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Gräfin Cosel Bon Stadtsekretär M. Bogel, Stolpen engsten Zusammenhänge mit der Geschichte der Bergsestung Stolpen steht die Gestalt der hier oer- storveneu Reichsgräfin o. Cosel. Anna Con stanze v. Brockdorf, die spätere Gräfin Cosel, wurde am 17, Oktober 1680 in Deppenau in Holstein als Tochter des dänischen Kavallerie-Obrtsten Joachim o.Brock- darf, des Besitzers der Güter Deppenau und Sarup, ge boren; ihre Mutter, geb. o. Marcellis (gest. 1736), war eine reiche Niederländerin. Die Linie derer von Brockdorf ist jetzt ausgestorben. Am braunschweigischen Hofe lernte Anna Constanze o. Brockdorf den Fretyerrn Adolf Magnus o. Hoym, Obri sten in kurfürstlich sächsischen Diensten, kennen und heiratete ihn 1699. Das Ehepaar lebte zunächst verborgen in einer Mietwohnung in Blasewitz. 2m Sommer 1705 begegnete Constanze v. Hoym zum ersten Male dem Kurfürsten von Sachsen und Könige von Polen Friedrich August „dem Starken", der von ihrer Schönheit und Anmut sofort ganz entzückt war und jede Gelegenheit benutzte, Frau o. Hoym auszuzeichnen. Sie war jedoch keineswegs leichtsinnig: sie war wohl bereit, mit dem Könige in ein „aus Lebenszeit geschlossenes eheliches Consortium" zu treten, niemals aber seine Geliebte zu werden. Nachdem Herr v. Hoym auf Drängen des Königs seine Zustimmung zur Ehescheidung gegeben hatte, wurde er für diese seine Bereitwilligkeit in den Grafenstand erhoben, zum General befördert und mit einem Gnadengeschenk von 20000 Talern bedacht. Am 8. Januar 1706 wurde auf Befehl des Kurfürsten, durch das Endurteil des kurfürst lichen Oberkonfistoriums zu Dresden, die Ehe geschieden. Der König mutzte der geschiedenen Frau auf Verlangen folgende schriftliche Zusagen machen: „1. sich von seiner bis herigen Geliebten, der Fürstin von Teschen, Prinzessin Luvomirska, vollständig zu trennen; 2. ihr (der Gräfin Cosel) eine jährliche Pension von 100000 Talern zu ge währen und 3. durch eigenhändigen Vertrag ihr zuzusichern, nach der Königin Tode sie selbst als Königin und die mit ihr erzeugten Kinder als legitime Prinzen und Prinzessinnen anzuerkennen". Nach Abgabe dieser Zusagen ließ der König der Frau o. Hoym 5 Häuser mit einem Kostenauswande von über 70000 Talern ausbauen und übereignen. Alle ihre Zeitgenossen bestätigen übereinstimmend, daß Frau v. Hoym eine der schönsten und lieblichsten Frauen gewesen sei. Sie war hoch und schlank gewachsen, hatte ein längliches, jedoch volles Gesicht, schwarze Augen, dunkel braune Haare, einen kleinen Mund, eine kleine spitze Nase und eine zarte, lebensfrische Gesichtsfarbe. Ihre Bewe gungen waren natürlich, vornehm und elastisch, ihr Austreten frei von aller Koketterie, würdevoll und majestätisch. In der Unterhaltung war sie gewandt, scherzend, anregend und witzig. Sie sprach Deutsch, Dänisch und etwas Französisch und war eine kühne, flotte Reiterin, vorzügliche Schükin und gewandte Tänzerin. Im Umgang war sie höflich und leutselig gegen Diener, Untergebene und alle die, die ihr mit Hochachtung begegneten, dagegen zeigte sie sich hoch mütig, trotzig und sogar rachsüchtig gegen diejenigen, die sich ihr widersetzten und feindlich gegenllbertraten. In ihren Entschlüssen war sie entschieden und unbeugsam. Ihre Hauptsehler waren Habsucht, Eigennutz und Geiz und später in manchen Fällen, wo sie hätte nachgeben sollen, Trotz und Halsstarrigkeit. Der neuen „Ersten Gunstdame" wurden nicht nur alle ihr nach damaliger Hofsitte gebührenden Ehrenbezeigungen und Begünstigungen erwiesen, sondern noch erhöht. Aus dem Hofstaate wurden ihr Pagen zugewiesen, und Doppel- posten wurden vor ihrem Palais aufgestellt. Sie hatte also tatsächlich die Rangstellung einer Königlichen Prinzessin eingenommen. Der König ließ bei der Ordenskanzlei in Wien den Antrag stellen, Frau v. Hoym zur „Fürstin von Cosel" zu ernennen; Kaiser Joseph erteilte ihr jedoch nur das Prädikat „Comte^e tte Lo86l" (sie selbst schrieb sich „Cossell"). König Friedrich August machte ihr weitere grotze Geschenke; er ließ ihr Palais aufs kostbarste und prächtigste einrichten und überwies ihr 1707 das Schloß Pillnitz. Die Gräfin Cosel entfaltete nun einen dem Könige zusagenden Luxus und gab Feste als „des Königs Erste Person". Dom Frühjahr 1706 an war die Comtesse de Cosöl des Königs stete Begleiterin; so auch am 16. Juni 1708 nach Stolpen, wo die beiden sich beim Wildpretschießen im Tiergarten belustigten und zum ersten Male gemeinsam im Prinzenhause auf der Festung über Nacht blieben. Das Jahr 1709 war das prunkvollste Jahr für sie; am 22. Juni jenes Jahres glänzte die Gräfin Cosel beim Götteraufzuge als Diana, selbst „vergöttert" von dem in Dresden zu Be such weilenden König Friedrich IV. von Dänemark. 1710 begleitete sie den König auf seiner Warschauer Reise bis Danzig und kehrte von dort nach Pillnitz zurück. Im Herbst 1711 besuchte sie ihre Eltern in Deppenau und hinterlegte bei der Hamburger Bank mehrere große Kisten mit Kost barkeiten. Vom März bis Mai 1712 war sie mit dem Könige in Warschau. Bald danach begaben sich beide nach Karlsbad, wo die Gräfin als „Löwin des Tages" eifrig umschwärmt wurde, und gleichfals 1712 weilten sie zur Michaelismesse in Leipzig. Hierauf fuhr der König allein nach Warschau; der Abschied war „aufrichtig und herzlich". Die Gräfin mußte Zurückbleiben, da sie ihrer Entbindung entgegensah; ihr Sohn Friedrich August wurde am 27. Ok tober 1712 geboren. Mit der Abreise des Königs ging auch der Gräfin Cosel Glanzzeit zu Ende. Es begann nunmehr ein leb haftes Ränkespiel; die Widersacher der Gräfin waren hauptsächlich der Graf o. Vitzthum, der Oberhofmarschall v. Löwendal, die Gräfin Bilinski nebst ihrer Mutter, der Gräfin Marie Magdalene v. Dönhoff, und die eigene Schwägerin. Schon lange war in Dresden und Warschau gegen sie gearbeitet worden. Der Plan der Gräfin Cosel, im Sommer l713 heim lich von Pillnitz nach Warschau zu reisen und ihre Feinde zu überraschen, wurde verraten und verursachte bei ihren Gegnern einen gewaltigen Schrecken. Friedrich August ge stattete ihrem ärgsten Feinde, dem Oberhofmarschall v. Löwendal, die Gefürchtete vom Warschauer Hofe gewalt sam fernzuhalten, Sie wurde streng überwacht, und bei dem Versuche, ihren Reiseplan doch durchzuführen, folgte ihr der Graf o. Lagnasko heimlich bis Breslau. Bon War- schau aus wurde ihr der Obristleutnant de la Haye mit einer Wache entgegengeschickt, um sie mit Güte oder Gewalt nach Dresden zurückzusühren. Beim Zusammentreffen mit ihr im Städtchen Widawa in Polen weigerte sie sich, dem Befehl des Königs Folge zu leisten, ja, versuchte sogar, den