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300 Gberlaufltzer Helmaizekung Nr. is war. Die Gegenwart der schönen ehemaligen Spielgefähr tin war ein Tropfen mehr im Becher der Freuden, den ihm ! die Heimat zum Willkommen bot. Er wollte nicht säumig ' sein, diesen Becher bis auf den Grund zu leeren. Das Lärchen reis Überquellend voll von Licht stand die Sonnenschale am Himmel, und Stunde um Stunde tropfte sonnengolden her nieder. Jedes Ding war überzogen von Sonnenglast. Die Luft schwirrte im schwingenden Rhythmus des uralten Lie des vom Reisen, vom seligen Reisen zur Süße in flimmern der Sonnenglut. Die jungen halbflüggen Finken und allerliebste Meisen huschten zutraulich aus und ein in dem dicht umwachsenen Laubenhaus. Donatens Knabe wollte gerne eines der Vög lein Haschen, nicht um ihm wehe zu tun, nein, um das kleine Vogelherz an sein Kinderherz zu drücken. Aber so sehr sein Schmeichelstimmchen lockte, es ließ sich keines fassen. Seine Mutter beugte sich nieder, ihm die Betrübnis vom Mund zu küssen, gab ihm den Käfer, der sich zappelnd in ihren krausen Haaren verfangen hatte und trieb tausenderlei hold seligen Mutwillen mit dem Kinde, bis sie alle beide ihr Ge tändel in einem perlenden Lachen enden ließen. Der Mutter Stimme klang dabei gar nicht viel tiefer als des Kindes Silbergeklingel. Jakob Birckner schaute mit frohen Blicken auf sei» Weib und sein Kind und mit frohen Blicken auch auf den wunder schönen Garten, den er diesen beiden zuliebe geschaffen hatte. Da standen Fichten und Birken, die Donate so liebte. Jung waren zwar die Waldbäume noch, aber sie schossen kräftig und gaben von Jahr zu Jahr erquickenderen Schat ten. Blühende Büsche schütteten ihren Duft aus, und überall zwischen den schmalen Steigen bis hinunter zur Stadt mauer leuchtete es in allen Farben. Brennendrote Kresse, zierliche Verbenen, zartgefärbte Gladiolen, leuchtend-blauer Frauenschuh nickten im Winde. Kletterrosen, rot wie Bluts tropfen, und sammetdunkle Klematis wuchsen ineinander zu bogigem Gerank. Braungoldene Sonnenrosen und ko rallenblasse Malven hoben das Gesicht dem mütterlichen Sonnenlicht entgegen. Am prangenden Gedeihen dieses Gartens merkte man, daß alles von liebender Hand für ein geliebtes Herz gepflanzt, bestellt und gepflegt war. Jakob Birckner bog ein Rosenbäumchen an sich heran und wählte die schönste Knospe aus. Doch ehe er sie Donate an die Brust nesteln konnte, schellte es vorn an der Haustür, j Die Magd ließ den Bürgermeister Tanner ein. Er brachte noch einen Gast mit, der schon öfter durch diese Tür ge gangen war, Johannes von Haugwitz. Madonna im Grünen war des Bischofs erster Gedanke, als er vom dämmerkühlen Flur aus das sonnige Bild im Garten überblickte. Er hatte nicht unrecht. Wie Frau Do nate so in weinumrankter Laube saß, glich sie ganz einer jener lieblichen Gottesmütter auf den frommen Bildern. Ihre zierlich runden Glieder waren hoheitsvoll umbauscht von den hundert Falten des Kleides. Das braune Haar- geringel spann sich unter der weißen Frauenhaube hervor und überschattete das rosigschimmcrnde Antlitz der in ihr Mntterglllck versunkenen Fran. Ihre Arme umschlossen den schönen gvldhaarigen Knaben, der sich noch immer inniger in der Mutter Schoß schmiegte. Rings eingerahmt ward dieses Bild blühenden Lebens von tausendfältig lebendigem Blühen. Die Laube war ganz aus durchsichtigem Blattwerk gebildet. Fenster und Tür aus dem Gezweig geschnitten. Graue Steinblöcke lehnten von außen dicht au die Laub grotte. Silbertännchen und feinfiedrig entfaltete Farne ver deckten fast die schlanken Stengel der großen Glocken blumen, die ihre unhörbaren Melodien läuteten. „Euch ist viel schönes Glück zu eigen, Herr Kämmerer," lächelte der Bischof zum Gruße. Jakob Birckner ließ seine Augen allein antworten, dann sprach man von allerhand. Der Bischof erklärte, wie er bereits zu vormittäglicher Stunde hierher gelangt sei. Seine Stimme klang schwin gend, die heiße Luft hatte seine Bewegungen nicht träge ge macht, eher mit Unrast erfüllt. Die sonst kühlen grauen Augen waren heute voll tiefen Glanzes. Er berührte leicht hin, wie er letzte Nacht keinen Schlaf habe finden können und lange vor dem Morgengrauen schon durch seinen Be fehl zum Aufbruch die ganze Burg Stolpen aus der Ver schlafenheit aufgerüttelt habe. „Sind Euer Bischöfl. Gnaden auf Fischfang oder auf Jagd ausgewesen?" fragte Frau Donate. „Auf beides, oder eigentlich auf keines von beiden. Ich habe es den andern überlassen auf Beute auszugehn, mir war es meist darum zu tun, nach Herzenslust im Walde zu streifen und mir vom Morgentau die Schläfen netzen zu lassen. Ich bin auch ursprünglich nicht willens gewesen, mir Bischofswerda zum Ziel zu nehmen, bin vielmehr über Fischbach in die Masseney geritten. Nach einer Weile geriet ich unabsichtlich aus dem Walde auf die breite Dresdner Fahrstraße. Die närrische Lust stieg in mir auf, die Straße so weit zu verfolgen, bis von ferne die Stadt Bischofswerda sichtbar sei. Als sich aber einmal die Turmspitze von St. Marien zeigte, war an ein Umkehren nicht mehr zu denken. Zu euch hat es mich förmlich hierher gezogen. Warum sollte ich nicht auch dem Bürgermeister einen Morgenbesuch ab statten? Doch erst wenige Schritte vor Birckners Hause fand ich ihn. So will ich denn hier im Freundeskreis ver gnügliche Rast halten." Vom Seigerturm auf dem Rathaus fielen elf häm mernde Schläge. So neu war dieser Klang noch im ganzen Städtchen, daß alle aufmerksam den Stunöenschlag anhör ten. Der Wind brachte jetzt einen leicht süßlichen Geruch mit, der aus den vielen Malzhäusern aufstieg und anzeigte, daß Montag war. Fast alle Bürger brauten. Während des Gespräches hatte niemand in der Laube darauf geachtet, daß Agnes von der Gasse ins Haus getreten war. Nur der kleine Martin kletterte ihr eifrig über die Gartentreppe entgegen. Froh bestürzt über den Besuch, dessen Person sie blitzschnell erriet, stockte Agnes Fuß einen Augenblick, ehe sie die Stufen herabschritt und sich zu den anderen setzte. Am Arme hing ihr ein Körbchen mit köstlichem Obst, wie es der späte Sommer schenkt. Das Mädchen selber glich einer reifen Frucht von verlockender Süße, zumal die lange Reihe der sonnigen Tage ihre Wangen bräunlich ge tönt hatte, wie die sonnenwarme Haut der Pfirsiche. Ihre Augen glänzten brennend schwarz wie Beeren an der Hecke. Donate fragte nach hausfraulichen Dingen vom Wochen markt, wo Agnes eingekauft hatte. Die Läden in den Rat hausgewölben gefielen ihr immer so gut, plauderte Agnes. „Hast du auch die steinernen Flaschen am Rathaus ge sehen," mischte sich Birckner ein, „darein man neuerdings alles Weibervolk stecken will, das mit loser Zunge Unheil ungerichtet hat? Sieh dich also ja vor, und du auch Donate, wenn du wieder einmal mit mir dich häkeln willst. Das Gesetz darüber ist eben erlassen, und der Rat läßt nicht mit sich spaßen." Die Frauen lachten ob der Neckerei. Liebenswürdig gab der Bischof dem Gespräch eine andere Wendung. Aus der Tasche seines Jagdrockes langte er einen kleinen, schar fen mit gekrümmten Widerhaken versehenen Pfeil. „Der stammt sicherlich von einer hussitischen Armbrust," mutmaßte Agnes, „ich habe schon manches Mal um Stolpen herum nach einem solchen Pfeil gesucht, doch stets ver gebens." Spielend streckte sie die Hand nach der einst furchtbaren kleinen Mordwaffe aus, und der Bischof legte sie ihr gern in die schlanken Finger zu näherer Betrachtung. „Ihr ur teilt richtig, Base Agnes, es ist ein Hussitenpfeil, den ich erst unlängst auf einem frischgeackerten Felde liegen fand