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antreten, so wollte sie doch noch eine Genugtuung dabei haben. Wieder saß sie nun unter der Linde und grollte dem Bater, daß er sie vor fremden Leuten derart herunter gekanzelt hatte. Daran dachte sie nicht, daß sie ihn ja erst auch vor Fremden bloßgestellt hatte. Und doch war sie froh, nun das Geschwätz der Kraut-Lenore nicht mehr zu hören. Herr des Himmels, ihr war es ganz übel dabei geworden, während sie hatte zuhören müssen, wie die ihren Schafskopf von Jungen herausstrich. Herrgott, da kam der schon wieder aus dem Garten Wie ein Häuflein Unglück schlich er einher. Vom Kirchenturme herab tönte der Bieruhrschlag. Besperzeit also! Wo nur der Adam bleiben mochte, dachte Ruth. Er steckte nun schon seit früh im Holze oben auf dem Tannicht und mußte doch nun bald zum Essen kommen. Das Mittagsmahl hatte zwar der Küh- junge hinauftragen müssen. Aber zur Vesper sollte der Bursche selber kommen, denn am Sonntage, wenn schon an diesem Tage einer arbeitete, so machte er wenigstens um vier Uhr Feierabend. Wie sie jetzt gerade an den Leo-Adam denken mußte! Nur weil eben der Vollschlaq der vierten Stunde ertönt war? Sie meinte, das sei der Grund. Die Wahrheit gestand sie sich nicht ein. Die bestand aber darin, daß ihr unwillkürlich der Vergleich zwischen dem Krautbauer- sohn und dem Zimmermann Adam zu Sinnen ge kommen war. Tonl trat näher. „Do bien'ch wieder," meinte er mit blödem Lächeln zu dem Mädchen. „'s ös gutt, doß D's glei soist," empfing ihn Ruth mit gewohnter Schnippigkeit, „mer kennt's sonst of d' letzt nö sahn." „Nu, ne wuhr, höhöhöhöhö," lachte der Bursche un befangen. Wie sie nur diesen Menschen loswerden sollte. Keine noch so scharfe Ausfälligkeit genügte bei dem. Er ka pierte sie einfach nicht. „Woas wöllst mer denn nu der- ziähln?" fragte sie hochmütig. Tonl sann einen Augenblick und gab dann unbefangen zu, daß er dies noch nicht wisse. Aus Ruths Augen blitzte die Bosheit, als sie fortfuhr: „Do war'ch Diech a brinkl ofn Trichter breng. Vurtn host vo Euern Bulln oud onsn Schwein geredt. Mer hoan oh an schwoarzn Koater." „Iasu", entgegnete Anton Kraut. „A ös su faul ond fett, doaß a goar Kenner Koatz mich anochsteign koan." „Ne su woas!" „Wenn'ch mer dan moanchmo su oaguck, muß'ch richtg oa Diech denkn." „Nanu, woarömdn groad oa miech? Iech bien doach no nö su fett ond su faul." „Doas ju ne groad. Aber wenn Du Dersch amo ei- foalln läßt, doß D' an Majdl nochleefst, do sist groad su onbholfn aus." Sie glaubte jetzt, einen großen Trumpf ausgespielt zu haben, doch Tonl dachte garnicht daran, seine Karten eingeschüchtert aufzulegen. Ein Verwundern ging über sein Gesicht und sprach auch deutlich aus seinen Worten: „Iech lauf doach Kenner anoch." Ob dieses Geständnisses mußte Ruth wohl oder übel lachen. „Oach su, nu do niem mersch ock nö ibl!" entschul digte sie sich ironisch. „I nee," lautete die gutmütige Antwort. Tonl stand nun neben dem Mädchen, ohne ein Wort zu sagen. Für jeden anderen wäre das eine etwas fatale Situation gewesen. Doch er machte sich nichts daraus. Ruth aber sagte mit Vorbedacht kein Wort, um ihn nicht noch länger aufzuhalten, denn bei sich hoffte sie, daß er sich recht bald wieder drücken möge. Sie konnte schon seine Schlafmützigkeit allein nicht leiden. Da ward ihr Erlösung. Von der Feldseite her erscholl lustiges Pfeifen. Sonderbar, in Ruths Wangen trat das Blut mit ver räterischer Röte. Und durch die offene Scheuneneinfahrt trat ein schmucker, zwanzigjähriger Bursche. Unter dem rechten Arme trug er ein Brett. Als er Ruth gewahrte, wollte er im ersten Augenblicke wieder umkehren, um vielleicht von außen durch die Hintertür in das Wohnhaus zu treten. Aber er mochte sich sagen, daß dies zu auffällig sei, gab sich einen Ruck und schritt auf die Zwei unter der Linde zu. Ruth hatte sein Zögern wohl bemerkt und zornig auf den Boden gestampft. Was das doch mit dem Adam- Leo war, hatte er da richtig ihr wiederum ausweichen wollen! „Gun Tagg!" grüßte Adam kurz und ließ sich am andern Ende des Tisches auf der Gegenseite nieder. Auch Ruths Erwiderung war genau so kurz. „Gun Tagg oh!" brachte Tonl langsam heraus. Die kurz angebundene Art des Burschen verdroß Ruth so, daß sie nicht mehr daran dachte, was sie vor hin während des Streites mit dem Bater gesagt hatte, nämlich den Adam vollkommen links liegen zu lassen. Ihre Eitelkeit bäumte sich zu hoch auf, als daß sie dieses Übersehen ihrer Person von feiten des Burschen hätte ebenfalls mit Nichtbeachtung bestrafen sollen. Und dann zog es sie nun einmal zu ihm, wenn sie sich das auch selbst nicht zugab. Der Krautbauernsohn stand ihr ziemlich nahe. Sie stand auf, legte ihm die Rechte auf die Schulter und flüsterte ihm leise zu: „Du, Tonl, soi ock a brinkl woas! Miär wörd's sonst zo langweilig." Dabei zog sie ihn ein Stück vom Tische weg, beobachtete aber dabei immer verstohlen die Züge des andern. Der schaute finster nach dem Paare und kaute an den Spitzen seines pechschwarzen Schnurrbartes. Was mochten bloß die Beiden dort miteinander zu flüstern haben? Etwa nur nach dem Sprichworts, daß ein Geld sack den andern magnetisch anziehe? Konnte wohl nicht anders sein. Er sagte sich, die Sorte habe ja nur Sinn für ihresgleichen und alle anderen Menschen seien Luft für sie. Ziemlich laut ließ sich Tonl mit jämmerlicher Stimme hören: „Woas soll 'ch der denn derziähln? Vo Euern schwoarzen Koater weeß iech doach goar nischt." Um Ruths Mundwinkel zuckte der Spott. Aber vertraulich raunte sie ihm zu: „Räd ock a bößl leiser! 's braucht doach nö de hoalbe Walt hiern, vo woasn miär riädn." Die Mienen des eben Dazugekommenen verdüsterten sich zusehends. Was mochten wohl die Beiden mit einander zu flüstern haben? Immer wieder ging ihm die Frage durch den Kopf. llSortsrtzung folgt.)