Volltext Seite (XML)
„Fer die Goatcht ös de Wochkoann oh gutt gnung," rief sie und goß die braune, dünne Brühe in eine blaue, verräucherte, irdene Kanne, deren Schnäuzlein schon seit undenklichen Zeiten fehlte. Eduard meinte vorwurfsvoll, mit der Kanne werde sie nicht viel Ehre einlegen, aber sie erklärte: „Groad su oill wie die Krautns mit iährm Toffl vo Jong." So nahm also das Unheil seinen schicksalgewollten Gang. Ruth deckte im Stüblein neben der Gesindestube den Tisch, überlegte aber, daß sie noch mehr austrumpfen könne, wenn sie den Besuch in die Gesindestube lade. Flugs riß sie das Tuch wieder ab, rannte in die große Nebenstube und warf es dort über den Tisch. Eduard hatte das nicht mehr mit angesehen, war vor die Tür getreten und rief den Draußenstgenden zu: „Heda, Jähr füllt Koaffee trinkn komm." Da Tonl bereits auf dem Wege zum Hause war, nickte er befriedigt mit dem Kopfe und sagte zu dem Alten, da passe es ja gerade, daß er schon unterwegs sei, worauf er im Hause verschwand. Auch Lenore stand eiligst auf, von der Aussicht auf einen guten Nachmittagskaffee erfreut, erklärte aber erst dem Nachbar August, es sei ihr lieb, wenn man sich ihretwegen keine Umstände gemacht habe. „Dorscht hoa 'ch oh," gab dagegen Gotthelf offen zu und stand gleichfalls auf. Seine Frau wollte zeigen, daß sie sich zu benehmen wisse, also mit der Art und Weise ihres Mannes nicht zufrieden sei und nannte ihn einen groben Kerl, der nicht wisse, was sich schicke. Da explodierte aber der so lange verhaltene Groll Gotthelss doch einmal. Grade die, über deren Verhalten er sich hätte grün und blau ärgern mögen, die wollte ihm da Verhaltungsmaßregeln geben? Er sah sie spring giftig von der Seite an und entgegnete höhnisch: „Nö nö, mer spricht: .Macht'ch ock ja keen Omständ!' Ond derbei sticht mer schonn osn Sprung, doß mer iber d' Koaffeeplemb harfoalln koan." Für seine Verhältnisse war das eine ziemlich lange Rede. Lenore wunderte sich denn auch so darüber, daß sie ganz vergaß, die darin enthaltenen Anzüglichkeiten zu quittieren. Sie sagte nur vorwurfsvoll: „Wie konnst ock Koaffeeplemb soin? Ofn Riegergutt gibt's an gutn Koaffee." Aber Gotthelf blieb bei seiner Meinung und erhärtete sie damit, daß Kaffee immer Plembe sei und er sich ein Bier vorziehe. Lenore sah ein, daß mit dem Manne heute nicht in Gutem auszukommen war, drehte er es doch darauf an, sie zu ärgern. Aber das letzte Wort gönnte sie ihm doch nicht und schnauzte daher grimmig: „Mit där wörd 's orndlch voll Tag schlömmer. Du host bahl goar kee Böhl Labnsoart mih." „Wenn Du 's soist, wörd 's schonn su sein," betete Gotthelf wieder seinen Leibspruch. Doch er kam recht höhnisch von den Lippen. Als sie alle drei in das Haus gehen wollten, kam eben der Robert Wießner, der Viehhändler, auf den Hof und fing den Bauer ab, mit dem er um ein Kälbchen zu feilschen begann. Nun, das Geschäft geht vor, auch am Sonntag. August bat seinen Besuch, sich's in der Stube bequem zu machen, und blieb bei dem Händler stehen. Das Paar trat in die Hausflur und wollte die Treppe hinauf steigen, war es doch der sicheren Annahme, daß der Kaffee oben in der guten Stube getrunken würde. Da hörten sie Tonls Stimme in der Gesindestube. Lenore riß die Tür auf und sah einen gedeckten Tisch. Sie meinte, das sei doch zu viel, daß man dem Gesinde auch noch den Tisch decke, man verwöhne die Leute ja damit nur. Ja aber, da saß ja der Tonl hinter dem Tische und sah sehnsüchtig in der Runde umher, wo denn nun Semmel oder Kuchen bliebe. Lenore sah ihren Mann verwundert an. Sollten sie etwa gar hier in der Gesindestube essen? Da trat auch schon Ruth zu ihr und sagte schnippisch, es könne los gehen. „Woas denn?" fragte Lenore pikiert. „'s Koaffeetrinkn", war die kurze Antwort. Und wirklich zitierte das Mädchen die Besucher an den gedeckten Tisch in der Gesindestube. Lenore glühte vor Wut über und über. Was sollte das bloß heißen? „Jähr Hot wühl Moler drüben?" fragte sie giftig. „Keen Spur, woaröm denn?" lautete die Gegenfrage in scheinheiliger Unbefangenheit. Lenore hustete nur anzüglich. „Oach su", ließ sich da Ruth hören, „'s is Euch wühl ne gutt gnung do drinne? 3a, mär assn ömmer mit e dar Stub. Su grußoartg sein märsch ne gwohnt." Lenore fand kein Wort der Erwiderung. Sie musterte den gedeckten Tisch. Das war ja der reine Hohn, wie der aussah. Ein Tischtuch lag zwar auf, aber ein an allen Ecken und Enden gestopftes. Seit wann empfing man das Krautbauerpaar derart? Und nun vollends gar die zerschlagene, verräucherte Kaffee» Kanne! Der Lenore war der Appetit plötzlich verflogen Aber sie setzte sich an den Tisch und sagte mit osten tativer Schärfe: „Dorscht hoa 'ch kenn." Gotthelf setzte sich gelassen daneben und schob seine Tasse von sich. Kaffee war nun einmal nicht sein Fall. Doch Ruth war schnell bei der Hand, schenkte dem Bauer ein Glas Bier voll, der Lenore aber goß sie die auf gebrühte Zichorie in die Tasse, um zu verhindern, daß die wirklich den Trank zurückwies. Ihr wäre doch der ganze Spaß verdorben worden, hätte sie nicht das Ge sicht sehen können, nachdem Lenores Zunge das Getränk gekostet hatte. Und sie trank wirklich, verschluckte sich dabei vor Schreck und verdrehte die Äuglein wie ein Huhn, das an einem Regenwurme zu ersticken droht. Ein schneller Blick des Argwohns schoß nach Ruth. Aber diese hatte sich schnell umgewandt und sah zum Fenster hinaus. Alle zehn Finger der Krautbäuerin trommelten wütend aus der Tischplatte. Auch sie hatte jetzt die Tasse von sich geschoben und zwar mit so energischem Ruck, daß der Zichoriensaft zum Teil auf die Tischdecke geschweppt war. Ruth konnte ihr Lachen kaum noch verbeißen und lief darum schnell zur Tür hinaus. An der Haustür stand der Vater noch mit dem Händler und fragte ver wundert: „Nanu, iech denk, 's wörd Koaffee gtrunkn." „Nu freich, iech hoan doach groad ufgtroin." „Na ond Du?" Es war doch ganz aus der Art, den Besuch allein sitzen zu lassen. (Fortsetzung folgt.)