete Vortrag erschloß sichtlich den meisten Hörern ein nur sehr wenig bekanntes Kapitel der Lausitzer Geschichte. Es wäre angelegentlichst zu wünschen, daß die gediegene Arbeit in irgend einer Form als Druckwerk einem größeren Kreise zugänglich gemacht würde. Der Redner erntete lebhaften Bei fall, dem der Vorsitzende herzliche Worte des Dankes und den Wunsch anfügte, die sehr zahlreiche Hörerschaft möchte auch den folgenden Vortragsabenden und den in absehbarer Zeit wieder beginnenden Studienfahrten treu bleiben. Bruno Reichard. DverMuMer erndSSeute Vestel» a lest die Dverlausitzer^^Heirnatzeitung »ezugsvret» bterteljalsrltty L.L» SN«. »erlag- »ltntn c)Narx, »utl»bru«eret unv et lang a »erlag <S. in v. H., ^reitssenau, Sa.