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den Kollekteuren scharf auf den Fersen. Das Herbeischaffen der Gewinngelder war schwierig, und mehr wie einmal sollen die Häscher das abgehobene Geld gefunden und weg genommen haben. So kam es, daß das Geschäft nicht mehr recht in Schwung kommen wollte. Im Jahre 1812 soll es ge wesen sein, da kam ein Mann aus Böhmen und quartierte sich im letzten Hause von Schirgiswalde auf der Straße nach Sohland zu ein. Damals reichte der Wald bis nahe an die Stadt. Der Fremde soll aus der Nähe von Böhmisch-Kam- nitz gewesen sein. Es dauerte gar nicht lange, wußte man im ganzen Stäötlein, daß der Fremde eine Lottobank hielt und selbst den Bankier spielte. Er faßte das Geschäft klüger an wie seine Vorgänger. Er setzte seine Nummern gar nicht drüben im Böhmischen, sondern legte ein Konto an, in das er die gesetzten Nummern eintrug. Sobald in Prag oder Brünn die Nummern gezogen wurden, ging er ohne Geld hinüber nach Warnsdorf, schrieb sich die Gewinnzahlen auf und daheim malte er sie mit Kreide an seine Stubentür. Wenn die Kunden kamen, so konnten sie selbst lesen, ob sie etwas gewonnen hatten, und der Bankier zahlte die Ge winne aus. Was übrig war, blieb sein, und das war jedes mal das meiste. Er hielt also selbständig Bank und ließ nur die österreichische Regierung für sich ziehen. Es dauerte nicht lange, gehörte ihm das Häuschen, und da er oftmals eine erkleckliche Summe Spielgelder aufzubewahren hatte, sorgte er für gute Bewachung, indem er sich zwei handfeste Männer und mehrere Hunde hielt. Sein Geschäft wuchs zusehends. Bis von Bautzen her kamen die Leute, um zu setzen, und das waren nicht nur arme Hungerleider. Da nicht jedermann Zeit hatte, einen so weiten Weg zweimal nach Schirgiswalde zu machen, so fanden sich allmählich Männer, die die Nummern und die Einsätze der Kunden sammelten und beides beim „Winkel bankier" ablieferten. Diese hießen Einschreiber. Sie über brachten den Gewinnern die Gewinne. Es wird aber er zählt, daß sie jedesmal viel mehr Geld beim Bankier ab lieferten als hinaustrugen. Der Winkelbankier muß ein fleißiger Mann gewesen sein, denn er besorgte seine Geschäfte alle selbst. Er kassierte die Beträge ein, buchte die Nummern und gab anfangs jedem Spieler ein Zettelchen als Quittung mit. Zum „Nummern holen" nach Warnsdorf schickte er einen ver läßlichen Boten. Der geringste Einsatz war 3 Kreuzer. In der Winkelbank zu Schirgiswalde konnte man aber auch sächsisches Geld setzen. Das Geschäftsgebaren war kurz und bündig. Kamen die Spieler, um sich zu erkundigen, ob sie gewonnen hätten, so sah der Bankhalter in die Liste. Hatten sie eine Niete, so ragte er: „Blau." War ein Treffer zu verzeichnen, so gin; er zur Gelükiste und zahlte den Be trag, ohne eine Wort zu sagen, aus. So kam es, daß man die Lotterie des Winkelbankiers „blaue Lotterie" nannte und man von denen, die nichts gewonnen Hatten, sagte, „er ist blau angelaufen". Infolge der Spielwut, die damals herrschte, und durch die Einschreiber, deren mehr als ein Dutzend für die Schirgiswalder Winkelbank im Lande um herzogen, herrschte zur Spielzeit im Wtnkelbankhause großer Betrieb. Bis in die Nacht hinein standen die Leute und warteten, bis sie an die Reihe kamen. Oft sollen die Geldkisten nicht zugelangt haben, so daß des öfteren die Kreuzer, Taler und Gulden in einen Trog geworfen wur den. Kein Wunder, daß unter der Bevölkerung gar bald die unglaublichsten Gerüchte vom Reichtum des Winkelbankiers umliefen. Mehr wie einmal sollen Einbrüche versucht wor den sein, doch niemals konnten die Diebe etwas anderes erbeuten als eine Tracht Hiebe. Man erzählte von ihm, er sei mit dem Teufel im Bunde und deutete die Zeichen, die sich der Bankier an den Wänden und Türen gemacht hatte, als Verschreibungen mit dem Bösen. Er soll einen „Spitz namen" erhalten haben, nämlich Rotschild. Der Winkelbankier zeigte sich in der stillen Geschäfts zeit gern als „nobler Herr". Wenn er in die Schenke kam, zahlte er vielen und ließ „etwas drauf gehn". Deshalb be saß er zahlreiche Freunde. Trotzdem wurde er vielfach be trogen. Sowie geriebene Gauner erfuhren, welche Num mern gezogen worden waren, versuchten sie auf gefälschte Zettel Gewinne einzuheimsen. Wer erwischt wurde, erhielt von den Gehilfen des Bankiers eine Tracht Prügel. Oft mals soll es zu blutigen Schlägereien gekommen sein. Rot schild wurde verhaßt und konnte sich nirgends sehen lassen. Es wurde immer schwieriger, Ordnung zu halten. Der Bankier wurde mißtrauisch und witterte überall Verrat. Er wurde tagelang nicht sichtbar, und eines Tages war er verschwunden. Er soll nach Böhmen geflohen sein und in der Gegend seiner Heimat eine Winkelbank aufgetan haben. Bon einer solchen wird in der Nähe des Rosenberges berichtet. Ob es der einstige Schirgiswalder Rotschild war, der sich hier festgesetzt, ist nicht nachzuweisen. Es wird uns berichtet, daß auch hier sich viele böse Dinge zugetragen hätten und der Bankhalter als armer Mann gestorben sein soll. In Schirgiswalde entstanden gar bald zwei neue Winkelbanken, deren Geschäfte jahrelang sehr gut gingen, bis ihnen endlich das Handwerk gelegt wurde. Binnenseebad Hirschberg in der Tschechoslowakei An der Strecke Georgswalde—Ebersbach— Prag finden wir es, das erste Seebad der Republik, Hirschberg-Tham- mühl, noch vor wenig Jahren wenig genannt und gekannt, und heute — ein vielbesuchter, mächtig aufblühender und neben zahlreichen Badegästen einen starken Wanderstrom anziehender Doppelkurort. Mit seinen 380 Hektar Wasser fläche gilt Ser Hirschberger Großteich als das größte Wasserbecken des mit Reizen der Natur reich geseg neten Böhmerlandes. An des Teiches südwestlicher Aus buchtung liegt nahe dem Bahnhof des Städtchens der Hirsch berger Badestrand, an seinem Nordwestende der von Tham- mühl. Beide haben ihre besonderen Vorzüge: der Hirsch berger Strand ist umfangreicher, der Thammühler dagegen landschaftlich überaus fesselnd gelegen. Der von formschönen Waldbergen umrahmte Großteich wirb von vielen aus sei nem Grunde hervorbrechenden Quellen gespeist, erhält aber auch bedeutende Zuflüsse aus dem östlich befindlichen Heide mühlteiche und dem südlich von Hirschberg gelegenen Tschöpelteiche. Seinen Abfluß hat er in den immer mehr versandenden Hirnser Teich, von wo aus sein Gewässer durch den malerischen Höllengrund dem Polzen bei Böh- misch-Leipa zufließt. Der Botaniker findet an seinen Ufern eine reiche und seltene Ausbeute, unter den Kindern der Flora erblüht hier als Seltenheit ersten Ranges die sibi rische Goldkolbe (Sigularia sibiria). Der Teich umschließt auch zwei größere Inseln: das von einer malerischen Sandsteinfelsgruppe gebildete „Mäuseschloß" und die schilf grüne „Enteninsel". Beide sind vielaufgesuchte Nistplätze für allerlei Wassergeflügel, zur Herbstzeit halten sich des öfteren daselbst nordische Vögel, aber auch See- und Fisch adler und Fischreiher auf, im Frühling sind Störche gern gesehene Gäste. Sehr zu begrüßen ist es, daß das Mäuse schloß als Naturschutzgebiet erklärt und sein Betreten streng verboten ist. An die Felsinsel knüpft sich eine ähnliche Sage wie an den Mäuseturm bei Bingen am Rhein. Sie berichtet von einem grausamen Ritter Panzer, der sowohl auf dem südlichöstlich am See emporragenden Klutschken als auch auf unserer Insel ein Schloß besaß und zur Strafe für sein unmenschliches Treiben von den seine Getreidevorräte aus zehrenden Mäusen in ein Jnselschloß verfolgt und dort bei lebendigem Leibe aufgefressen wurde. In der Tat sehen wir an dem Felsen deutliche Reste von altem Gemäuer, auch tiefer unten ist bei niedrigem Wasserstand solches bemerkbar.