Volltext Seite (XML)
L Mitteilungsblatt der Gesellschaft für Anthropologie und Urgeschichte der Gbselausitz-Dautzsn, der Mittslstslle für Hsimatforschung im Mark graftum Gberlausitz <Dautzen, Stieberstraps 36), des Vereins für Hsimatforschung ;u Lrostau, Kirschau und Schirgiswalde, der Gesellschaft für Heimatkunde, Hoyerswerda. Hauptschrijtleitung, sowie für Geschichte, Vorgeschichte, Volkskunde, Sagen und Aberglauben Dr. Frsnzsl, Bautzen, Stisbecstrape 36; für Naturwissenschaften Dr. Hsinke, Zittau, Komturstraps 5; für Kunstgeschichte und Kunstgewerbe Dr. Reinhard Müller, Zittau, Stadtmuseum, Klostsrgajjs 1. Manuskripten ist Rückporto bsizusügsn, da sonst ein Anspruch aus Rücksendung nicht besteht. Anberechtigtsr Nachdruck aus der „Gbsrlausitzsr Hsimatzeitung" wird strafrechtlich verfolgt. Postscheckkonto: Leipzig Nr. 27534. Bankverbindung: Gewerbebank und Girokasjs Reichenau Nr. 16. Allgemeine Deutschs Lrsdit-Anstalt, Zweigstelle Reichenau, Sa. für -§?eimaikunöe ScHristleiiung unö Geschäftsstelle m Reichenau.Scr. FennspcecHer Nr 2» Gefcr)ics)ie Dnucff u.Verlotz.Älwin Marx (Inh.OttoMai^) Süölausl'tzei- Nachrichten, Reichenau, Sa. Nr. 16 Sonntag, 9. August (Ernting) 1925 6. Jahrgang 3m schönen Vorland des Isergebirges Theodor Schütze — tzainitz b. Bautzen s ist jedem, der das Wandern auch als eine Art Kunst auffaßt, eine wohlvertraute Weisheit, daß die echtesten und innigsten Schönheiten der Natur meist gerade abseits der vielbegangcnen Wanderstraßen verstreut sind. So winken auch dem, der aufs Geratewohl das reizvolle schlesische Hügelland am Fuße des Isergebirges durchstreift, mannigfache überraschende Genüsse. Wir steigen in Greiffenberg aus. Die meisten kennen das Städtchen nur als Umsteige- oder Durchfahrtsort. Strömender Regen seit frühem Morgen! Trotzdem begeben wir uns auf den Weg, und bald nachdem wir am Stadtausgang den Queis überschritten haben und dadurch aus altlausitzisches Gebiet über- getreten sind, stellen die Wolken ihre unangenehme Tätigkeit ein und ziehen mürrisch und immer noch drohend dem Gebirge zu. Es ist ein dunstig-warmer Iunimittag. Bald stehen wir am bewaldeten Steilrand des Queistales. Bis hierher reicht das Staubecken der neuen Talsperre von Goldentraum, die vor etwa einem Jahre in Betrieb genommen wurde. Ehemals fruchtbare Wiesen und Felder sind ertränkt, verdorben: Feld wege führen nun sinnlos ins Wasser hinein. Unweit der Finken mühle ragen Reihen von Fichten aus dem Weiher. Noch grünen sie in neuer Sommerherrlichkeil — wie lange werden sie den tückischen Kräften des Wassers widerstehen, das unablässig ihre Wurzeln beleckt, ihre Stämme umspült? Düsteres Gewölk über dem versunkenen Tale: ein unsagbar ernstes, ein heroisches Bild! Kein Mensch weit und breit, in den Uferwäldern heiseres Krähengezänk. Frau Sonne ist strahlende Siegerin geworden, als wir nach Goldentraum hinaufsteigen, einem wahrhaft verträumten Marktflecken. Es scheint einst ein verlockender Traum der Gründer gewesen zu sein, hier starke Goldadern zu schürfen und eine reiche Stadt zu erbauen. Dieser Traum erwies sich als leerer Schaum: das Städtlein blieb unansehnlich, ist es gleich aufs Anmutigste an den südlichen Hang des Flußtales gebettet. Schaut euch nur den reichbegrasten quadratischen Marktplatz an, der viel zu groß ist und auf den die glatten Häuserzeilen von allen Seiten so verdutzt starren. Heute freilich herrscht ungewohnt reges Leben, es ist Schützenfest. Wir schauen und hören lächelnd zu. Abends lärmt ein Festzug über den Marktplatz: alle Fenster sind mit Lichtlein illuminiert, das steht geradezu hübsch aus. Diel, viel Musik spielt bis tief in die Nacht hinein : geräuschvoll wird getanzt, und uns schlafsuchenden Wanderern vergeht dabei das Lachen. Im Morgengrauen torkeln betrunkene Schützenbrüder im Zickzack über den Marktplatz. L> Deutschland, heillos Land der Trinker! In Sommersonne und Sommerwonne hebt der nächste Tag an. Wir nehmen unseren Weg südwärts. Der Pfad windet sich zwischen blühenden Kornfeldern hindurch und Wiesen, deren Pracht unbeschreiblich ist. Diese Buntheit, diese Üppigkeit und berückende Mannigfaltigkeit! Da schwebt über dem Dunkelgrün der Gräser der goldene Schaum des Hahnenfußes und das zarte Rot der Kuckuckslichtnelken; die weißen Sterne der Kaiserblumen wiegen sich im Sommerwinde: tausend violette Glöckchen läuten uns zu fröhlicher Wegfahrt, und es schauen lächelnd uns nach die sanften Blauäuglein des Bergißmeinnichts. Der stolze Ampfer läßt rote Fahnen flattern: Fuchsschwanz und Knäuelgras strecken wohlig winzige Staubbeutel der liebkosenden Sonne zu. Hoch über Flur, Au und Hag flirren die Schwalben dahin. Bor uns steigt die blauende Gebirgswand auf und versinkt wieder, wenn wir In eine Bodenfalte hinabschreiten. Tafelfichte, Heufuder, der Kemnitzkamm, all die geliebten stillen Wälder nahen. Dort ist das Flinsberger Tal, dort links unten Friede berg, da weiter im Osten die Greiffensteiner Ruine. Dazwischen ein Land voller Schönheit. Wir wandern an Augustthal vorbei und kommen nach Gebhardsdorf. Das ist ein langgestrekter Gebirgsort: bei jedem Schritt enthüllt sich uns ein neues Idyll. Bor Werk- stätten liegen viele Stämme, die vor kurzem noch auf kühler Bergeshöhe wurzelten, in ihrem Totenschlaf, bis Menschenhände und Maschinenkräfte sie weiter zerstückeln und der gierigen Welt nutzbar machen. Wir schauen durchs Fenster staunend einem Drechsler zu, wie er von seiner Maschine im Nu aus einem walzenförmigen Holzstück einen schmucken Kegel bilden läßt. Mittagswärme heißt uns auf schmalen Rainen dem Walde zueilen. Wir gelangen abseits an ein fröhliches Bächlein und brechen in neues Entzücken aus: Hunderte von Lupinen lassen