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war und 1798 das seltene „50jährtge Schützenjubiläum von einer Löblichen Schützengesellschaft" gefeiert werden konnte. Doch nicht lange sollte er den Inbeltag überleben. Denn wir hören als nächste Eintragung: „1798 starb unser guter, auch noch im Tode verehrungswürdigstcr Herr Amtmann Leßing. Ruhe wohl, ruhe sanft bis zu jener Verherrlichung. Nie soll dein Gedenken bei uns verlöschen!" Zugleich läßt uns dieser kurze Nachruf vernehmen, welch hoher Beliebtheit und Achtung sich der Verstorbene erfreuen durste. Fünfzig Jahre schaffensreicher Tätigkeit als Amtmann unserer Schloßherrschaft waren ihm vergönnt gewesen, die er ausgefüllt hatte mit „unbestechlicher Redlichkeit und uneigen, nütziger, mit der biedersten Menschenliebe vereinbarter Amts- treue. Der damalige Pastor Primarius Friedrich Benade hat dem dahingeschiedenen Freunde im „Hoyerswerdaer Kirchen- buch" einen ehrenden Nachruf gewidmet, worin es heißt: Theophilus Leßing, an die fünfzig Fahre allhier bestellt gewesener Justiz-Amtmann hiesiger Standesherrschast und vormalen auch Zeit-Pachtinhaber derselben, nachdem er in den letzten Jahren wegen vorhergegangener zu frühen und zu vielen Anstrengung immer stärkere Abnahme der Leibes- und Geisteskräfte hat erfahren müssen, endete endlich sein tatenvolles Leben durch ein sanftes Einschlafen ohne körper liche Leiden den 6. Oktober 1798 früh halb 3 Uhr und ward den 9. Oktober früh 7 Uhr unter Begleitung der sämtlichen männlichen hiesigen Bürgerschaft in der Stille standesgemäß auf dem inwendigen Kirchhofe an der Kirchenmauer auf der Morgenseitc zwischen den beiden Pfeilern bet dem Altar- fenster beigesetzt, seines Alters 70 Jahre, 7 Monate und 3 Wochen. Ein wahrer Menschenfreund, der mit Gerechtigkeit und großer Leutfeligkeit fein langgesührtes Amt verwaltet und mit Recht eine allgemeine Hochachtung und Liebe von Einheimischen nnd Fremden genossen hat. Sanft ruhe seine Asche, und mit Ehren erwache er zu vollkommern Leben! Aus freiem Triebe hielt ich ihm eine Gedächtnisrede und stellte vor den Menschenfreund in seiner wahren Gestalt und hohen Würde." Dem vortrefflichen Mann setzten Frau und Kinder ein Grab- mal in den zopfigen Formen der zweiten Hälfte des 18. Jahr hunderts. Jetzt hat es rechts des Haupteinganges zu unserer Stadtkirche eine vorübergehende Stätte gefunden, bis die Um- gebung der Kirche eine Neugestaltung erfahren wird. Es ist von geschickter Hand aus Sandstein gemeißelt, ein schönes Werk deutscher Bildhauerkunst, an dem freilich Wind und Wetter ihre zerstörende Wirkung getan haben. Aus einem vier- fach geteilten, sich nach oben verjüngenden viereckigen Unter bau erhebt sich eine von einer breiten Urne gekrönte dorische Säule, an der zwei ovale, von Lorbeerkränzen eingefaßte Me- daillons liegen. 3m linken Medaillon liest man: Hier schlummert seit dem 6ten Oktober 1798 Hr. Theophilus Leßing 50 Jahre lang allhier gewesener Churs. Sächs. Amtmann nach vollendeter 70 jähriger Laufbahn zum frohen Erwachen am Morgen der Ewigkeit. Von der Inschrift des rechten Medaillons sind nur noch fol gende Worte lesbar: Hier ruhet seit dem 4. Oktober 1808 Frau Rahel Christiane Leßing geb. Weidlich Am Sockel stehen Spruch und Widmung. Oben: Ruhe, süße Ruhe, schwebe friedlich über Eure Gruft, Bis Euch einst der himmlische.Beschützer zum Empfang der Krone ruft. Unten: Er war ein tätiger, treuer Mann im Amte, — Ein Menschenfreund — Ein wahrer Weiser und ein Christ — Dies ist der ungeheuchelte Nachruhm seiner Zeitgenossen; Ein treuer Gatte — Ein liebreicher, sorgfältiger Vater — Ein redlicher Freund — Dies der tränenvolle Nachruf seiner betrübten Witwe, 12 dankbarer Kinder, Enkel und Urenkel und all seiner Verwandten. Möge sich jeder, den sein Weg an diesem Gedächtnismal nach erfolgter Wiederherstellung vörüberführen wird, der stil vollen Schönheit erfreuen. Eines besonderen Ereignisses aus dem Leben des Amt- mannes aber müssen wir noch Erwähnung tun. Hatte doch die Postkutsche einen der bedeutendsten Männer der Lausitz ins Elsterstädtchen und Amtshaus zu Besuch gebracht: Gotthold Ephraim Lessing, den Pfarrerssohn aus der benachbarten Sechsstadt Kamenz. Das mag unsere Heimatstadt mit Stolz erfüllen. Und es war damals auch eine stolze Zeit, das friderizianische Zeitalter! Wie eigenartig: in dem Amtshause weilte der große Dichter und daneben kündet die Erinnerungstafel auf granitnem Stein von der Großtat preußischer Soldaten des 25. September 1759! Und es gehören beide zusammen: Das Denkmal und das Haus! Können wir uns doch die literarische Persönlichkeit eines Les- sing gar nicht denken ohne den politischen Hintergrund seiner Zeit, ohne den durch Friedrich den Großen geweckten freiheit lichen, kampfesmutigen und siegesgewtssen Geist und vor allem ohne jenes Nationalgefühl, das Preußens Großtaten entfachte. Umgekehrt aber läßt sich auch behaupten, daß, was Friedrich der Große für die deutsche Nation auf dem Schlachtfelde er- kämpfte, Lessing in gleicher Weise auch auf dem literarischen Gebiet erstritt. So lebt er fort als „der klare Denker, der unsterbliche Kri tiker, der ehrliche Mensch, der Dichter von großer Vaterlands liebe. Seine Vernunft war nicht kalte Vernünftelei, seine Kritik nicht Negation, sein Patriotismus stellte ihm nicht ein ideales Vaterland vor, sondern er erkannte die vielen Schäden seines Volkes und zeigte seine größte Liebe darin, daß er diese Schäden aufdeckte und die Mittel zur Heilung gab. Entgegen der Nach ahmung der Alten und Franzosen suchte er den Willen zu einer echt deutschen, namentlich dramatischen deutschen Kunst zu wecken." Bald jährt sich sein Todestag zum 200. Male. Die Lessing stadt will ihren großen Sohn gebührend ehren, ihm auf dem Lessingplatz ein Denkmal errichten, auch wird der Bau eines Lessing-Theaters in Erwägung gezogen. Dieses Tages zu ge denken, möge auch unsere Pflicht sein und wird die „Gesell schaft für Heimatkunde" ihre Vorbereitungen dazu treffen. , Wie so oft knüpft sich auch an diesen Besuch des Dichters eine kleine Anekdote. 3m „Beitrag zum Hoyerswerdaer Hei- matbuch" schreibt Herr Spenner darüber: „Unfern Blick fesselt ein stiller Knabe, der an der Hand seines Onkels, des würdigen Amtmanns, unser Schloß be tritt. Von Kamenz ist er hergewandert, den Wissensqualm der Meißener Fürstenschule in Ferienspielen zu vergessen, und an einem trüben Regentage sitzt er im Amtshaus und ritzt seinen Namen „Gotthold Ephraim Lessing" in die Fensterscheibe, wie die gestrenge Tante leider erst nach seiner Abreise ent deckte." Abweichend macht Geheimrat Robert Lessing in seinem 1919 erschienenen zweibändigen Werk „Die Geschichte der Familie Lessing" folgende Mitteilung: „Die Überlieferung berichtet, Gotthold Ephraim hätte bei einem Besuche in eine Fensterscheibe das Bekenntnis ein geritzt : I>Iunguum kZo neque pecunius neque teatu muAni- kicu nepue opes neque imperia in bonis (ttuxi), d. i. in freier Übersetzung: Nie habe ich Geld, prächtige Gebäude, Macht und Herrschaft zu den Gütern gerechnet." Leider ging die Scheibe vor vielen Jahren in den Besitz des Stadtbibliothekars Klix in Kamenz über. Auf dem Transport nach Berlin zersplitterte sie in kleine Scherben, wodurch die Angelegenheit ungeklärt bleibt. Unser Interesse gilt nun den weiteren Bewohnern des Hauses. 1808 verschied die Gattin des Amtmanns Leßing. Vorläufig war es nicht möglich, die Besitzer bis zum Jahre 1843 fest- zustellen< Es gehört alsdann der verwitweten Rentmeister Kayser,