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Gymnasium Guben und siedelte im letztgenannten Jahre nach der Sechsstadt Görlitz über. In ihr wirkt er noch heute. Er war Lehrer, dann Oberlehrer und Professor am altehrwür digen Gymnasium Augustum von 1883 bis 1904. Da zwang ihn ein Gehörleiden, in den Ruhestand zu treten. Seitdem widmet er sich noch mehr als bisher wissenschaftlichen For schungen und Veröffentlichungen. Da hat er, befreit vom Schuldienste, sich in vorbildlicher Weise vor allem dem Stu dium unserer Oberlausitzer Geschichte hingegeben — die Ober lausitz war ihm zur zweiten Heimat geworden —, während seine ersten wissenschaftlichen Arbeiten besonders der Erfor schung seiner heimischen (Mundart gegolten hatten. Es war da von ihm im Jahre 1888 ein Wörterbuch der (Mansfelder (Mundart erschienen. Richard Jecht wurde nach dem Tode des Sekretärs der Oberlausitzer Gesellschaft der (Wissenschaften in Görlitz, Pro fessor Dr. Karl Friedrich Schönwälder (gestorben Oktober 1888), sein Nachfolger und im Jahre 1907 Ratsarchivar von Görlitz. Diese beiden Ämter bekleidet er zum Nutzen und Segen der Wissenschaft noch heute. Da erwarb er sich die größten Verdienste. Als Sekretär übernahm er auch die Her ausgabe der wissenschaftlichen Zeitschrift der ebenerwähnten Gesellschaft, des Neuen Lausttzischen (Magazins. Daß dieses heute, wie von allen Fachgelehrten und wissenschaftlichen In stituten anerkannt wird, auf der Höhe der Zeit steht, ist sein Verdienst; da hat er vom ersten Tage seines Amtsantrittes an mit Umsicht und Strenge seines verantwortungsreichen Amtes gewaltet und nur wirklich wissenschaftliche, die erweiternde Kenntnis unserer Heimat fördernde Arbeiten angenommen und alle dilettantisch-populären Aufsätze, mochten sic noch so elegant geschrieben sein, rücksichtlos — zum Heile der Gesellschaft und zum Nutzen der Wissenschaft — znrückgewiesen. In das überaus glückliche Familienleben von Richard Jecht griff der unerbittliche Tod wiederholt jäh ein. Am 29. Oktober 1916 starb den Heldentod fürs Vaterland sein ältester Sohn Dr. phil. Walter Jecht, ein hoffnungsvoller junger Gelehrter, von dem der Vater im 95. Bande des Neuen Lausttzischen (Magazins eine gründliche wissenschaftliche Arbeit: „Neue Untersuchungen zur Gründungsgeschichte der Stadt Görlitz und zur Entstehung des Städtewesens in der Oberlausitz" ver öffentlichte. Zehn Jahre später entriß Richard Jecht der Tod die heißgeliebte Gattin Elara, geborene Heinstus, die treue Mutter seiner drei Söhne, die ihm eine selbstlose und verständ nisvolle Mitarbeiterin bei seinen wissenschaftlichen Arbeiten gewesen war. Dem Gedächtnis seiner „lieben Frau Clara (ge boren am 11. Juli 1864, gestorben am 22. Januar 1926), der Gefährtin seines Lebens und seiner Arbeit während 36 Jahren", hat er seine Geschichte der Stadt Görlitz gewidmet. Seines Alters Freude sind seine Enkel und seine beiden tüch tigen Söhne: Dr. phil. Horst Jecht, der als Privatdozent an der Universität Halle—Wittenberg wirkt, und Dipl.-Jng. Reinhard Jecht, der an leitender Stelle eines großen Dresdner Unternehmens steht. Als Gesellschaftssekretär und Ratsarchivar erwarb sich Richard Jecht genaue Kenntnisse der reichen Urkundenschätze der Archive von Görlitz und anderen Städten sowie der be trächtlichen Archivalien und Bücherschätze der Gesellschafts bibliothek, die jetzt etwa 120 000 Bände umfaßt. Sie benutzte er und schuf (Werke, die für alle Zeiten von hohem (Werte sein und bleiben werden. Sie alle zu nennen, würde zu weit führen, doch sei auf einige hingewiesen. Zahlreiche Veröffentlichungen befinden sich im Neuen Lausttzischen Magazin, in anderen wissenschaftlichen Zeitschriften und Tagesblättern. Dann gab er heraus die gewichtigen Bände des Codex diplomaticns Lu- satiae supericris II. in zwei Bänden 1896—1899, enthaltend Urkunden des Oberlausitzer Hussitenkrieges und der gleichzeitig die Sechslande angehenden Fehden, 1419—1437; III., 1905 —1910, enthaltend die ältesten Görlitzer Ratsrechnungen von 1337—1419; IV., 1911—1927, umfassend die Oberlausitzer Urkunden von 1437—1457, und VI. 1. Heft 1931, enthal tend die Oberlausitzer Urkunden unter König Georg Podjebrad von 1458—1463. Da finden wir aus den verschiedensten Ar chiven, emsig gesammelt und sorgfältig geordnet, die urkund lichen Grundlagen der betreffenden Zeitabschnitte bekannt gegeben. Weiter schrieb Richard Jecht eine stattliche Anzahl, teil weise umfangreiche Sonderwerke zur Geschichte von Görlitz und der Oberlausitz; auch da seien einige angeführt: Der Ober lausitzer Hussitenkrieg und das Land der Sechöstädte unter Kaiser Siegmund, 1911 und 1916; über die Handschriften des Sachsenspiegels und verwandter Rechtsquellen in Görlitz, 1906; Ouellen zur Geschichte der Stadt Görlitz bis 1600, 1909; Die wissenschaftlichen Verhältnisse der Stadt Görlitz im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts, 1916; Jakob Böhme, 1924; Jakob Böhme und Görlitz. Ein Bildwerk, 1924; Das Raksarchiv der Sechsstadt Görlitz, 1929. Damit ist nur ein kleine Zahl von Richard Jechts Ar beiten angeführt. Er ist aber nicht nur schriftstellerisch tätig, sondern wirkt auch als Redner anregend, begeisternd und befruchtend auf weitere Kreise und beschränkt sich da nicht nur auf Görlitz. Häufig wird er — kein Wunder bei seiner längst all gemein anerkannten wissenschaftlichen Bedeutung — von den verschiedensten Seiten, teils mündlich, teils schriftlich um Aus kunft gebeten. Er hilft da jederzeit gern und unterstützt mit Rat und Tat vor allem auch junge Forscher. Selbstlos und bescheiden tritt er mit seiner Person zugunsten der Förderung der Forschungen zurück, und da ist er auch immer liebenswür dig und gastfrei. Nur bei anmaßendem und dilettantenhaftem Auftreten kann er unangenehm werden. Längst hat man Richard Jechts wissenschaftliche Tätigkeit und wissenschaftliche Bedeutung erkannt und schätzt sie hoch. So haben, wie die Obcrsansitzischc Gesellschaft der Wissen schaften, ihn auch viele andere wissenschaftliche Institute zu ihrem Ehrenmitglieds ernannt, so z. B. der Verein für Schle sische Geschichte, der Verein für Geschichte von Böhmen in Prag, der Verein für Heimatkunde des Jeschken- und Jser- gaus, die Niederlausitzische Gesellschaft für Anthropologie und Altertumskunde, der Sächsische Altertumsverein in Dresden u. a. Die Universität Breslau verlieh ihm bereits im Jahre 1911 die Würde eines Dy. iur. Ehrenhalber und ernannte ihn, um abermals seine Verdienste nm die Wissenschaft anzu erkennen, bei Gelegenheit des 150 jährigen Jubiläums der Oborlausitzischen Gesellschaft der Wissenschaften zu ihrem Ehrenscnator. Die Preußische Akademie der Wissenschaften verlieh ihm — meines Wissens war es zuin ersten (Male, daß ein Lokalhistoriker dieser Ehre teilhaftig wurde — die Leibnitz- medaille; vom Kaiser (Wilhelm II. erhielt er den Roten Adler orden 4. Klasse und vom König Friedrich August von Sachsen das Ritterkreuz 1. Klasse vom Albrechtöorden. In voller geistiger und körperlicher Frische kann Richard Jecht seinen 75. Geburtstag feiern. Mögen ihm, dem jugend frischen, nie rastenden Gcschichtssorscher und Geschichtsschreiber noch eine recht lange Reihe schaffensreicher Jahre beschieden sein zum Heile nnd Segen unserer Oberlausitz. D r. Paul Arras.