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Schattenrisse ragen die äußersten Spitzen der Gipfel von den mehr als 100 Jahre alten Kiefern in den Feuerball hinein: trotz seiner Vergänglichkeit ein eindrucksvolles Bild. Wieder tauchen Wald, Moor, Sumpf und Teich in den Nebelmassen unter, das graue Nichts läßt uns auf unserer Insel — halb Wasser, halb werdendes Land — allein in unserm Kahn, der einzige Gegenstand, der mit seinem Durchschneiden der wurzelnden Schwimmpflanzen dem Ohre Reize bietet. Um 6 Uhr lichten sich die Nebel massen, ziehen sich langsam an den Bergen (Mühl-, Petz- und Buchberg) hinauf und verschwinden in den Tälern. Wir sind an der Schlauchmündung der vereinigten 3 Gräben, die das Wasser der Quellen im Norden, Osten und Süden sammeln und in 2 km langem Laufe durch prächtigen Hoch- und Bruchwald dem Heideteiche zuführen. Die Flösselquelle liefert von ihnen ein ganz vorzügliches Trink wasser, wie der Bewohner des Hegerhauses „Am Flösse!" aus eigner Erfahrung zu berichten weiß. An einem ein gefallenen Enten-Anstande, der am Rande des 1/2 km breiten Moores errichtet wurde, und mit seinem Hinter gründe an Gestade d?r Vergessenheit erinnert, gleitet der Kahn vorüber und scheucht einige Stockentenpaare auf. Die Morgensonne wärmt unsere Glieder und durchleuchtet den Teichgrund. Auch auf ihm siedelten sich Pflanzen im Kampf ums Dasein an: die Schaarpflanzen. Sie machen den Teichboden zu futterreichen Wiesen für die Fische. Hier in diesem Winkel sind es insonderheit die Laichkräuter, von denen etwa Vs Dutzend Formen sich angesiedelt haben und dem Botaniker ein beachtenswertes Beobachtungsfeld für die Wandelbarkeit der Formenwelt bieten. Un beiden Uferrändern sind die Verlandungs pflanzen, an erster Stelle das Blutauge und der Fieber klee, am Werke, durch Schaukelmoorbildung dem Wasser Raum für Neuland abzugewinnen. Doch vergessen wir nicht das Umschauen im Gelände. Einige aufgescheuchte kleinere Enten lenken schon den Blick ins Weite. Ein Fischreiherpaar schaut vom Standbaume nach einem guten Frühstück aus. Oder werden seine Augen gefesselt von den zu Wasser ziehenden Edelhirschen, deren Morgen spaziergang in den Gräben des Sumpfgebietes unfern Ohren merkbar wird? Wir sehen im Geiste das Bild, das unsere Augen oft zur Morgen- wie zur Abendstunde schon von einem entfernteren Platze aus schauten: Etwa 20 Rothirsche in stolzer Haltung durchs Wasser ziehn oder vom Teiche aus in aufgelöster Reihe durch die Sumps- gräben ihren nächtlichen Schlupfwinkel im Bruchwalde aufsuchen. In dieser unmittelbaren Nähe müssen wir auf das herrliche Schauspiel verzichten. Eine verlassene Lagerstatt der Wildgänse fesselt uns. Das „Gak-gak" der verscheuchten Bewohner erklingt an der anderen Seite des Teiches. Immer Heller wird die Sonne, die Nebel schleier verschwinden allmählich ganz. Zwei leuchtend weiße Punkte am westlichen Zipfel des Teiches auf einer Ufer-Erle verraten den gewechselten Standort des Reiher paares. Es befindet sich jetzt im Jagdgebiet des Rohr weihen-Pärchens, das von hier aus täglich auch den Großteich besucht: unser Nähern verscheucht die beiden Geführten über das Moor auf die Waldbäume. Ich freue mich, daß sie für die Büchse des Jägers unerreich bar bleiben. Nur vereinzelt zeigen sich die Wildenten: nichts verrät ihre große Zahl: wiederholt zählte ich zu anderen Tageszeiten bis zu 500 Stück, ohne bei der großen Entfernung die Arten seststellen zu können. Nichts verrät an unserm Morgen etwas von der reichen Besiedelung des Rohrs und Moors, das in einem stellen weise bis zu 500 m breiten Saume drei Viertel des Teich umfanges umfaßt und nur einen verhältnismäßig kleinen Uferrand für den Wanderer freiläßt. Im Hellen Sonnen glanze zeigt sich dieses Teichbild nun mit seinem Berg- und Waldrahmen: Kiefern an seinen Ufern, stolze Buchen auf den Höhen. Die Rundfahrt von 4 Stunden neigt sich dem Ende zu. Klar und ruhig ist das Wasser; zwei Tausendblattarten, die zu Tausenden auf dem Seeboden wachsen und den Hauptbestandteil des Strandgutes bei unruhigem See bilden, strecken ihre unscheinbaren Blüten ähren zur Bestäubung über den Wasserspiegel hinaus, während ihr Nachbar, das rauhblättrige Hornblatt, weder Wind nach Insekten dazu nötig hat; das Wasser besorgt diese Arbeit bei seinen untergetauchten Blüten. Am Nsrd- user, dem wir uns nähern, sucht eine zahme Entenfamilie am Rande des Wassers und in dem angespülten Strand gute nach Frühstück. Sie leitet unsere Gedanken aus der Natur wieder hinüber in die Kultur. Aber mit Dank im Herzen für das gütige Geschick, das dieses Erden fleckchen vor ihren Segnungen bisher geschützt hat und noch nicht ein Opfer einer Erfahrung werden ließ, die ein Naturfreund in die Worte faßte: Wo der Mensch s in der Überzahl hinkommt, da verhüllt die Natur ihr Haupt! scheiden wir von Fahrzeug und Führer. Auf dem Aussichtshügel neben unserm Ferienheim verweilen wir noch einige Minuten: nach Osten zu gleitet der Blick über Roseninseln und freie Wasserbahn hin bis zu den Buchbergen, im Süden nehmen die Bösige ein Morgenbad im Teich, westwärts hinter dem grünen Wiesenplane und dem Hirschberger Walde lenkt von allen Bergen des Gesichtskreises die Ruine Alt-Perstein auf dem Wrchhabener Berge die Aufmerksamkeit auf sich. Im Norden von uns liegt das schluchten- und talreiche Kummergebirge mit seinem Eckpfeiler, der großen Bornai. Hier auf diesem prachtvollen, mit Eichen, Buchen und Kastanien bewachsenen Basaltgipfel, unter dem unmittel bar der Großteich sich ausbreitet, faßte der Sage nach Kaiser Karl IV. den Entschluß zur Anlage des Groß- und des Heideteiches. Das Jahr 1366 wurde zur Ge burtsstunde dieser Zwillinge. Geräusche der Kultur wecken uns aus dem Träumen in der Vergangenheit in die Gegenwart: Im Sägewerk helfen die Wasser des Heide teiches Kraft und Schönheit selten schöner Buchenstämme aus dem Gebirge, Opfer von Stürmen, vernichten. Eine künstlich geschaffene Felsenschlucht leitet in etwa 6 m tiefem Felsenbett dem Werk das Wasser zu. Längst schon eroberte die Natur sich die steilen Felswände: Moose und Flechten bedecken sie, Farne und Blutenpflanzen siedelten sich auf ihnen an. Blaue Glöckchen läuten im Morgenwind, der leichtes Wcllcnspiel dem Rauschen der fallenden Wassermassen zuführt. Und vom jenseitigen Ufer äugt ein Edelhirsch zu uns herüber. „Wie schön, 0 Mensch, ist diese Welt, die Gottes Licht umfließt, ihr fehlts an Engeln nur, und nicht an Pracht, daß sie kein Himmel ist.'