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Rath und dessen Miltglieder, ihrer von Gott und Lhurftl. Durchlaucht vorgesetzte ordentliche Obrigkeit allen gebührenden Respeckt und Gehorsam, ihrer Pflicht gemäß jetzo und ins- kiinfftige zu erweisen, schuldig seyn sollen, und alles das thun, was treuen und gehorsamen Ünterthanen und Bürgern zu thun wohl anstehet und gebühret." Diese beiden Verordnungen wurden erlassen vom Landes. Hauptmann Hans Adolph von Haugwitz. Sie regeln vor allem die Berwaltungsangelegenheiten der Stadt. Aus dem Jahre 1654 ist aber noch eine dritte Verordnung erhalten, die der Rat der Stadt erließ und die ebenfalls wie die des Landes hauptmannes den Sinn hat, Ordnung und Frieden wieder in der Stadt herzustellen. Aus den Maßnahmen, die zur Auf. Hebung der Mißstände dienen sollen, läßt sich auf diese selbst schließen. Die Staatsautorität hatte in den langen Kriegs» jähren empfindlich gelitten. Wer beugte sich noch vor der Obrigkeit, wo jeder sah, wie er das nackte Leben fristen mußte? Wer darum in dieser Zeit vor den Rat oder ein Gericht ge» rufen wurde, ließ es wohl ost an der gebührenden Höffent- lichkeit und Untertanenbrwußtsein fehlen, wenn er sich nicht gar an dem Gerichte vergriff. Darum bestimmt die Verordnung zuerst, daß „vor dem Rath und denen Gerichten jederzeit Bescheidenheit gebraucht werden soll" und „des Raths und der Gerichte Diener niemand in ihren Befehligen und Ge- schäften, Inhalt noch Gewalt thun soll, da sichs aber jemand unterstehen würde, der soll Leibes und Guttes in Gefahr stehen." Am Ende des Krieges und in den ersten Friedensjahren war die öffentliche Sicherheit geschwunden. Jeder Bürger sand es darum für ratsam, stets eine Waffe zu seinem Schütze mit sich zu tragen. Freilich wurde auch oft Mißbrauch mit diesen Waffen getrieben. Was galt noch ein Menschenleben nach dreißig Jahren Krieg? Hatte man nicht ständig das Morden und Töten mit ansehen müssen? Eine ganze Generation war ausgewachsen, die nicht wußte, was Frieden ist. Darum griffen manche bei den geringsten Streitigkeiten zu den Waffen, besonders wenn sie vom Weine erhitzt waren. Deshalb „ist im Weinkeller, und so weit das Rathauß samt dem neuen Haube, mit seinen Mauern inbegriffen, eine stete unverbrüchliche Freiheyt, darinnen jedermann in Freuden sitzen, zechen und gutter Dinge seyn kann, welche, so jemand in Frevel und Worten oder Wercken brechen wird, der soll nach Gelegenheit und Berbrechung unnachlässig und ernstl. gestraft werden. Wer sonsten in Frevel eine Wehr über den andern ziehet, der büßet dem Rathe 15 gld. und die Wehre ist dem Rathe verfallen." Manchmal liefen die Streitenden einander bis in die Häuser nach, schlugen und schaffen mitten in der Stadt. Auch dies verbietet der Rat: „Wer auch jemand in sein Haus freventlich nachlaufft, scheust, wirfst oder schlägt, oder aber aussodert, wird er dessen überwiesen, der ist dem Rathe in ihre Straffe gefallen." Das Wegelagern hatte man von den entlassenen Soldaten gelernt. (Siehe dazu das Beispiel aus dem „Sim- plizissimusl") Das Räubern gehörte zum Beruf der Soldaten im Kriege. Er nannte es dort „Beute machen". Um den allgemeinen Landfrieden wieder herzustellen, verbot der Rat natürlich diese Sitte: „Wegelagert einer dem andern, und wird dessen überwiesen, der ist gleich dem obigen als ein Friedensbrecher ernstl. in des Rathes Willkühr zu bestrafen." Auch Verleumder, Meineidige und Gotteslästerer sollten dem Rate ebenfalls „mit ihrem Leibe" verfallen sein. In der Hitze eines Wortgefechts geschah es ost, daß einer im Wirtshaus mit einem ZInngejäß dreinschlug oder es seinem Partner an den Kopf zu werfen versuchte. Darum bestimmte der Rat, daß „alles zinnerne Gefäße, damit geworfen oder geschlagen wird, dem Rathe verfallen seyn soll und vom Thäter dem Wirthe ein neues geschaffet werde." Fast alle diese angeführten Vergehen geschahen im Wirtshaus in der Trunkenheit. Darum richtet der Rat seine Verordnung vor allem gegen das Wirtshauswesen. Es wurde verboten, an Abenden vor Sonn- und Festtagen Bier und Wein auszu schenken. Die Polizeistunde wurde auf abends 10 Uhr angesetzt. „Wer nach zehnen im Bierhause gefunden wird, soll zur Straffe geben sechs gld. und der Wirth welcher Bier und Lichte dazu gibt 12 gld." Das Zechprellen schien ebenfalls stark üblich zu sein. Der Rat verbietet es mit einer Strafe von ebenfalls sechs Gulden. Im Kriege hatten sich durch die fremden Krieger viele fremde Sitten eingebürgert. So vor allem das Tabakrauchen und — aus Frankreich — das Branntweintrinken. Gegen diese üble Sitte schreitet der Rat zu einem teilweisen Alkohol verbot. „Branntwein brennen soll niemand, noch schenken bei Verlust des Bürgerrechts." In den Wirtshäusern ging es nicht immer so ordentlich zu, wie man es im Interesse der öffentlichen Ruhe und Ordnung hätte wünschen mögen. Darum setzte der Rat fest, daß „nach neun Uhr nicht unvernünfftig geschrien, gepaukct, gepfiffen noch ander Unfug vorgenommrn noch getrieben werden" sollte. Durch den Krieg war die alte Spielleidenschaft des Deutschen stark gewachsen. Die Soldaten brachten ihre geraubte Beute im Spiel wieder durch, und wohi niemals hat das Sprichwort „Wie gewonnen, so zerronnen" so große Bedeutung gehabt wie im dreißigjährigen Kriege. Der Rat verbietet das Spielen nicht ganz, schränkt es aber stark ein, indem er bestimmt, „daß über einen Kreutzer zu einem mahle nicht ausgesetzet werde." Strenge Bestimmungen wurden auch erlassen, um eine Feuersgefahr zu verhüten. Alle Feuerstätten sollten gut ver- wahrt sein, und in jeder Hausflur sollte der Besitzer ein Faß mit Wasser gegen ein ausbrechendes Feuer bereit halten. Bor allem den Bäckern wurde es zur Pflicht gemacht, gut auf ihren Backofen zu achten. Sie durften des Nachts kein Holz in den noch warmen Ofen stecken, wie sie wohl manchmal taten, um früh mit dem trockenen Holze ein leichtes Anfeuern zu haben, „bey Leibesstraffe 4 Wochen zu Unterst in Thurm sitzen." Auch das Heu sollte nicht in die Stadt gebracht werden, sondern mußte außerhalb in den Scheunen untergebracht werden, ebenfalls um Feuersgesahr zu verhüten. Auch auf den Straßen suchte man die öffentliche Ordnung wieder herzustellen. Darum bestimmte der Rat: „Die Gaffen sollen für (— vor) der Einwohner Thüren, so viel mögt, rein gehalten werden, Mist, Holz, Schutt und Steine über gebührliche Zeit, als über drei Wochen dafür nicht behalten, sondern unsäumtlich weggeschafft werden, bey Straffe eines Raths Freundes V2 Marck, eines geschwornen 18 gld. und eines gemeinen Bürgers 12 gld. so offt jeder darwider handelt, auch soll in der Wochen zum wenigsten Einmahl für den Häusern gekehrt werden." Auch das Vieh sollte wieder von den Straßen der Stadt verschwinden. Dies war schon vor dem Kriege verboten gewesen. Durch den Krieg war diese schlechte Sitte wieder aufgeblüht. Um die Sauberkeit der Straße noch weiter zu heben, verbot man, daß „das Wasser bey den Röhrtrögen, oder sonsten auf denen Gaffen, für denen Thüren, und die Mistjauche, auch das Ausgießen aus den Fenstern und Thüren soll gäntzlich verbothen seyn." In vollständiger Verwahrlosung befanden sich natürlich auch die Landstraßen. Endlose Truppentransporte waren über sie hinweggegangen, und durch dreißig Jahre hindurch hatte sich niemand viel um sie kümmern können. Wenn man den Handelsverkehr der Stadt wieder heben wollte, mutzte man vor allem die Landstraßen in gute Ordnung bringen. Darum „sollen die Gräben in Feldern und Wiesen zur Erhaltung der Straßen geräumet werden, und der Gebühr nach gehalten, wie auch die Wege, sondert, die Landstraßen, von E. E. Rath tüchtig und wohlgehalten werden." Wer hatte im Kriege nach einer Landstraße gefragt? Man ging dort, wo man es für richtig hielt, über Wiesen und Felder, wie gerade es den Soldaten einfiel. Dies mußte aufhören: „Wer über Acker und Wiesen Wege und Stege macht, die zuvor nicht gewesen seyn, soll nebst Ersetzung des Schadens, mit Gefängnis oder Geldstraffe belegt werden." Aus allen diesen Bestimmungen sieht man, wie man sich bemühte, die Schäden des großen Krieges wieder zu heilen.