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Ns Gberlaufltzer Helmatzeltung Nr. 13 das Riegergut mit aufsuchen oder „umfloßen", wie sie es in der mundartlichen Bildersprache nannte. Nach einiger Zeit war sogar der Bescheid gekommen, an welchem Tage sie erscheinen werde. Der Bauer sagte niemandem ein Wort, wie weit die Dinge schon gediehen waren, denn er wußte nur zu gut, daß er auf allen Seiten aus Wider stand stieß, bei Ruth aus offenen, bei den andern auf geheimen. Und noch zwei gingen an einander vorbei, als seien sie Luft für einander, das waren Ruth und Leo. Der Zimmermann biß sich auf die Lippen, so oft er gezwun gen war, in des Mädchens Nähe zu weilen. Geschah das auch selten, so ließ es sich doch nicht immer umgehen, wie zum Beispiel während der Mahlzeiten, die in der Gesindestube gemeinsam eingenommen wurden. Kein Wort wurde zwischen den Beiden gesprochen. Sie sahen geflissentlich aneinander vorbei, beobachteten aber einander heimlich um so schärfer. Trafen sich aber ihre Blicke unversehens einmal, so glitten sie schnell auf die Um gebung über, als hätten sie sich nur zufällig gestreift. Es war ein Nachmittag zu der Zeit, die kurz vor der Ernte dem Landmanne eine Pause gibt, daß er sich verschnaufe und Kräfte für die heißeste Arbeit sammle. Der Riegerbauer hatte eine Unruhe im Leibe, die man sonst nicht an ihm gewohnt war, die aber heute ihren bestimmten Grund hatte. Die Zickeln wollte heute vor sprechen. Sie hatte ihm bedeuten lassen, es sei zwar nicht an ihr, zu ihm zu kommen, aber da sie einmal in der Nähe sei, wolle sie eine Ausnahme von der Regel machen. Im Hofe saß der alte Eduard, schüttelte mit dem Kopfe und dengelte eine Sense. Den Dengelpflock mit der Eisenspitze hatte er vor sich zwischen den Beinen in die Erde gesteckt. Hinter ihm stak ein Stab mit einer Schlinge, in der der Handgriff der Sense hing. Die Scheide lag auf dem Eisenprisma des Pflockes, und der Hammer sang sein Zwiegespräch mit dem Stahlblatt. Pink pank, pink pank. Was nur der Bruder immer an den Zaun zu laufen hatte, von dem aus er über das freie Feld schauen konnte? „Woartst Du of ees?" fragte er endlich neugierig. „Iech wöst nö, of wan," klang es ungehalten zurück. Aber Eduard wußte sich trotzdem seinen Vers zu singen. Also Besuch hatte sich angemeldet. Er konnte sich nicht enthaltens, mit leichtem Spott zu sageü: „Iech docht ock, weil D' wie an Sejgerschleuder hie- und har- leefst." August brummte nur unwirsch in seinen Bart. Daß ihm der Bruder auf die Sprünge kam, behagte ihm nicht. Der Besuch würde noch zeitig genug unliebsames Auf sehen unter den Bewohnern des Gutes verursachen, sagte er sich. Wo sie nur blieb? Eigentlich hätte sie schon längst da sein können, traf doch der Lokalzug schon gegen drei Uhr im Nachbarorte ein, und jetzt krächzte eben die alte Kirchenuhr vier heisere Schläge. Ärgerlich brummte der Bauer und schritt über den Hof am Bruder vorüber. „Woas meenst?" brummte dieser, erhielt aber keine Antwort Das wiederholte sich noch einmal, nur mit dem Unterschiede, daß der Rieger-August unwirsch antwortete: „Nischt, goar nischt." Bei sich überlegte er, ob es nicht ratsam gewesen sei, der Frau Zickel einen Wagen zur Bahnstation zu schicken, aber im nächsten Augenblicke schon verwarf er diesen Gedanken, indem er sich sagte, man dürfe ein „Weibvolk" nicht verwöhnen, sonst hätte man es mit dem ersten schon versehen. Eduard machte sich aber schon seine ganz richtigen Gedanken, nur bestäiigt wollte er sie vom Bauer wissen, weshalb er in gleichgültigem Tone sagte: „De Zickln hätt'ch nu egntlich bahl amo sahn lossn könn," August fuhr zusammen und sah den Bruder scharf an, woraus dieser nun sehr richtig schloß, daß er auf der rechten Fährte war. Es sei ganz gut, wenn sie es nicht so ängstlich habe, erwiderte August, bei ihm pressiere es doch auch nicht. „Nu ja, nu nee," brummte Eduard, und dachte sich sein Teil. Der Bauer tat einige Schritte zur Scheune, pfiff sich schließlich eins, ging dann wie ganz von ungefähr wieder am Zaune entlang und spähte mit scharfem Blick die Landstraße entlang, immer beflissen, dieses Tun vor des Bruders Augen zu verheimlichen. Immer war sie noch nicht zu sehen, die Zicklwitsrau aus Hennersdorf. Dem Eduard gegenüber fühlte er sich zu einer Erklärung seines Ausschauens bewogen, denn daß dieser ihn beobachtet hatte, merkte er. Darum sagte er, daß er nach dem Himmel ausgeschaut habe und daß es aussehe, als ob bald Regen kommen wolle. Eduard schüttelte seinen Kopf stärker, lächelte ver schmitzt und erwiderte: „Aus dan Winkl is der Rajn oh no ni gekomm, wemmer n Wind vo dr annern Seit harkriegn." Verdrießlich biß sich August in die Lippen und murmelte etwas verlegen: „s is moanchmol narrsch." „Nu ja, nu nee." Mit sich hielt der Bauer folgendes Selbstgespräch: „s is ömmer gutt, wemmersch derwoartn koan. Ich zer reiß miech öm de Zickln nö. Wenn sö do sein wörd, össe do. Aber of se lauern, fällt mär nö ei." Dabei stand er aber schon wieder am Zaune und sah angestrengt über die Felder. Welches Unheil über seinem Haupte schwebte, ahnte August nicht. Was mußte der alte, ehrliche Bauer von einer Hofkamarilla? Und doch bestand eine solche. Und Eduards Gedanken waren eben bei ihr, als er vor bereitend bemerkte, die Foasoldn in Diemdorf wolle auch wieder heiraten. August schüttelte den Kopf und meinte, die werde wohl kaum einen zweiten Mann bekommen, das alte Reibeisen sei doch in der ganzen Umgegend als das gröbste Weibsvolk bekannt. „Nu ja, riädn koan se," versuchte Eduard dieses Urteil abzumildern. Aber der Riegerbauer wurde richtig wild darob. „Woas, riädn?" schrie er, „n ganzn Tag nischt wie röm- fluchn, soi ock lieber! Miär hängt dar Drach zon Hoals raus. Kretz verdoammt namo, iech koan die Mensch» nö leidn, die ömmerfort fluchn, s ös be an Moann nö schien, villwinger be a Fraun". Noch einmal spähte er über den Zaun und ging dann verärgert ob seines ver geblichen Wartens in das Haus. Eduard aber kratzte sich die spärlichen weißen Haare und murmelte besorgt: „O je, o je, doas koan aber a schie Theater wardn." (Forlsetzung folgt.)