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292 Gkerlaufltzsr Hsimatzettung Nr. 25 auch Arbeit kann Gottesdienst sein! — Unten, im Kirchenschiff saßen die Iraner,, oben auf den Emporen die Männer. — Ich saß oben, neben einem Bauern. Er grüßte mich freundlich und schob mir ein altes Gesangbuch zu, damit ich mit singen könne. Dabei blickte ich sinnend aus die braunen, hartgeorbeiteten Bauern hände. O, daß wir doch immer unserm Bauernstand die rechte Ehre geben möchten! — In dem alten Gesangbuch, das ick aus- schluo, stand vorn, aus dem ersten Blait, in blauer Stempelschrtst der Name des Besitzers und ich — ich hatte aus eine vielleicht schon zittrige Handschrift gehofft, darunter Daten eingetragen — ein Stückchen Familiengeschichte, wo nur die hauptsächlichsten Punkte angegeben sind und die Linien dazu man sich selber zieht. Ja, die blaue Stempelsckrift im alten Gesangbuch war für mich eine schmerzliche Enttäuschung. — Der Predigt war der 1. Psalmen als Text zu Grunde gelegt. „Wohl dem, der nicht wandelt im Rat der Gottlosen" und wie einen schlichten, einfachen Bau, mit Hellen Fenstern, in die die Sonne scheint, stellte daraus der Pre- diger seine Auslegung der Psalmenwortc. — Nach dem Gottes dienst durchschritt ich still und sinnend den Friedhof, der sich dicht an das Kirchlein bettet. — Nun sitze ich hier auf meinem stillen Platz unter der alten Linde. Sommerherrlichkeit und Erdenschön, heil drücken meine Augen. Was ist es doch für ein reines Glück das genießen zu dürfen! Ich schaue und schaue — und leise falten sich meine Hände: Sommertag voll Duft und Glanz! Erdenschönheit — Himmelsgabe — Meine Seele fühlst du ganz. — Laß in meinem Lebenskranz Solche Stunden stets erblühen, Wo nach sorgenvollem Mühen Mir mein Herz mit Andacht füllt: „Erdenfchönheit" — Bild um Bild! Margarete Reichel-Karsten. mumulumummuttmmmimiulirlliuuimimtkttmuiummimmttmmmimMiminrimm Die Millerbauline Bon Richard Mättig-Großschönau „Gun Mvrgn, Korline." — „Gun Morgn, Anna, na, woas wachste: host's denn o schunne gihirt, huste frih is unse Nubbern, die Millerbauline, gischturbm." — „Woas," antwortete die Mai- korline, „dar ahleDrachn koannoamohschtarbm: nee!" —'„Nu, und denktersch ocke, do koam huste a oller Herrguttsfrihe die ahle Weis'n aus'n Oarmhause zu uns rimm und soang: Nu danket alle Gott, nu is doas Loaster fort, und soats uns dorno, doaß abm die Millerbauline tut woar." — „Na, Gust sei Dank, do hoamer nu wingstns Ruhe vu dar; nec.nu will'chockwatergiehn, mir hoan huste Wäscke: lab a Iriedn." — „Du o." Ja, die Millerbauline war Kerne Gute. Schon als kleines Mädel bewies sie es. Jedem fuhr sie „übersch Maul" und blieb nie eine Antwort schuldig. In der Schule wurd's nicht bester. Wie mußte sich der alte Kantor mit ihr plagen, alle seine Erzie hungskünste wandte er an, Schläge mit dem Rohrstocke, Lieder lernen, Nachsitzen, zuletzt versetzte er den verdorbenen „Jungen" aufs „Faulbänkel"! Alles vergebens. Faul war die Pauline nicht, im Gegenteil, die Schulaufgaben erledigte sie aufs sorg fältigste, nur die Albernheiten. Nach der Konfirmation ging sie zu Neumsliebeln zwisten und verdiente sich einen hübschen Groschen, denn einen Arbeits geist besaß sie, das mußte man ihr lassen. Drei Jahre lang gings. Plötzlich kam ihr etwas neues in den Sinn, sie erschien nicht mehr in Neums Zwisterei. „Ich mache as Dienst," ließ sie durch eine Arbeitskollegin sagen, mehr nicht. Bei Nacht und Nebel machte die Pauline fort, wohin, wußte niemand, nicht einmal ihre eigne Mutter. Die Leute sagten leise zu einander: „Aus dar wird woas raichts wardn!'^ Drei Jahre waren seit jenem Vorfall verflossen. Im Dorfe sprach man sehr selten von der Millern, dem „verricktn Schlicke". Ihre Mutter war schon längst hinausgeschafft worden auf den stillen Kirchhof, dort ruhte sie gut. —Da, ganz unerwartet, erschien die Pauline wieder. O, wie aufgeblasen sah sie aus. Ihren schlanken Körper umgab ein vornehmes Kleid, aber nur von ferne sah es fein aus, wer näher beobachtete, entdeckte mancherlei Un schönes: liederliche Nähte, franzige Ränder und dergleichen. — Die Schillerkorline lief ihr zuerst in den Weg und die erzählte ihr sogleich den Tod ihrer Mutter. Dies brachte die vornehme Pau line durchaus nickt außer Fassung. „Ich heirate bald, aber nicht hier, in das alte Nest mag ich nicht mehr, nicht tot möchte ich darin sein, viel weniger lebendig," war die Antwort. „Hm, Bauline, ich soatersch, 's Labm is goar narsch, 's wird goar moanchs an- dersch, oas wie ees monchmo denkt," meinte darauf die Korline. — „Es wird schon gehen, ich die noch jung, und mein Schoamster is ein guter Kerl, und reich dazu, der hoat nämlich hinter Berlin ein feines Geschäft, doas sollt ihr einmal sehen, dar Betrieb, o, eine Goldgrube, noch diesen Monat heiraten wir; dann" — „Ja doann!" beschloß die Schillerkorline das Gespräch. — Pauline besuchte noch einige Bekannte, dann gings wieder in die weite Welt hinaus. . — Wieder mehrere Jahre später. Bei der Schillerkorlin in der Stube. Die Korline saß am Spulrad und spann, sang dazu ein Liedlein. Plötzlich sprang die Stubentür auf und ihr Enkel, der „kleene Bote", kam hereingerannt: „Grußmutter, Grußmutter, as Oarmhaus ziehn neue Leute, ganz vurnahme rädn tun se, aber oagizoin gihnse, su schloampch, groade wie Zigeiner, — die ahle Knobl'ch'n koam groade derzu und meente, 's wär die Miller bauline." — „E, mach neZuig har, war weeß, woaste gihurt hoast." — „Iu, Grußmutter, ihr kinnts gleebm, die hoat's su gisoat." — Es war auch so, die Schillerkorline ward früh genug überzeugt, denn die Millerpauline ließ sich schon am andern Tage bei ihr sehen. Ohne Scheu erzählte die Heruntergekommene ihr bisheriges Leben in der Fremde. Dienstmagd war sie gewesen in Berlin, in Spandau usw., hatte auch verschiedene Verhältnisse gehabt, bis sie ihren jetzigen Mann gefunden. Der besaß von seinen Eltern ein großartiges Kolonialwarengeschäft, — das hatte ihr gefallen, feine Dame spielen zu können, .weiter keinerlei Arbeiten tun zu müssen, zu was waren denn die Dienstboten da. Ja, das ging so eine Weile, dann aber, das Geschäft flaute ab, die Kaste war ständig leer, Gläubiger stellten sich ein und was weiter — jetzt war sie hier mit ihrem Manne und ihrer Tochter und logierte — einstweilen, wie sie sagte — im Armenhause. „Ja doann?" frug wieder die Schillerkorline, bekam aber keine Antwort. Die Millerpauline wohnte nun im Armenhause und blieb dann. Kein Mensch im Dorfe mochte „doas Gibindl" einnehmen. Für die Nachbarsleute gab's aber manches interessante Slünd- chen, denn die Pauline spielte mit ihrem Manne Komödie. Der Arme; bald flog ihm ein Topf an den Kopf, bald berührte ihn der Besen ziemlich unangenehm, dann wieder stand er vor ver schlossenen Türen, sein Weibchen war ausgeflogen mit — na, das braucht nicht näher beschrieben zu werden —, und arbeiten mußte er, tagsüber im Walde Holz fällen und abends ordnete er einigermaßen die Wirtschaft. Ein Kind brachten sie damals mit, zu dem sich noch zwei gesellten. Letztere beiden starben aber bald infolge schlechter Behandlung. Nur die Frieda Überstand alles, sie besaß eine Pferdenatur. „Dar ihr Buckl is mürbe," sagten immer die Nachbarn. So lebten die Drei dahin. Wohl an die zehn Jahre. Die Frieda war der Schule entwachsen und hatte in der Fabrik als Spulerin Arbeit gefunden. — Eines Tages, es war kurz vor Pfingsten, brachte man den Holzfäller auf einer Bahre tot heim, ein Baum hatte ihn erschlagen. „Gutt, doaß er berstest is, dar is wirkl'ch gutt droa," hieß es im Dorfe. Böse Zungen äußerten: „Wan wird se ock nu quäln und schuriegln, doas Loastcr, die Frieda läßts'ch doch nischt mieh aifoalln." Das sollten sie auch bald erfahren. Zunächst mußte erst das Begräbnis erledigt werden. Pauline rückte zuerst zum Gemeindevorstande. „Mei Ahler is gischturbm," berichtete sie ihm unter Schluchzen, „aber bigrobm koannch'n ne, ich muß'n ock su eischoarrn lussn. — Die ganze Beerdigung fand „uff Regiments Unkustn" statt. Dann aber: die armen Nachbarn. Allzubald mußten sie die bittere Wahrheit des Sprichwortes: „Es kann der Beste nicht im Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbar nicht gefällt" kosten. Die erdenk lichsten Schikanen führte die Witwe aus. Einmal lag derInhalt