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täglichen Verkehr untereinander wendisch sprechen. Wendisch ist eben ihre Muttersprache. Die panslavistischen Bestrebun gen einzelner, die vor einigen Jahren versuchten, Einfluß zu gewinnen, haben nicht Wurzel schlagen können. Die Dörfer liegen verstreut, sind meist klein, die Giebel seite der Häuser der Dorfstraße oder dem Dorfanger mit Dorfteich zugekehrt. Manch schönes altes Gehöft mit dem großen Torbogen an der Einfahrt und der Bühne unter dem Dache ist noch zu erblicken. Dann die stolzen Herren sitze und Schlösser: Königswartha, das trotzige Mittel, das zu heiterem Lebensgenuß erbaute Neschwitz, das neuzeitliche Kauppa, das feste Baruth, Gröditz usw. mit ihren Park anlagen, von denen einzelne, z. B. Neschwitz und Milkel, als wahre Perlen alter Gartenkunst zu bezeichnen sind. In den beiden letzten Jahrzehnten hat auch die Indu strie Eingang gefunden, Kohlen- und Tonwerke sind ent standen. Leider hat der Tagebau einige Dörfchen verschlun gen, aber neues Leben blüht aus den Ruinen. Neuzeitliche Siedlungen sind gegründet, und wohl auch im entlegensten Heidedörfchen strahlt jetzt das elektrische Licht. Mehrere Eisenbahnen durchziehen das Gebiet: Kamenz—Senftenberg, Bautzen—Hoyerswerda, Radibor —Weißenberg: auch der staatliche Kraftwagenverkehr hat bereits eingesetzt. Früher wurde die Gegend oft mit dem Spottnamen „Wendische Walachei" benannt. Wer aber heute die schmucken Dörfer mit ihren Schlössern und Parkanlagen sieht, die lichten Auen und träumerischen Seen und Teiche, die ge pflegten Wälder und Felder, die neuzeitlichen Maschinen, die allerorts in Gebrauch sind, der wird anerkennen müssen, daß dieser Spottname ganz und gar keine Berechtigung hat. Dieses Gebiet hat nun der Gebirgsverein Bautzen und Umgebung durch mehrere Wanderwege auch für den Wan derverkehr erschlossen. Zwei große Längswege hat er mit farbigen Wegezeichen versehen. Der erste geht von Kamenz aus, Wegezeichen wagerechter blauer Strich. Er beginnt an der Uferstraße, führt nach Deutschbaselitz (ein Nebenweg: senkrechter blauer Strich, geht von hier um den prächtigen Deutschbaselitzer Großteich, den größten Teich Sachsens, über Piskowitz nach der Wallfahrtskirche Rosenthal, nach den Bädern in Schmeckwitz und nach Kloster St. Marien- stern) und durch Heide- und Auwald nach Ralbitz und Königswartha, über den Eichberg (geologisch und geschicht lich bemerkenswert) nach Hermsdorf an der Spree, in das Lippitsch—-Mitteler Teichgebiet, durch die Lausitzer Dünen landschaft in das Rauben-Mönauer Teichgebiet und nach Lieske, Neudorf an der Spree, Halbendorf-Geißlitz, Dauban, Weigersdorf, Oberprauske mit Hoher Dubrau, Großradisch und endigt in Weißenberg. Der zweite beginnt in Pulsnitz, Wegezetchen grünes Dreieck. Er verbindet die Jugendherbergen des Gebietes: Pulsnitz, Panschwitz bei Kloster St. Marienstern, Groß dubrau, Halbendorf an der Spree (im Bau). Von Pulsnitz aus folgt er zunächst dem Kammwege (Wz. blauer Kamm) bis zum Schwebenstein, geht dann über Obersteina nach dem Landstädtchen Elstra, Kloster St. Marienstern, Crost witz, Neschwitz, an den Mitteler Großteich, Milkel, Kauppa, Commerau, Halbendorf an der Spree. Hier trifft er auf den von Kamenz kommenden Längsweg (Wz. blauer Strich), der bis Weißenberg führt. Das grüne Dreieck leitet weiter über Lömischau in das Guttauer Teichgebiet und bis Bahnhof Guttau der Weißenberger Linie. Wer die Wanderung abbrechen will, kann dies an den verschiedensten Punkten tun. Übersichtstafeln mit Wegenetz sind in Königswartha, Hermsdorf, Milkel angebracht. Gut bezeichnete reizvolle Wanderwege leiten nach den Bahn stationen des Gebietes, nach Neschwitz, Quoos, Radibor, Großdubrau, Klix, Guttau. Von ihnen ist Bautzen, das viel getürmte, der Hort alter Städteschönheit, in kurzer Zeit zu erreichen. Wer unsere Lausitzer Heide- und Teichland- fchaft besucht, wird nicht enttäuscht fein, der wird auch dieses Heimatgebtet liebgewinnen. I. Frenz el. i Der Winkelbankier (Um 1820) Von Franz Rösler, Schirgiswalde Das Städtchen Schirgiswalde ist in früheren Zeiten ein gar armseliges Nestlein gewesen. Außer den beiden Grund herren gab es nur arme Leute: Halbbauern und Klein gärtner. Pfarrer und Lehrer, die auch nur wenig zu beißen hatten, galten schon als wohlhabende Leute. Und still ging es hier zu. Lag der Ort doch abseits der großen Handels straßen. Gleichwohl fanden sich die spürnasigen Hussiten und die rohen Soldaten des 30 jährigen Krieges hierher und hausten wie die Hunnen. Das einzige, was etwas Leben ins Städtlein brachte, das waren die Kunden des kaiserl. und königl. österr. Lottos, das zur Zeit der Wende des 19. Jahrhunderts im Hause Nr. 6 seine Unterkunft hatte. Denn es versteht sich, daß Schirgiswalde als Teil des böh mischen Königreiches auch eine Lottokollektion besaß. So manches Weiblein und Männlein lenkte damals seine Schritte nach Schirgiswalde und stand lange vor den Lotto tafeln, die an dem Hause hingen, und starrte sie an, der weil die Finger krampfhaft die paar armseligen Kreuzer oder Groschen umschlossen Hielten. Die Schirgiswalder aber waren stolz auf ihr Lotto, wenngleich sie vielleicht am wenigsten Geld dahinschafften, denn sie hatten nicht viel. Als nun anno 1809 die Abtrennung der Enklave vom Mutterlande Böhmen erfolgte, da wurde auch die k. u. k. Lottokollektion „aufgelassen". Ärgerlich nahm der Kollek teur die Nummertafeln weg von der Hausfront und räumte sie nebst den Nummern auf den Boden, wo sie heute noch liegen. Die Leute aber barmten und klagten: „Ach du meine Güte! Alles nehmen sie uns! Den Amtmann, die zollfreien Waren und nun auch noch das gute Lotto!" Wirklich gab es auch für zwei Jahre hindurch keine Lotterie mehr in Schirgiswalde, und der ehemalige k. u. k. Kollekteur mußte sich eifriger seinem Ladengeschäft zuwen den wie vorher, wenn er nicht verhungern wollte. Aber die Spielwut liegt tief im Menschen. Manchen hat sie ge packt wie eine Krankheit. Kein Wunder, daß so mancher bei Nacht und Nebel hinüber ins Böhmische wanderte und dort seine Kreuzer auf die geträumten Nummern setzte. Leicht ging das aber nicht. Die Wege waren schlecht und unsicher, und erwischen durfte man sich dabei auch nicht lassen. Eines Tages raunte ein Nachbar dem andern eine ge heimnisvolle Nachricht zu. „Du," sagte der Kleingärtner Naz zum Hechelmacher Eiselt, „hast es schon gehört? Setzen, wenn Du willst, ins Lotto, da brauchst nicht mehr ins Böhmen nüber. Wir haben wieder eins. Aber pst!" Und der Hechelmacher nickte verständnisvoll und zwin kerte mit den Augen: „Ich weiß schon, Naz. Hab schon meine Nummern ge setzt!" „Ach so, das ist was anders. Brauch ich Dir nichts zu erzählen." Und so war es wirklich. Droben im Oberdorfe war ein Mann auf den klugen Gedanken gekommen, Einsätze fürs Lotto zu sammeln und die gewünschten Nummern drüben in Schluckenau zu setzen. Nun mußten nicht mehr so viele Leute dahin wandern. Der „neue Kollekteur", wie man den Mann bald „benihmte", besorgte das Geschäft vorzüglich, natürlich nicht umsonst. Zuerst ging das Geschäft gut, sogar sehr gut, und es dauerte nicht lange, machte ein zweiter Kol lekteur unten in der Nähe des Marktes seine Bank auf. Dessen Geschäft ging bald noch besser, wie das seines Kol legen im Oberdorfe. Denn zu dem Marktbankier fanden die Leute der Umgebung eher den Weg als wie hinauf auf den Fuchsberg, wo es nicht immer ganz geheuer sein sollte. Aber die Grenzwache, die sächsische wie die böhmische, war