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Der Heiratsteufel Ein lustiger Roman aus der Oberlausitz von Richard Blasius 4j (Fortsetzung) Anders die Frau! Ihre kleinen Äuglein huschten wie futtersuchende Meisen umher. Kleine, schwarze Jett perlen, stachen sie aus dem fleischigen Gesichte. Trotz ihrer Beleibtheit waren ihre Bewegungen rasch und unstet. Ihr Redestrom war bekannt. Schnell wie ein Wasser- fall überstürzte er sich. Seine Schleusen waren immer gezogen. Wie sie sich dem Gute näherten und den Hof, der aus einer Seite offen war, übersehen konnten, schnapperte Lenore mit dem Tone einer schimpfenden Amsel: „Nee, sat 'ch ock oa! Oalls wie auskuhrt en Hof. Ieija, wenn ock onser Tonl mit wär, do käm de Ruth sicher schonn ghoppt. Nee, wie narrsch de Majdl groad oall of onsn Tonl sein!" In dieser Einbildung, daß ihr Tonl das Juwel eines Bauernburschen sei, lebte sie, seit sie sich des Sohnes er freuen konnte. Vorzüge wußte sie ihm anzudichten und war auch von ihnen überzeugt, sodaß es ihm wirklich sauer geworden wäre, dieses Idealbild zu verwirklichen, und wenn er in seinem Wesen gleich dem Adam-Leo geglichen hätte. Einen klareren Blick hatte zwar der Krautbauer, aber was nützte das? Seine Frau war doch nicht davon zu überzeugen, was er für die Wahrheit hielt, nämlich, daß sein Junge weiter nichts als ein beschränkter Toffel sei. So dachte er auch stets gar nicht daran, ihr zuwider zu reden, konnte aber ein anzügliches Husten doch nicht ganz unterdrücken. Sofort drehte ihm jedoch seine Frau ihre Vorder ansicht zu und fragte spitz: „s ös wu crn ne wuhr? — Na, do soi ock wingstns amo a Wurt!" „Wenn Du's soist, wörd's schonn su sein," entgegnete der Bauer gemächlich und sog an seiner Pfeife weiter. Sie waren in den Hof getreten. Die Bänke unter der breilästigen Linde luden zu einem Kühlen Ruhe plätzchen ein. Und Lenore bedurfte der Kühle, denn aus den Poren ihrer schwammigen Haut trat der Schweiß. „Wu ock dr Rieger steckt?" sagte sie, indem sie sich setzte und das triefende, gerötete Antlitz trocknete. „Ieija, wenn ock dr Tonl mit wär, do käm a schonn oagsaust. Moan, Du gleebst goar nö, woas 'ch ser an Noarrn oh die ahln Leut o onsn Tonl gfrassn hoan." Der Kraulbauer sagte kein Wort, schraubte das Rohr aus dem Pfeifenstiefel und ließ den Saft abtropfen. Da schlug Lenore mit hartem Knöchel auf den Tisch und schnapperte weiter: „s ös orndlich groad, oas wenn Du Denn eegn Blutt goar nischt zutraun test. Bretst 's Maul nömieh us?" Der Bauer tat erst ein paar Probezllge aus der wieder zusammengelegten Pfeife und erwiderte dann seelenruhig: „Wenn Du 's soist, wörd 's schonn su sein." Der Bäuerin genügte das vollkommen. Und sie kam nun wieder auf ihr Projekt, was ihr Tag und Nacht keine Ruhe ließ. „Ond doas soi'ch," redete sie mit eindringlichem Tone weiter, „onser Tonl ond de Ruth missn zosoamm. Iech war schonn derhinner sein, doß woas draus wörd." Da besann sich der Bauer darauf, daß er ja schließ, lich auch ein Hirn zu selbständigem Denkeü habe und warf ein: „Die wörd nö su lecht zo kapern sein. Die Hot schonn oo jehar iährn eegn Wölln ghoat." Da wurde Lenore umso eifriger. „Do tätt sech ja falber an Licht stiehn. Ond wenn's wär, do kennt'ch ees ömmer no hinnern Schittlkoop steckn. Mit dan össe intimer wie mitn Boater." „Iech verbrenn mr d' Finger ne," brummte der Bauer und stopfte mit dem Mittelfinger die Asche in der Pfeife fest. Kreiztörkn namo, da hatte er sich den Finger auch schon verbrannt. Der Riegerbauer sah vom Fenster der guten Stube aus den Besuch im Hofe sitzen. Da mußte ein Kaffee gekocht werden. Aber wo mochte nun das Mädel wieder stecken? Ium alten Bruder, der in einem Lehnstuhle saß und im Lokalblatt studierte, meinte er: „Edward, zieh doch verweile nonner zon Kraulbauerleuten! Iech muß de Ruth örscht ufstiäwern, doaß se an Koaffee koacht." Während der Alte die Treppe hinunterkrauchte, brummte er übellaunig vor sich hin: „Nu muß iech wieder 'n Nutnoil machn. Ond iech koan doach de Lenur en Tud ne ausstiehn." Als er in der offenen Haustür sichtbar wurde, flüsterte Lenore ihrem Manne zu: „Sieh ock, dort kömmt die ahl Iälfunzl, dr Schittlkoop!" Gleich darauf legte sie aber ihr Gesicht in freundliche Mienen, als freue sie sich noch so sehr über den Alten. „Gun Tagg minanner!" sagte der, aber die Worte gingen ihm widerwillig von den Lippen," „s ös schien, dosser'ch oh amo wieder sahn loßt." Der Lenore quoll es wie eitel Honig aus dem Munde. „Gun Tagg, Edward, na wie gieht's denn mit Euch? Ömmer no osn Böhl?" „Su richtg nömie. Mer wörd abn ahlt und bumblch." Der Krautbauer hatte zum Willkommengruße einfach wortlos auf den Tisch geschlagen. Seine Frau aber fuhr süßlich fort: „Mer hoan groad oo Euch gredt, Edward." Ihr Mann versetzte ihr einen heimlichen Puff und flüsterte: „Foall ock nö glei miter Tir es Haus!" Aber Lenore erwiderte ganz laut: „Iech hoa nischt zo verhiägn. Iech die de Krautbauern. Hörrt amo har, Edward, Ihr mißt a bößl derhinner har sein." Zwar wußte Eduard nicht recht, was sie meine, doch dachte er, es könne sich nur auf seine Arbeit auf dem Hofe erstrecken. Darum erwiderte er beleidigten Tones: „Doas bien iech no ömmer." Jetzt puffte Lenore ihren Mann heimlich und flüsterte: „Siste, dar weeß schonn, wu 'ch naus will." Eduard aber ließ seinen Kopf erregter schütteln und dachte bei sich, die Krautbauern menge sich da in Dinge, die sie absolut nichts angingen. Er wußte schon, was seine Arbeit war. All die Nächte durch hatte er gewartet, bis die trächtige Sau endlich geworfen hatte. Bis in die frühen Morgenstunden hatte er zuweilen im Stalle gesessen. „Hot die an Idee, wie mer die Sau oas Harz gwachsn ös," sagte er zu sich. Lenore aber, im Glauben, daß Eduard schon ahne, sie wolle ihn zum Kuppler für ihren Sohn haben, ließ ihren Redeschwall weiter plätschern.