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gibt es hierüber besondere Abarten. Vom Ordnen und Säubern der Wohnung reden folgende Aberglauben zu den Mädchen und Jungfrauen: „Kehre am Abend nicht die Stube, sonst kehrst du das Glück hinaus." Das ist wirkungsvoller ausgedrückt als mit den erläuternden Worten, daß am Abend entweder wieder Schmutz hinein getragen wird, oder daß bei der spärlichen Beleuchtung die Sache nicht ganz einwandfrei erledigt wird. Wenn jemand so bequem ist, daß er, wenn das Zimmer aus gefegt wird, sitzen bleibt und sich unter seinen Füßen wegkehren läßt, dann bleibt er ledig: gewiß für junge Leute eine ziemlich derbe Strafe: deshalb nehmen sie lieber die kleine Unbequemlichkeit auf sich und machen dem Kehrenden Platz. Wenn ein Mädchen das Wasch wasser, das nur lau zu werden braucht, zum Kochen kommen läßt, so bleibt es noch 7 Jahre ledig. Dasselbe droht einem Mädchen, wenn es im neuen Dienst Wasser oder Bier verschüttet. Also alles schön achtsam und be dachtsam getan! Den Stieldesen stelle nicht mit den Borsten nach unten an die Wand, sonst wird Zank, oder jemand wird begraben. Wie leicht fällt der Besen um und richtet Schaden an, oder jemand tritt auf den Unter teil des Besens und schlägt sich den Stiel an den Kopf. Denselben Aberglauben kennt man vom Gartenrechen, dessen nach oben gerichtete Zinken, wenn man ihn auf den Boden legt, nicht etwa an Darauftretenden Schaden anrichten können, sondern die Engel totstechen. Die jungen Mädchen, welche nicht richtig scheuem, z. B. an Fässern den so unbequem zu reinigenden Boden, bleiben am Sonntag zum Tanz unbegehr«. Das ist doch viel schrecklicher als die gescheute Arbeit. Wie verlockend ist es für das junge Mädchen oder die Hausfrau, am Wasch- tag mit nachlässiger Kleidung zu erscheinen. Da führt der Aberglaube die unangenehmste Drohung, die die Wäscherin kennt, ins Feld: „Am Trockenlag herrscht schieches Wetter, wenn die Wäscherin nicht alle Rock- und Schürzenbänder festgebunden hat." Macht sie sich bet der Wäsche die Schürze naß, so bekommt sie einen Trinker zum Mann. — Zum Ordnungssinn hält auch der Aberglaube an: Wenn die Lampe ausgeht, so stirbt jemand: — also ihr Frauen, kümmert euch vorher um das Ol in der Lampe! Wenn das Licht lange Zett nicht geschneuzt wird, so bekommt das Mädchen einen schläf rigen Mann, was unter Umständen für sie eine schreck liche Strafe bedeuten kann. „Borge dir kein Salz, sonst geht drr's schlecht," oder in anderer Lesart „Wenn das Salz ausgeht, so geht der Segen aus." Dasselbe wird angedroht, wenn das letzte Stück Brot gegessen wird, ehe neues im Hause ist. — Achtsamkeit mit der Kleidung predigt der Aberglaube: „Wenn einem Mädchen beim Spaziergange Dornen das Kleid beschädigen, so heiratet es einen Witwer, gewiß nicht das Ideal eines jungen Mädchens. Das Gleiche steht ihm bevor, wenn es bei der Arbeit einschläst, ober wenn ihr der Zipfel des Kopf tuchs schief hängt. Wenn ein Mädchen aus der Straße die Schürze oder das Strumpfband verliert, so droht ihr gar Schreckliches, La ist ihr nämlich der Schatz nicht treu: darum also hübsch ordentlich zu Hause angezogen! Auch dem Ehemann wird durch den Aberglauben Ordnungssinn zur Pflicht gemacht Wo die Messer nicht schneiden, oder wo die Tische wackeln, da hat die Frau das Regiment im Hause. Also, lieber Ehemann, halte hübsch auf Ordnung im Hause, damit du nicht in üblen Ruf kommst! Das Gleiche steckt hinter dem Aberglauben „Wenn ein Spiegel herabfällt und zerbricht, so muß der Eigentümer 7 Jahre lang Not leiden." Fällt gar ein Kruzifix von der Wand, so kommt ein großes ÜnWck. Gar stirbt jemand, wenn das Brot im Ofen mitten ent zwei bricht oder springt. Wer den Hausschlüssel vergißt, stirbt balo. Und da geschieht ihm auch recht, wenn er seine liebe Frau aus dem schönsten Schlummer heraus klopft. Ebenso gibt es eine Leiche im Haus, wenn beim Säen ein Beet übersehen wird, oder wenn das Beet mit dem falschen Samen besät wird, oder wenn beim Tischler die Säge klingt (schlecht eingespannt ist) oder eine Fuge platzt, wenn Ketten an einem Wagen reißen. Eine neue Leiche gibt es bald, wenn der Sarg auf der Bahre nicht feststeht, wenn beim Beginn des Begrävnisses Unordnung herrscht. Wenn die Sargkrone zu einer Kinderleiche nicht rechtzeitig zur Stelle ist, so erlangt das Kind die Krone des ewigen Lebens nicht. Fällt Erde von der Seite des Grabes auf den Sarg, so stirbt bald wieder jemand. Daher, liebe Leidtragende, bei einer Leiche alles mit Peinlichkeit bedacht, Ordnung gehalten und würdig benommen! Auch der Hausfrau wird das Leben durch den Aber glauben nicht leicht gemacht. Wenn der Geburtstags- Kuchen mißrät, so stirbt bald jemand; und wenn gar der so sehr teure Weihnachtsstollenteig nicht aufgebt, so stirbt bald der Hausvater, sagt man im Vogtland. Wenn einer Frau in Trauerkleidern gesagt wird, daß sie ihr gut stehen, so stirbt bald ihr Mann. Demnach hinweg mit der Eitelkeit im Trauergewand! Überreich sind die Aberglauben, die zu Anstand und Sitte beim Essen anhalten. Wir lächeln heute darüber» in welcher nawen Form sich ost die einfachsten Regeln des Wohlverhaltens bei Tische verbargen. Auch heute noch hilft der Aberglaube als Erzieher bei Tische kräfiig mit. Wie ost mag erfolglos gewarnt worden sein, das Messer nicht mit der Schneide oder die Gabel nicht mit den Spitzen nach oben zu halten, weil man sich und andere dabei leicht verletzen könnte. Hier schuf der Aber glaube Abhilfe, da man sonst die lieben Engel schnitt oder stach, oder da sonst das Geld alle wurde. O, wie verführerisch war es doch, mit dem früher noch nicht be steuerten, also sehr billigen Salz leichtfertig umzugehen! Da schützte es der Aberglaube. „Wer Salz verschüttet, weint an dem Tage." Da dem Weinen stets etwas Un- angenehmes oorausgeht, so sah man sich nunmehr mit Salz besonders vor. Einem Kinde darf man nicht mit dem Kochlöffel zu essen geben, wenn es nicht blöde wer den soll. Eine unsaubere Sache, bei der überdies leicht verschüttet wird! Die Nägel dürfen dem Kinde im ersten Lebensjahre nicht abgeschnitten, sondern nur abgebissen werden, so zahnt es leicht, andernfalls lernt es das Stehlen. Dieser Aberglaube erklärt sich wohl aus der Gefährlichkeit, an den kleinen unruhigen Geistern mit Schere oder Messer herumzuhantieren. „Ein Kind soll nicht in den Spiegel sehen, sonst lernt cs stottern oder wird stolz oder leicht sinnig," warnt vor zu srüher Eitelkeit. Man darf ein Kind nicht mit einem schon abgebrauchten Rutenbesen schlagen, sondern nur mit einer schlanken Rute, sonst bekommt es die Auszehrung. Kinder unter einem Jahre soll man überhaupt nicht schlagen, sonst fruchten die spä teren Schläge nicht. Beides eigentlich recht oerständ ge Ratschläge, die das Kind vor körperlichen oder seelischen