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an deren Stelle einzusetzen. Es können nur (Nieder-)Oderwitz und Herwigsdorf gemeint sein. Mitte Januar 1557 berichtet Lanisius an den Ordensgeneral Jacob Laynez, daß er für die beiden Klosterdörfer, deren ver heiratete Pfarrer er abgesetzt habe, katholisch- Pfarrer nicht finden könne. Die Pfarrer der Umgegend seien in Lehre, Glaube und Sakrament Ketzer und wollten ihre Ehefrauen behalten. Das Volk sei verführt und verderbt. Wenn man dies dem Könige mitteilen wollte, so würde er wahrscheinlich verlangen, daß die Jesuiten auf Zeit jene Seelsorge übernähmen, obwohl es an geeigneten Männern fehle. Er fragt an, ob er in dieser Sache den Papst angehen solle, wenigstens um sein Gewissen zu sal- vieren, wenn nun schon jene Dörfer keine Hirten hätten. Es sind darauf zwei Iesuitenpater geschickt worden. Lanisius ist jedoch mit ihnen unzufrieden, da sie nichts erreichten, selbst das Gesinde beweise sich gegen sie nicht untertänig. In Herwigsdorf wollten die Jesuiten den Kirchhof entziehen, aber Laynez ließ abraten. Bon Katholiken dürsten Evangelische nicht begraben werden, doch könnten andre sie beerdigen. (N. L. M., Bd. 83.) Früher besaßen die Pfarrer in Ober» und Niederoderwitz bei ihren Pfarren eigene Brau- und Malzhäuser. Es ist schade, daß sie eingegangen sind. An Zuspruch würde es beim Jubiläum gewiß nicht gefehlt haben. Heimatfest und Zweihundertjahrfeier in Niederoderwitz ngesichts der latenten Wirtschaftskrise, in der wir uns nun schon seit einer Reihe von Jahren befinden, ist die Frage nicht ganz unbegründet, ob es zweckmäßig sei, Feste größeren Stiles zu veranstalten. Die Niederoderwitzer haben Recht daran getan, diese Frage nicht allzugründlich zu erörtern, als sie sich entschlossen, die Feier des 200 jährigen Bestehens ihres Gotteshauses mit der Ab haltung eines Heimatfestes zu verbinden. Bei so gründlicher Borbereitung und so glänzender Ausführung, wie hier festzu stellen war, konnte der Erfolg auf der ganzen Linie kaum aus bleiben. Und was das Erfreulichste dabei ist: dem Ganzen hat ein hoher, alle Ranges-, Standes- und Vermögensunter schiede überbrückender, sozialer Gedanke zu Grunde gelegen. Den wirtschaftlich Mühseligen und Beladenen ist Gelegenheit gegeben worden, all die vielseitigen künstlerischen und herz erhebenden Darbietungen des Doppelfestes unentgeltlich mitzu genießen, und der aller Voraussicht nach recht ansehnliche Uber schuß soll überdies ungekürzt der sozialen Fürsorge nutzbar gemacht werden. In vorbildlicher harmonischer und reibungs loser Zusammenarbeit haben es Kirche, Schule und Ortsbehörde fertig gebracht, die ganze Gemeinde wie eine einzige Familie auf dem Boden des Heimatgedankens zu gemeinsamer Arbeit und gemeinsamer Freude zu versammeln. Denn alle, alle kamen, als man rief, und Niederoderwitz hat vielleicht seit seinem Bestehen noch nie so viel Menschen in seiner Flur ge sehen, als in den Tagen vom 9. bis 11. Oktober! Den überaus würdigen Auftakt bildete das künstlerisch die verwegensten Erwartungen hinter sich lassende Kirchen konzert, das der jugendliche Kantor Alfred Lehmann mit den Kirchenchören der beiden Oderwitzer Gemeinden, einigen örtlichen Gesangvereinen, der verstärkten Neumannschen Kapelle und drei hervorragenden Dresdener Solisten am Sonnabend in dem bis zum letzten Platz besetzten, anheimelnd erneuerten Gotteshause gab. Haydns „Schöpfung" wurde hier ein un- verlöschliches Erlebnis. Der Sonntag gestaltete sich dann zum Hauptfesttag. Früh 8 Uhr stellten die Ortsvereine mit ihren Bannern am „Hirsch" zu eindrucksvoller Kirchenparade. Unter klingendem Spiel zog man zur prächtig geschmückten und wiederum überfüllten Kirche. Dem Festgottesdienst ging ein würdiges Gedenken an die Gefallenen der letzten Kriege voran. Die Epistel war dieselbe wie vor 200 Jahren bei der Weihe des Gotteshauses. Die vom Pfarrer Brussig gehaltene Festpredigt zu dem Text Genesis 2, 15 war in erhebender Weise im geistlichen wie im weltlichen Sinne auf den Heimalgedanken eingestellt und ging tief zu Herzen. Im Anschluß an den Gottesdienst blies ein Posaunenchor vom Turme herab, worauf Ehrengeläut siir die gefallenen Söhne der Gemeinde einsetzte. Unterdessen füllten sich die Straßen mit unübersehbaren Menschenmassen. Die Eisenbahn, die Autobusse hatten schwere Arbeit, abgesehen von den zahlreichen Privatautos, die noch Hunderte brachten. Allenthalben bemerkte man die letzten Vorbereitungen zu dem herrlichen Festzug, der der künstle rische Glanz- und Höhepunkt der Gesamtveranstaltung werden sollte und auch das Helle Entzücken des Herrn Hofrat Prof. Seiffert vom sächsischen Heimatschutz heroorrief. Die ört lichen Vereine, denen man im allgemeinen die Ausgestaltung überlassen, hatten unbewußt sich auf einen gemeinsamen künst lerischen Gedanken eingestellt. Unter den 25 zum Teil sehr stattlichen Gruppen mit fast ebenso viel Festwagen, zahlreichen Berittenen und sehr vielen Einzeltypen köstlichster Art atmete fast jede unverfälschtes Lausitzer Volkstum: zweihundert Jahre örtlicher Geschichte, alle Phasen wirtschaftlicher und kultureller Entwickelung mit wirkungsvoller Betonung der Gegensätze zwischen jetzt und einst. Man konnte sich tatsächlich nicht satt sehen. Nach dem Festzug besichtigten die Ehrengäste unter sach kundiger Führung die in drei Zimmern des Pfarrhauses und im Saale des „Deutschen Hauses" ausgestellten Dinge, die den Grundstock des künftigen Niederoderwitzer Heimatmuseums bilden sollen. Es sind einzigartige Prachtstücke darunter. Infolge des furchtbaren Menschenandranges war es jedoch nicht möglich, die Einzelheiten nach Gebühr zu würdigen. Wir be halten uns deshalb vor, auf die Angelegenheit zurückzukommen. Den Tag beschloß ein heimatlicher Familienabend' im Saale des Kretscham, auf den die Massen Sturm liefen/ Aber trotz der Größe des verfügbaren Raumes konnte nur ein kleiner Teil der Einlaßbegehrenden Unterkommen finden. Instrumentale Darbietungen der sehr leistungsfähigen Orts kapelle (Musikdirektor Neumann), bei der erfreulicherweise unsere Lausitzer Tondichter Edmund Kretschmer und Heinrich Marschner zur Geltung kamen, Begrüßungsansprache durch Herrn Bürgermeister Heinrich, ein gehaltvoller poetischer Borspruch von Frl. Werner, den die Verfasserin mit tiefem Empfinden persönlich sprach, gemütvolle Heimatlieder der ört lichen Gesangvereine umrahmten das tief zu Herzen gehende Heimatfestspiel „Der Kirchplatz", in dem der Verfasser Pfarrer Brussig in drei Bildern die Vorgeschichte des Kirchenbaus und einen schweren Konflikt der Niederoderwitzer Kirchenväter mit ihrem Kirchenpatron Oberst von Kanitz (im Jahre 1719) packend und bühnengewandt, teils in Mundart und teils in Schriftdeutsch, schildert. Das prächtige Werk wurde von den bewährten Mimen des Turnvereins in bemerkenswert guter Wiedergabe geboten und erzielte stürmischen Beifall. Die Umbaupausen wurden durch offizielle Ansprachen überbrückt. Herr Hofrat Seiffert gab als Vorsitzender des Heimatschutzes seiner herzlichen Freude über das Gebotene Ausdruck, bedauerte aber, daß die Lausitzer Zuschauer dem herrlichen Festzug gegen über sich so zurückhaltend benommen hätten. Im Namen der Amtshauptmannschaft und der Stadt Zittau entbot Herr Stadt rat S ch w a g e r der befreundeten Iubelgemeinde die besten Wünsche. Als Sendbote des Verbandes Lusatia übermittelte der Berichterstatter Gruß und Glückwunsch der Mutter Lusatia und feierte die Herren Pfarrer Brussig, Bürgermeister Hein rich und Kantor Lehmann als Träger und tatkräftigste För derer des prächtigen Heimatfestes. Herr Dr. Hofmann aus Neugersdorf nahm seine Lausitzer Landsleute in Bezug auf die Ausführungen des Herrn Hofrat Seiffert in Schutz. Punkt 10, der letzte der Vortragsfolge, lautete: „Stimmen der Heimat aus dem Munde von Heimatsdichtern". Hierbei waren mit Darbietungen Wilhelm Friedrich-Reichenau und meine