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Sonntag — Sonnentag Sonnentag! Schon zeigt sich das erste Grauen des Mo» gens. Mit ihm fliehe ich aus den engen Stuben, dem stei nernen Meer. Noch liegt alles im liefen Schlummer, traum verloren. Leichten Schrittes gehe ich durch die Straßen und Gäßchen, um es nicht zu wecken, das schlafende Leben. Denn ich liebe um diese Stunde die Einsamkeit. Von ihr umgeben, kann ich es besser erleben, das Erwachen der Natur, des Tages, mit seinen Feinheiten, seinem Hasten und Jagen. Gedanken voll gehe ich die Landstraße entlang. Heut ist mir der staubige Wurm eine Zauberwelt. Ich erfreue mich an all den Tau senden weißen und roten Blüten. Ganz still ist es, als ich den Walk betrete. Ein leichtes Bangen kommt über mich, wenn hier oder da ein Vogel erschreckt ausfliegt, irgend ein Wild sich flüchtet in das tiefere Dunkel der Tannen. Unweit höre ich noch das Plätschern eines Bächleins. Sonst aber ist schweigende Stille um mich. — Bald aber wird es lebendig. Ein frischer Morgenwind geht durch die grünenden Zweige. Mir ist, als rauschten sich die Riesen des Waldes den Morgengruß zu. Kleine, bunt gefiederte Vögel beginnen zu zwitschern, zu singen und zu jubilieren, begrüßen voll Freude den Morgen, den kommenden Tag. Ich höre das Hämmern der Spechte, das Rufen des Kuckucks. Uber mir kreist mit schwerem Flügelschlag ein Raub vogel und späht nach Beute. Im wuchernden Waldgras erhebt sich ein Häschen, spitzt seine Ohren und hüpft davon. In einer Waldlichtung erblicke ich einige Rehe, zupfend und naschend vom jungen Gras, behangen mit perlenden Tautröpfchen. — Mühelos erklimme ich den Bergesgipsel. Losgelöst von allen Mtagssorgen, schaue, höre und sühle ich so unendlich viel. Immer rascher wird es Heller. Gespannt und freudig schaue ich gen Osten. Schon steigt langsam und majestätisch herauf aus der Unendlichkeit die Sonne. Tief ergriffen schaue ich in die purpurrote Glut. Sinnend betrachte ich dieses herrliche Naturschauspiel. Im Tal zerreißen die Nebel, entfliehen. Die Stadt, das Dorf liegt zu meinen Füßen. In den Scheiben der Fenster brechen sich die ersten Sonnenstrahlen. Noch immer glühen blutrot ziehende Wolken. Phantasiegebilde entstehen, gewinnen an Form, vergehen. Endloses Wechselspiel. Ties neige ich mich vor ihr, der Sonne, der göttlich ewig spendenden Kraft. Ehrfurcht empfinde ich vor ihr, die alles umfaßt. Weil ich erkenne, daß sie die Schöpferin alles Lebendigen ist, ehre, achte und liebe ich sie, wie das Kind seine Eltern, die ihm das Höchste gaben, das Leben. Sonnentag! In deinem Glanz stehe ich nun, ein Mensck, und doch nur ein ganz winziges Wesen im All der Natur. Ich würde fortgeschwemmt werden wie das Sandkörnlein vom Strom, hätte ich nicht die Anker ausgeworfen, tiesversenkt im festen Glauben, daß ich nicht allein bin, sondern mit Tausenden Menschen verbunden, die eines gleichen Willens und Geistes sind. So fühle ich mich verpflichtet und kann auch als Ein zelner so unendlich viel schaffen an mir selbst und an meiner Umwelt. Mich selbst befreien von allen Lastern und Leiden schaften, mein Leben veredeln, den Geist schulen, den Körper stählen, ist eine schwere, gewaltige Tat. Und doch muß ich sie tun, so ich den Mitmenschen Helsen will. Die Kraft, um die Tat zu vollenden, gibst du mir, Sonnentag, Mutter Sonne! Sonnentag! Schon bin ich im Tal. Um mich her ist Waldeseinsamkeit, in mir aber heilige Glut. Hier kann ich alle Alltagskleider abwerfen: meinen nackten Körper umflutet goldenes Sonnenlicht. Die Poren weiten sich, meine Lunge atmet tief ein. Nicht den Blicken der Menschen preisgegeben, die noch immer Anstoß nehmen am nackten Körper, mich des- halb verspotten, kann ich Freude empfinden an meinem von der Sonne verbrannten, von Arbeit und Sport durcharbeiteten, geschmeidigen Körper. In dieser gesunden Hülle regt sich auch ein gesunder, sittlicher Geist. Sonnentag! Im Grase am murmelnden Bach liege ich, für heut ein freier Mensch. Schaue das frohe Spiel der flinken Forellen, der bunten Schmetterlinge und Libellen, das emsige Schaffen und Treiben der Ameisen. Ja, das ist ein Volk, das einig ist in seiner Größe, stets zu gegenseitiger Hilfe bereit. Das Blühen der Blumen, in tausenderlei Farben, und doch alles in Harmonie, das stolze Lichtwärtsstreben der Bäume. Uber mir ein treibender Wolkenzug, gleich einem suchenden, vorwärts drängenden Menschen. Und dann das klare Blau des Himmels. Herrliche Stunden der Freiheit! Sonnentag! Stumm liege ich und schaue, lausche. — Lausche dem heimlichen Singen und Klingen. Hundert Melo- dien höre ich von nah und fern. Die Stimme der Natur spricht zu mir durch das Rauschen der Blätter der Bäume. Geheimnisvoll ist das Murmeln der Wellen des Bächleins. Wie dumpfer Glockenschlag und Orgelton ist das Summen und Brummen fleißiger Bienen und Hummeln, welche Ein kehr halten bei duftenden Blumen, Honig sammeln und sie befruchten. Groß ist ihr Werk, erhaben ihre Sprache. Kein Künstler entlockt seiner Fiedel solch süße Töne, wie sie an mein Ohr dringen, wenn der Wind so leise durch die Gräser geht. Uber mir trillernde Lerchen. Immer höher, lauter und mächtiger werden die Melodien, bis alles nur ein Klang, ein einziger berauschender Ton oder ein süßes Singen, ei» sanftes Schwingen ist. Ein Danklied für die Mutter Sonne! Sonnentag! So empfange ich deine Gaben mit halb geschlossenen Äugen, bis daß ich träume. Träume von einer andern Zeit. Nichts fühle ich mehr vom rasenden Rad dieser Zeit, vom Hasten und Schaffen der Menschen. Der Mensch ist einig mit sich selbst und seinen Mitmenschen. Bergeisen ist der Streit, das gegenseitige Morden. Zurückgekehrt zur Natur, gewinnt er alle ihre Lebewesen lieb, lernt sie achten und schätzen als Werk einer höheren Kraft. So ist mir entschwunden das wilde Getriebe der Stadt. An mein Ohr dringt nicht mehr der betäubende Lärm stampfender Maschinen. In diesem Stück Welt, im Reich der Schönheit und Vollendung, wachse ich empor zum denkenden, fühlenden Menschen. Dann nehme ich den Hellen Glanz des sonnigen Tages mit zurück in den tosenden Wirbel und Strudel der Arbeit, des Alltags, trage denselben in muffige Schreibstuben, mit ihm fülle ich die schwarzen, staubigen Werkstätten. Leidende erfreue ich durch mein sonniges Wesen, mein freies Lachen und frohes Lied. Das Leben gewinne ich lieb, liebe mich selbst und vertraue meiner Kraft. Darum fühle ich mich stark und glaube, den Schwachen helfen zu können. Ewald Hanzig. SNorgenVvanderuns Lin Städtchen liegt im Morgsnschein, Es blinken First und Scheiben. Wer widerstände seinem Gruß, Ein Weilchen zu verbleiben? Lese sind die Gassen, stumm der Markt, Ein Hahn hebt an zu krähen, Gevatter kommt zur Tür heraus. Dem Wetter nachzuspähen. Ein weißer Turm mit rotem Dach Schaut gar gewichtig nieder. Als schweigend wir vorübsrgshn, Erklingen sromms Lieder. Hart front am Strang ein Gchjsnpaar And knurrt und schleicht vorüber. Die weiße Straße zieht ihr Band Dis weit ins Land hinüber. Nm Dache blüht der Wsidsnbujch And glänzt im jungen Märzen, Es weitet sich dis enge Drust, Ls quillt aus vollem Herzen Ein Wanderlied, flugs flishn dakin Dis leichtbeschwingten Stunden. Das Glück streut seine Gaben aus . . . Wohl dem, dec sie gefunden! Anion H. Marjchnor, Warnrdorj.