Volltext Seite (XML)
Schaden schützen wollen. Sehr durchsichtig in seinem Zwecke ist auch der Aberglaube, daß Kinder nicht rück wärts gehen sollen, da sie dann ihre Eltern ins Grab oder in die Hölle stoßen. Wie leicht polstert den Kindern beim Rückwärtsgehen etwas, oder sie richten Schaden an. Geaen die Gedankenlosigkeit wendet sich der Aberglaube: „Wer umkehit, hat Unglück"; „Wer seine Rede vergißt, ist ein Lügner"; „Wer an der Schwelle stolpert, hat Un glück." Desgleichen, wer seinen Stock o rliert oder wer an der Tür hängen bleibt. Wie selbstverständlich ist der Aberglaube, daß Kinder nicht mit Feuer spielen sollen, weil sic sonst ins Bett nässen. Das will dach kein ver ständiges Kind mehr! „Wenn man unter Kinder etwas verteilt, so darf man keins übersehen, sonst tröpfelt ihm vvm Herzen eine Träne", mahnt zu gleichmäßiger Be handlung der Kinder. „Wer über ein Grab springt, wächst nicht mehr" fordert zu gesittetem Benehmen aus dem Friedhof auf. Mädchen dürfen nicht pfeifen, sonst lacht der Teufel, oder sie pfeifen die Not herbei. Des halb, ihr Mädchen, laßt lieber das ungehörige Pfeifen. Auch über Haus und Wohnung wacht der Aberglaube, daß dort alles noch Recht und Ordnung zugehe. „Wenn man im Alter baut, so stirbt man bald," will anspornen, sich dazu zu hallen, zu arbeiten, zu sparen, diese wichtige Arbeit nicht bis zum Alter auf^uschieben. „Wer den Kehricht über die Schwelle kehrt, keh-1 das Glück hinaus," läßt sich außer aus heidnischen Resten noch dadurch er klären, daß an der Schwelle immer ein Teil hängen und liegen bl-ibt. „Uier den Kehricht darf niemand Hinweg schreiten, sonst kommt Zank ins Haus;" das wohl nicht, aber man trägt leicht den Kehricht wieder breit. „Einen Besen darf man über Nacht nicht in der Stube stehen oder auf dem Hofe liegen lassen, sonst kommt Unglück." Nun, der Besen gehört nach getaner Arbeit an seinen Platz, und man kann im Dunkeln bös über ihn fallen. Die Fußbodendielen darf man nicht mit dem Wasser waschen, in dem Wäsche gewaschen ist, sonst entsteht Zank. Dies stammt gewiß noch aus der Zeit, da das Wasser vom Brunnen hertnigetragen werden mußte. Da mochte es manchem Mädchen in den Sinn kommen, sich das zweite mühsame Wasserholen zu ersparen. Aber schnell verscheuchte der Aberglaube diese Trägheit, und nicht schmutziges, sondern schon sauberes Wasser kam auf die Dielen. „Man darf nicht im Mondschein oder im Förstern spinnen, sonst spinnt man sich das Totenhemd." Bei schwacher oder gar fehlender Beleuchtung wird leicht un taugliche, unsaubere Arbeit geliefert. „Aus Töpfen, in denen das Essen noch kocht, soll nichts gegessen werden, sonst werden die Speisen nicht gar", will das Naschen verhü en. „Während das Brot noch im Ofen ist, darf man den Kucken nicht anschneiden, sonst gerät das Brot nicht," will doch weiter nichts sagen als: „Warte mit dem Ess.n des frischen gebackenen Kuchens, bis er erkaltet ist," und das ist dann der Fall, wenn das Brot, das nach dem Kuchen gebacken wird, im Ofen fertig ist. „Man darf nicht über die Backschüssel steigen und sich auch nicht auf den Rand des Backtroges setzen, nicht etwa, weil das unsauber, unhygienisch ist, sondern weil sonst das Brot nicht gerät." Die Unsitte, beim Essen mit den Beinen zu schaukeln oder die Beine übereinander zu schlagen, bekämpft man dadurch, daß man sagt: „Da stirbt jemand." Ähnlichen Inhaltes ist der Aberglaube „Wenn man die Schaukel ausfchwtngen läßt, d. h. von ihr sortläust, so läutet man jemanden ins Grab." Leicht werden durch eine unbeaufsichtigte, sckwingende Schaukel Borüver- gehende verletzt. „Das Brot darf nicht auf der runden Seite liegen, nicht etwa, weil es da viel unsicherer liegt, sondern, was dem Volke viel wichtiger ist, weil es sonst teurer wird." „Iß mit Anstand, nämlich nicht zu hastig", mahnen die Aberglauben: „Wenn man beim Ess n einen Druck im Halse spürt (nämlich durch e nen großen Bissen), wenn einem e n Bissen herunterfällt, wenn man sich in die Zunge beißt, dann gönnt cs einem jemand nicht." Ähn liches will der Aberglaube besagen: „Wenn das M.sser oder d e Gabel herunterfällt, so verdaut man nicht; wer den Löffel fallen läßt, stirbt bald." „Auf das Brot darf man kein Messer legen, auch kein Messer hineinsiecken, gar über Nacht darin stecken lassen, sonst beschädigt man den Herrn Jesus, oder man bekommt Zahnschmerzen." „Wer das Brot auch noch hinten anschneidet, schneidet dem lieben Gott die Ferse ab." Wer den Abschnitt eines Brotes allein ißt — bei neubackenem Brot eine verlockende Sache — wird geizig"; also laufe lieber nicht diese Ge fahr und teile hübsch mit den andern, denen es auch gut schmeckt. „Angebissenes Brot muß aufgegessen werden, denn wenn es ein anderer ißt, so ißt er uns die Kraft weg." „Brotkrumen darf man nicht liegen lassen, denn der Teufel sammelt sie und wirst sie einem glühend ins Ge sicht." „Wer au der Tischecke sitzt, bekommt eine böse Schwiegermutter." Also Freund, fetze dich anständig zu Tisch, sonst trifft dich diese nicht zu unterschätzende Strafe. Die gleiche Verdammnis soll ja auch den treffen, der so s ungenügsam ist, daß er sich vor dem Austrtnken schon wieder einschenken läßt. Und was anders als eine Er mahnung, den Alteren am Tisch den Vorzug zu lassen, steckt in dem Aberglauben: „Wer die Buller zuerst an schneidet, muß noch 7 Jahre ledig bleiben." Dasselbe steht dem bevor, der das Brot schief oder krumm schneidet. Aber „Wer das Brot schmidet gleich, der wird reich," sagt der Vogtländer und Tbüiinger. „Wer das Tisch tuch verkehrt auslegt, dessen Gäste werden nicht satt," will zur Reinlichkeit und Achtsamkeit erziehen. „Singt ein Mädchen beim Essen, so bekommt es einen trunksüchtigen Mann. Tut es ein Junge, so bekommt er eine brummige Frau." (Schluß folgt.) Vom Reinhardtsberge bei Kamenz Don Fr. Beruh. Störzner iele kommen alljährlich nach Kamenz, und von den wenigsten wird der sagenumrankte Reinhardtsoerg gekannt und besucht, und doch hat man gerade von ihm aus den schönsten Anblick der alten ^echsstadt. Bon großem Reize ist aber der Blick hinauf zur altehrwürdi gen, domartigen Pfarrkirche Sankt Marien. Ein malerisches Bild, wie es schöner auch die alte Wendenmetropole Bautzen nicht bietet! — Aber auch geschichtlich denkwürdig ist der Reinhardtsberg, der von der Stadt durch ein schluchtenartiges Tal getrennt ist. Er trug bis in unsere Tage ein Denkmal aus alten Zeilen, eine sogenannte Heidenschanze mit einem Umfange von etwa 200 Schritten. Die Außenhöhe des Walles betrug nach den vom ehemaligen Stadtphysikus Dr. Böhntsch gemachten Messungen 6—8 m, die innere Höhe dagegen war 3—4 m. — Bei Nachgrabungen wurden auch 2—3 m tiefe Lagen von Asche, ferner balkenförmige Kohlen, geschmolzene Steinmassen, Knochen und verschiedene Urnenbruchstücke auf» gefunden. Es schien, als sei der Wall der Reinhardtsberg-