Volltext Seite (XML)
wurden wir durch die Räume geführt und kamen aus dem Staunen nicht heraus. Einen Begriff von dem Riesen betrieb erhält man z. B. dadurch, daß täglich 38 Zentner Wäsche gereinigt werden. — Vahnomnibusse brachten die Reisegesellschaft nach zweistündigem Aufenthalt nach Schlackenwerth, und von hier ging es mit dem Zug nach Karlsbad. Am Bahnhof erwartete uns Herr Schuldirektor John. In liebenswürdiger Weise hat er sich uns zur Ver fügung gestellt und uns am Sonntag die mancherlei Schön heiten Karlsbads gezeigt Am Sonnabend abend unter nahmen wir nach Auffrischung in den Hotelquartieren noch einen Bummel in die Stadt bis zum Sprudel. Am Svnn- tagmorgen waren wir kurz vor 7 Uhr an der Mühlbrunn kolonnade, nachdem wir zuvor Sie Parkbrunnquelle gekostet hatten. Unvergeßlich wird es jedem bleiben, als die Ka pelle das Kurkonzert mit einem Choral eröffnete. Ent blößten Hauptes und in ehrfurchtsvollem Schweigen ver harrte die große Menge. Nun begann die Promenade mit ihrem lebhaften Treiben. Es können hier unmöglich die vielen Eindrücke wiedergegeben werden, die auf uns flüch tige Besucher einstürmten. Nur einige Einzelheiten seien berichtet. Voll Staunen standen wir vor dem Wunder und Wahrzeichen Karlsbads, dem Sprudel. Wie wohl fühlten wir uns in dem „Freundschaftssaal", dem beliebtesten Frühstücksgartcn Karlsbads. Trefflich schmeckten die be kannten Karlsbader Spezialitäten. Unbeschreiblich schön waren die Blicke von der Freundschaftshöhe und dem Hirschensprung, zu denen uns eine Seilbahn hinaufgebracht hatte. Mit Interesse nahmen wir im Museum die Ur kunden berühmter Kurgäste in Augenschein. Sehr an genehm wirkt die Sauberkeit auf Straßen und Plätzen. Einen gemütlichen Anstrich erhält das Straßenleben durch die zahlreichen Pferdedroschken. Ein Motorrad konnten wir im Kurviertel nirgends entdecken. Daß unsere Frauen durch die „Modenschau" auf ihre Rechnung kamen, sei nur nebenbei bemerkt. Rasch entflogen so die Stunden. Zum Abschied fand sich ein Teil im Grandhotel „Pupp" zum Nachmittagskonzert ein. 30 Musiker spielten hier bei freiem Eintritt, und 70 Bedienungen sorgten in dem riesigen Garten für das leibliche Wohl der Besucher bei durchaus angemessenen Preisen. Doch es mußte geschieden sein. 18.16 Uhr entführte uns der Reichenberger Schnellzug wieder in die Heimat. — Mit Befriedigung kann die Vereins leitung auf die wohlgelungene Fahrt zurückblicken. WKSrsMchWgrn. Richard Blasius: Spione am Werk. Verlag Münz L Co., G. m. b. H„ Leipzig. Broschiert 2,50, Ganzleinen 3,50 RM. Das rastlose Schaffen des Verfassers, der bekanntlich «in aus Reichenau stammender geborener Lausitzer ist, zeigt gegenwärtig einen Höhepunkt seiner fruchtbaren und er folgreichen schriftstellerischen Tätigkeit: im laufenden Jahre ist es ihm schon jetzt geglückt, nicht weniger als sechs starke Romanbände unter Dach zu bringen. Der vorliegende Band behandelt in ungewöhnlich fesselnder Form die lebensgefährliche Minierarbeit des politischen und militä rischen Spähertums und gewährt überaus packende Ein blicke in dieses nicht ganz einwandfreie, aber doch nach den gegebenen Verhältnissen unentbehrliche Kapitel mensch licher Tätigkeit in lichtscheuer Verborgenheit. Das Werk schildert die wechselvollen Schicksale deutscher Männer und Frauen, die vor und während des Weltkrieges dem Vater lande auf ihre Weise dienten und hierbei den odiösen Ver kehr mit fragwürdigen Charakteren und zweifelhaften, ge sellschaftlich unebenbürtigen Persönlichkeiten in Kauf neh men mußten. Offenbar hat dem Verfasser gutes Quellen material zur Verfügung gestanden: seine bekannte packende Kunst der Schilderung läßt den Leser nicht aus ihrem Banne, und die Schlußfolgerungen des Verfassers betreffs der nach dem Versailler Diktat wehrlosen Auslieferung Deutschlands an die militärische und wirtschaftliche Feind spionage verdienen die ernsteste Beachtung aller guten Deutschen. Uwe Nomsen: Das Rätsel von Gray Cottage. Verlag Münz L Co., G. m. b. H„ Leipzig. Broschiert 2,60, Ganz leinen 3,50 RM. Weshalb der in der ganzen Lausitz wohlbekannte und geschätzte Verfasser es für zweckmäßig gehalten hat, sich für diesen gediegenen und höchst spannenden Detektiv roman eines Decknamens zu bedienen, will uns nicht recht einleuchten, nachdem wir diesen 286 Seiten starken Band mit verhaltenem Atem in einem Zuge verschlungen haben. Auch wer im allgemeinen kein Freund dieser Gat tung von Romanen ist, wird sich der fesselnd geschriebenen und stellenweise mit köstlichem Humor verbrämten Erzäh lung nicht entziehen können. Jedenfalls gehört die Arbeit zu den Besten ihrer Art, und kein Leser wird Sen Band unbefriedigt aus der Hand legen, vielmehr die Lösung des kunstvoll verschlungenen Knotens der Handlung mit un geteilter Aufmerksamkeit bis zum Schlußpunkt verfolgen. „Einer vom Brühl", Roman von Gustav Herrmann. Wilhelm-Goldmann-Berlag, Leipzig. Broschiert 3 RM. Gustav Herrmann ist in der Lausitz namentlich durch den Verband „Lusatia" und durch Darbietungen im Zit tauer Stadttheater als Vortragskünstler von Format be kannt geworden. Er hat aber auch als selbständiger Schrift steller einen guten Namen und gibt soeben in dem oben genannten Verlag den „Roman eines Pelzhänölers" her aus, der durch seine eigenartige Form in bemerkenswertem Maße unsere Aufmerksamkeit in Anspruch nimmt. Beim Aufschlagen des geschmackvollen Bandes s243 Druckseiten) finden wir uns unversehens in das Jahr 1080 versetzt, und zwar in eine wirtschaftliche Generalversammlung, deren Präsident einen Überblick über die fabelhafte Entwicklung menschlicher Kultur und Technik Im verflossenen halben Jahrhundert gibt. Im Stile eines Jules Verne oder Bel- lampv gibt der Verfasser mit üppig blühender Phantasie seinen Zeitgenossen einen Ausblick in eine schwindel erregende Zukunft. In diesen transzendentalen Rahmen ist der eigentliche Roman eingekapselt, der wie ein fossiles Dokument einer urzeitlichen Kultur aus den ältesten Be ständen des Archivs gezogen wurde und den staunenden Nachfahren zur Kenntnis gebracht wird. „Einer vom Brühl" ist ein Vertreter des schwunghaften Leipziger Pelz handels, dessen Lebensschicksale etwa die Zett von 1871 bis 1930 umfassen und dem Verfasser Gelegenheit geben, ein umfassendes und im höchsten Maße interessantes Bild des künstlerischen und gesellschaftlichen Lebens zu liefern, wie es während dieser Zeitspanne in der Pleißemonopole pul sierte. Gewisse Anzeichen lassen darauf schließen, daß der Kern der Erzählung der Wirklichkeit entnommen ist. Der Held der Geschichte neigte von früher Jugend an zur Be tätigung seiner künstlerischen Fähigkeiten, läßt sich aber nach schweren inneren Kämpfen dazu bereit finden, den Beruf des Vaters zu ergreifen. In dem gastfreundlichen Elternhause gingen die geistigen und künstlerischen Spitzen des damaligen Leipzig ein und aus: auch auswärtige Grö ßen wie Johannes Brahms verkehren daselbst. Und von den bedeutenden Leipzigern ziehen Gestalten wie Hedwig Neicher-Kindermann, Emil Götze-Schelper, Rudolf von Gottschall und viele andere an unserem innern Auge vor über. Ein gewaltiges Stück Kulturgeschichte in engstem Rahmen! Auch die wechselvollen Wanderjahre des Helden sowie die Bilder aus der Kriegs- und Nachkriegszeit ver raten den Darstellungskünstler. Zwischen all dem Ernst, Humor und Satire! Alles in allem: ein gutes und nütz liches Buch, das mit besinnlicher Nachdenklichkeit gelesen sein will. Bruno Reichard.