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Aus den Memorabilia zu Reichenau Entstehung eines schrecklichen Kriegs und dessen Folgen Aus allen Aufzeichnungen geben wir hiermit ein Kapitel aus den Befreiungskriegen wieder, das sich in der Hauptsache mit den Geschehnissen in Reichenau und denen in der Oberlausitz befaßt. Die schmucklosen Berichte geben immerhin ein bezeichnendes Bild von den Zuständen, die damals hier herrschten. Die Schriftleitung. ^WMm Jahre 1812 brach zwischen Frankreich und Ruß- MAM^land ein fürchterlicher Krieg aus, die Ursache war die Kommunikation mit England. Na- AfMIp poleon kam daher zu Anfang des Frühjahrs mit einer von 500000 geübten Kriegern aus Frankreich, wozu ihm noch die Reichsbundfürsten über 100000 Mann Hilfstruppen stellen mußten. Man glaubte, daß dieser Feldzug bald zu Gunsten Napoleons würde geendigt werden, indem die russische Heeresmacht, auch 600000 Mann stark, von dem Njemen-Fluß und der Weichsel, an welcher sie aufgestellt war, sich bei Annäherung der Franzosen und allen den unge- beuren Kriegs- und anderen Werkzeugen, wobei auch drei Feuerspritzen waren, zurückzog, und keine Schlacht auszuhalten schien. Erst bei Smolensk fiel ein starkes Treffen vor, wo auf beiden Seiten sehr viele Menschen blieben, und diese Stadt ganz mit Sturm eingenommen werden mußte. Hierauf ging der Marsch auf Moskau zu. Doch ehe noch Napoleon in Moskau einrücken konnte, so fiel an dem Fluß Moskwa eine schreckliche Schlacht vor, wo die Russen retirierten und Na poleon mit starken Schritten nach Moskau zu marschieren ließen. Hier hoffte er für seine Armee gute Winterquartiere zu finden, indem diese Stadt ungeheuer groß ist. Allein, kaum war die Nachricht eingegangen, daß der Feind ankäme, so gab der Gouverneur Rostopschin den Befehl, daß Moskau nach seinen schon vorher getroffenen Anstalten angezündet werden und Jeder mit seinen besten Sachen sich flüchten sollte. Welches denn auch geschah. Ein furchtbares Feuermeer strahlte daher Napoleon mit seinem Heere entgegen, als er nach Moskau einrückte, und sein Plan, hier Winterquartiere zu halten, wurde vereitelt. Nicht lange konnte er hier verweilen, indem sich die Russen auf Kasan und Tula lenkten, und hier mit der aus der Türkei gekommenen russischen Armee zu vereinigen suchten, wo sie ihn leicht hätten von den anderen Armeen trennen können. Dies und der schreckliche Hunger und Kälte bewog den Kaiser Napoleon, in kurzer Zeit Moskau zu verlassen und einen schleunigen Rückzug zu machen. Auf diesem Rück zug verlor er, durch die große Kälte, in einer Nacht 30000 Pferde und Menschen zu Tausenden erfroren stehend, sitzend und liegend. Genug, von allen den vielen hunderttausend Men- schen, die nach Rußland hineingegangen waren, waren die mehrsten erfroren, verhungert, in Schlachten geblieben und ge storben. Kaum 100000 Mann kehrten nach Deutschland zurück. Nicht nur an Menschen und Pferden verlor Frankreich so un geheuer viel, sondern auch an Kanonen, Munitionswagen und Gerätschaften, alles was sie hatten. Selbst Napoleon kam in aller Stille über Görlitz und Bautzen am 14. Dezember früh um 3 Uhr in Dresden an und reiste schon früh um 7 Uhr wieder ab, wo er am 20ten zur Nacht in Paris ankam. Ihm folgte dec Rest seiner Armee, verhungert, mit erfrorenen Glied maßen und krank und leichenblaß. Dadurch brachten sie eine pestartige Krankheit mit nach Sachsen und der Lausitz, das Nervenfieber genannt, woran in Städten und Dörfern viele Menschen starben. Besonders erfuhren dies Görlitz, Löbau und Bautzen, Guben und Leipzig. Auch in unserm Dorf lagen an dieser gefährlichen Krankheit an die 30 Personen, wovon 5 Personen starben und vermöge landesherrl. Reskripts sogleich eingesargt und früh Morgens stille beerdigt wurden. Eine Leichenpredigt wurde ihnen nachher gehalten. Der Rest der sächsischen Armee kam mit 600 Kranken nach Zittau ins Lazarett, weil aber die Russen sich näherten, so mußte dieses Lazarett schleunigst wieder fortgeschafft werden, welches für die Soldaten, die seit Jahren keine Ruhe gehabt hatten, etwas sehr trauriges mar. Überhaupt war das Elend grenzenlos, welches durch diesen nutzlosen Feldzug in jenes kalte Ruß- land veranlaßt worden war, und nun auch über Sachsen kam. Die Sachsen hatten schon während des Krieges das Unglück, daß die meisten in dem Treffen bei Kobryn getötet und die andern gefangen wurden, wo sie dann bis nach Kiew trans portiert wurden. Wer hätte gedacht, daß dieser Feldzug für Sachsen und die Lausitz so schreckliche Folgen haben sollte, doch dies war noch nicht genug. Noch weit mehr Elend traf die Lausitz und Sachsen ip dem merkwürdigen Jahr 1813, wo keine Feder im Stande ist, alles zu beschreiben, was Sachsen und die Lausitz bei dem Kriege und Kampfe in diesem Jahr erlitten hat. Denn kaum hatten die Franzosen und verbündeten Truppen Polen verlassen, so kamen die leichten Kosaken nach und der Oberst Brendel rückte im Monat Februar nahe bei Lauban im dem Dorfe Bertsdorf ein. Am 6ten März kamen sie nach Görlitz. Ihm folgte von März an nach und noch ein Kriegsheer von 600000 Mann, worunter 200000 Preußen waren. Die mehrsten gingen über Görlitz und rückten am 26 len März in Dresden und Leipzg ein, ohne in ihrem lang samen Borrücken behindert zu sein. Selbst der Kaiser Alexander, König von Preußen und Konstantin gingen durch Görlitz, und bei Ersterem seine Leutseligkeit und Menschenfreundlichkeit ge rühmt wurde. Jeder Mann glaubte also, daß diese Macht das französische Heer, welches sehr zusammengeschmolzen war, und nun aus lauter jungen Soldaten bestand, bald bis nach Frank reich jagen würde. Dies wünschten wir, weil wir uns den Rückzug als etwas sehr schreckliches denken konnten. Doch unsere Hoffnung ging nicht in Erfüllung. Harte, schwere Schicksalsschläge sollten die Bewohner der Lausitz und Sachsens treffen. Darum schickte es Gott anders. Kaum war Napoleon in der Gegend von Lützen mit seiner nur aus Infanterie und Artillerie bestehenden Heeres macht angekommen, als er den Ruffen und Preußen eine Schlacht anbot, und sie bald auf allen Punkten zurückdrängle (1 ter Mai). Und so ging es fort. Den8ten Mai Nachmittags trafen Napoleon mit der Armee zu Dresden ein. Kurz darauf kam auch der König von Sachsen wieder von Prag nach Dresden zurück und wurde vom Kaiser huldreich empfangen. Am 9ten Mai wollten die Russen den Übergang der Fran zosen über die Elbe bei Dresden streitig machen, sie ließen zu diesem Zwecke 40 Kanonen auffahren, die aber von 80 fran zösischen Feuerschlünden zum Schweigen gebracht wurden. Nach hartem Verlust ging die russische Armee zurück. Am lOten ging die französische Armee mehrere Tage hintereinander über die Elbe. Am I4ten rückte der Bizekönig nach Bischofswerda, welches kleine Städtchen von einem Gefechte das harte Schick sal hatte, in einen Aschenhaufen verwandelt zu werden. Auch wurde es gänzlich ausgeplündert, selbst dann noch, als die Einwohner etwas weniges in ihre Keller versteckt hatten. Das alles geschah von ihren Freunden, den Franzosen. — Die russische und preußische Hauptmacht hatte sich nun mit ihrem Kaiser und König bis nach Bautzen und den umliegenden Gegenden zurückgezogen, und setzten sich in den angelegten Verschanzungen fest, um hier den Feind zu schlagen, oder wohl selbst zu weichen. — Groß war die Gefahr, in welcher sich Bautzen vom 19ten bis 22ten Mai befand, indem es nicht nur von den feindlichen, sondern auch von den freundlichen Armeen umgeben war, und jeden Tag ihrem gänzlichen Unter- gange entgegen sehen mußte. Doch mitten in der größten Ge- fahr war Gott ihr Beschützer, und sie wurde gerettet. Die hartnäckigen Gefechte bei Bischofswerda und Göda führten endlich die so schreckliche Schlacht bei Wurschen herbei. Hier fielen die Menschen zu Tausenden, und der Verlust der beiden Parteien war groß, doch siegten die Franzosen wieder und