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im Schatten des größeren Meisters gelebt und gewirkt. Dasselbe gilt in gewissem Sinne auch von August Heino (1847—1917). Seine Heimat ist Bautzen. Er ist derjenige Landschaftler des 19. Jahrhunderts, der im Bautzener Stadtmusenm am reichsten vertreten ist. Genannt seien von ihm die bekannten „Große Kiefer in Nieder- gurig", das „Eierschieben auf dem Proitschen- berge", die „Ruine der M ö u ch s k i r ch e", alles Bautzener Motive, ferner sein „Selbstbildnis". Er ist aus einer uralten Bautzener Familie gebürtig, deren Mit glieder auch im Bautzener Nate gesessen haben. Heute ist ein Träger des Namens Heino in Bautzen nicht mehr vor handen. Heino hat sich nach vielen Reisen enttäuscht in die Stille zurückgezogen, weil er nicht das an Leistungsmöglich keit fand, was ihm als Ideal vorschwebte. So zeigt ihn auch das schon genannte Selbstbildnis: mit heißen, die Welt durchdringenden Augen. In diesem Gemälde zeigt er sich ganz als Nachfahre der Anhänger der nazarenischen Auf fassung. Mit Thomas kann man ihn insofern nicht auf eine Stufe stellen, als er sich nicht auf das Wort des Meisters etnschwört. Außer Ludwig Richter stehen ihm noch andere Anreger zur Seite, so vor allem Friedrich Preller mit klassizistischer Einstellung. Gleichwohl kam Heino selbständig zu einer Art impressionistischer Auffassung, wie sie nament lich im „Eierschieben" klar zum Ausdruck kommt. Heino rang darnach, von sich selbst aus zu einem unabhängigen Weg zur Auffassung der Natur zu gelangen. Das ist ihm bis zu einem gewissen Grade auch gelungen. In diesem Zusammenhänge verdient auch Gustav Adolf Bradel (1841—1886) genannt zu werden, ebenfalls ein Bautzener. Er ist nicht eigentlich Maler, sondern Photo graph und hat nicht die letzten Feinheiten künstlerischer Ansdrucksmöglichkeiten errungen. Nun aber treten in der Lausitz Künstler hervor, die das impressionistische Feldgeschrei am reinsten zum Ausdruck bringen und selbst eine führende Rolle innerhalb der im pressionistischen Bewegung spielen. An ihrer Spitze steht der in diesem Jahre verstorbene Max Arthur Stremel (geb. 1859 in Zittau), der zuletzt in Ulm lebte, mit dem „Bel gischen Gutshof" und einem „Jnnenraum in Weiß", neben ihm Rudolf Schramm (geb. 1874 in Zit tau). Beide Künstler sind für uns von Bedeutung nicht nur darum, weil sie unsere Landsleute sind, sondern weil sie auch anderwärts Ruhm und Anerkennung in reichem Maße gefunden haben, wenngleich es beiden nicht gelungen ist, sich eine derartige Position zu schaffen, daß sie — über alle Notdurft des Lebens erhaben — nur ihren künstleri schen Neigungen leben konnten. Beide vertreten die pro grammatischen Ziele des Impressionismus in einer aus gesprochenen und ausgezeichneten Weise. Künstlerisch sind beide ohne Zweifel einander ebenbürtig. Schramm ist der große Organisator und Propagator. Es war die Tragik im Leben Stremels, daß er sich nicht durchzusetzen vermochte. Verärgert zog er sich nach Ulm zurück, das ja auf künstle rischem Gebiete nicht gerade ein Zentrum genannt werden kann. Auf dem Bilde „Belgischer Gutshof" ruht ein ge wisser atmosphärischer Druck,- alle Konturen sind aufgelöst, alle historischen Einzelmomente zusammengefaßt. Gerade darin erkennt mau überzeugend den großen Impressio nisten. Stremel ist in vieler Hinsicht als ein Künstler zu be zeichnen, dem die Wiedergabe der atmosphärischen Reize am feinsten gelungen ist. Für uns Lausitzer besonders inter essant ist sein Versuch, das Interieur in einer Weise zu er fassen, die auch heimatlich packend, bodenständig ist. Dieser „Jnnenraum in Weiß" ist ganz zweifellos eine lausttzer Stube. Die liebevolle Bewältigung aller kleinsten Reize tritt hier überzeugend in Erscheinung. Ganz anders Schramm. Er hat frisch hineingegriffen in alles, was im Impressionismus in der Natur ihm reiz voll ist. Mit großen Problemen hat er sich nicht herum geschlagen. Sein Bild „H ühue r" zeigt ihn als den impees- sionistischen Tiermaler. Als solcher hat er eine große Be deutung erlangt. Zu den jüngeren Vertretern des Impressionismus ge hört William Krause (1875—1925), ein Dresdner, der aber den Lausitzern als Wendenmaler bekannt ist. Als sol cher stellt er sich auch vor in seinem Bilde „Wendischer Gottesdienst". Typisch ist daraus die Art der Darstel lung: das von hinten ins Kircheninnere einfallende Licht, das Sie weißen Hauben der Zuhörerinnen umspielt, das übrige der Kirche ist in Schummrigkeit getaucht. Die Wiedergabe des Porträtmäßigen tritt ganz in den Hinter grund. Auch Adolf Fis cher-G urig (1860—1918) muß in diesem Zusammenhänge genannt werden. In seinem Bilde „Blick auf Bautze n" ist der Versuch gemacht, durch eine kühne Baumkulisse das Bild selbst etwas zurückzu drängen und räumlich tiefer zu gestalten. Wenn dies auch nicht ganz gelungen ist: die Stimmungsmomente hat der Künstler zweifellos richtig aufgefaßt. Ähnlich ist die Wie dergabe der atmosphärischen Feinheiten bei dem Löbauer Maler Hans Lindner (geb. 1885 in Nossen), von dem das Museum das Bild „Fu n ken h a g e n" erworben hat. Die Verwandtschaft mit Fischer-Gurig ist ins Auge sprin gend. Lindner liebt einen tief nach hinten liegenden Hori zont, der dem Bild eine große Tiefe verleiht. Immer wie der reizt ihn die Bewältigung atmosphärischer Spiele. Eine charakteristische Fortsetzung der Auffassung Kuehls hat Rolf Friedmann (geb. 1878 in Kischinew) gefunden, der jetzt in Bautzen lebt. Er hat die Lausitz unzählige Male im Bilde festgehalten. Ein tragisches Geschick liegt über dem Bautzener Maler Max Poldrack (geb. 1884 in Bautzen- Seidau). In seinem Bilde „Lausitzer Bauernstube" stecken große Feinheiten, die zu den besten Hoffnungen für das Schaffen dieses Mannes berechtigten. Leider hat ihm eine Geisteskrankheit den Pinsel aus der Hand genommen und hieß ihm, einen Teil seiner Bilder selbst vernichten. Poldrack ist einer der tüchtigsten Vertreter malerischer Kul tur in Bautzen um die Jahrhundertwende und ist es wert, daß sein Name der Nachwelt erhalten bleibt. Der Ausklang des Impressionismus führt zu dem Loschwitzer Maler Hans Unger (geb. 1872 in Bautzen). Das Museum ist in der glücklichen Lage, mehrere seiner Bilder sein eigen zu nennen. Er verfolgt zweifellos impres sionistische Ziele und hat sich mit dem Impressionismus zweifellos auch auseinandergesetzt. Aber im Anschluß an die Deutsch-Römer sucht er einen eigenen, großzügigen, ideal-dekorativen Stil zu schaffen, der bei Verwendung impressionistischer Feinheiten doch eben die Groß-Figur in den Mittelpunkt rückt. Die letzten Jahrzehnte hat er sich dazu hindurchgerungen, den großen Akt in der Landschaft wiederum zu malerischem Hauptmotiv zu gestalten. Sein Bild „Jugend und Tod" ist das Ergebnis dieses Stre bens. Hier wie auch in dem Bilde „M e e r l a n d s ch a s t" ist die malerische Oberfläche aufgelöst in großfleckige Einzel bezirke. Diese Art der Malerei bringt ihn schon wieder dem Kubismus näher. Was Unger den Kunstfreunden unserer Tage besonders nahe bringt, sind seine großen Frauen köpfe und Frauenhalbfiguren. Auch sie zeigen den groß flächigen, dekorativen Stil. Besonders bekannt geworden aber ist Unger durch seine Rosenstilleben, wie ein solches auch im Foyer des Dresdner Staatlichen Schauspielhauses hängt. Sie zeigen bei aller diskreten Dämpfung der male rischen Oberfläche alle Üppigkeit des Südens in den Farben. Otto Wilhelm Merseburg lebt einsam auf einem Bauernhof in Küpper bei Görlitz. Er übernimmt nicht einfach die Rezepte der Kuehlschule, sondern steigert die bodenständigen Motive, die — wie seine „Lausttzer Landschaft" erkennen läßt — in gewissem Sinne an Segantini erinern. Allen den zuletzt Genannten ist eigen ein inneres Verwachseusein mit dem Boden der den Künst ler umgebenden Landschaft. Die Menschen aus diesem Boden sind völlig begriffen und überzeugend dargestellt.