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aus derselben Zeit. Die mystischen Klänge klingen schon immer an: Blumen in unwirklichem Glanze, „Rhododendron"; die „Nächt liche Rose", magisch sich erschließend, aber wohl zu wenig zu sammengehalten in der Dreiteilung von Kelch, Krone undInnerem. „Mutter", die „Schmiede", das „Siegende Licht" — alles kühne, verschiedenartige Versuche der Befreiung und selbstherrlichen Formung. Ob reif wie jenes Stettiner Hafenbild? Sicherlich nicht immer. Die Spirale der Entwicklung ist vielleicht noch nicht zur Rundung zurückgebogen, aber sie schwingt zu höheren Ebenen. Auch die großangelegte und neuempfundene „Kreuzigung" ist weniger reif als anderes und doch reif genug, um als gutes Museumsbild empfohlen zu werden. Die stärksten Stücke sind m.E. die Nachtbilder: „Mond in Bergen", „Gang in die Nacht", „Mond im Dors", „Nächtliches Andante". Da ist die malerische Phantasie befreit, Linie und Farbe stehen dem Dichter scheinbar mühelos zur Verfügung. Was er dichtet, ist srommer Schauer, ahnungsreiche Sehnsucht ins All. Tiefe Feierlichkeit. Es sagen's und schwingen's die Linien, es klingen's die schweren, vollen Farben. Das tun sie in den ganz abstrakten Musikdeutungen auch; sie sind manchem das Bewundernswerteste und sicher etwas höchst An regendes (4 Grieg-Kompositionen, Bachpräludium u. a.). Aber bereichert wird die Formendichtung dock gewaltig durch die in den Nachtbildern vorsichtig und verschwebend gegebenen assozia tionsreichen Naturformen, die hineingewoben sind und nicht stören und doch gleichzeitig ihre unvergängliche Macht bewähren können. Diese gut geordnete Ausstellung ist ein seltener Genuß, weil im ganzen und im einzelnen ein so schöner Ernst da ist. Nichts läßt gleichgiltig. Und die anspruchsvollen großen Formate sind immer gerechtfertigt, ebenso durch dekorative Kraft wie durch reichen Gehalt. Das Urwesen aller künstlerischen Gestaltung wird spürbar, das in den durchschnittlichen Ausstellungen der allzu vielen Malbegabten so schmerzlich vermißt wird: das Priesterliche. Man sieht den „Goldschmied von Ephesus" bei der Arbeit: Der alte Künstler horcht nur auf, läßt seinen Knaben auf den Markt den Laus, feilt immer fort an Hirschen und Tieren, die seiner Gottheit Knie zieren, und hofft, es könne das Glück ihm walten, ihr Angesicht würdig zu gestalten. Der Schützenkönig Eine Oberlausitzer Geschichte von Richard Blasius-Schandau Fortsetzung „Woas doas nutzn soll? Ond do froin Sö no? Na, Schwieger- ooater, iech schiß doch ser Sie. Dö Kienchsschärp kriegn Sie, wenn wer derr Teifl nö's Korn verstahlt Hot," meinte der Rieger- sohn fidel, schwenkte seinen Tschako und rannte aus der Stube. Hei, wie er über den Hof sprang, über die Festwiese ebenso! Die alte Korbwinschn, die Brezeln feilhielt, hätte er bald über den Haufen gerannt Auf dem Sofa saß der Liebscher und überlegte. Himmeldonner wetter noch einmal, da hatte er sich ja schön reingelegt. So was auch. Wie hatte er bloß den Zank vom Mittag so ganz vergessen können? Na ja, die Königsschärpe hatte eben alles Ändere zurück gedrängt. Aber wie denn, wenns der Bursche nun ernst nahm? Er hatte gewiß ein Recht dazu, denn er hatte ihn Klipp und klar aufgefordert hereinzukommen. Und da kam nun sein Wort vom Mittag dazu. Nahm er es ernst, so mußte er ihm also sein Mädl geben. Und daß es der ernst nahm, war klar. Er wartete doch nur auf eine Gelegenheit. Hm, hm, was war denn da zu machen. Na, kommt Zeit, kommt Rat. Wenn er nur erst mal die Königs schärpe hatte! Das Andere würde sich dann schon auch noch finden. Wie er noch so vor sich hingrübelte, öffnete der Pilzpeppi ganz leise die Tür und spähte herein. Hm, dachte er, der Liebscher Gott fried hat seinen Arger noch nicht überwunden. Ick möchte wissen, wie weit die Sache gediehen ist. Der Franz Rieger war doch so eben durch die Hausflur gesprungen. Dem fröhlichen Pfeifen des Burschen nach mutzte alles programmätztg verlaufen sein. Gottfried hatte den Späher noch nicht bemerkt. In seinem Groll hieb er auf die Tischplatte und knurrte vor sich hin: „Bo miär sitt derr Verein s ganze Iuhr dorch kenn Troppn Freibier, wenn derr Leffler-Jong Kiench bleibt." Das hörte der Pilzvevpi mit seinen Fuchsohren genau und kam vollends herein. „Na du, wajgn dann Leffler Max, do sellst du diech doch halt nö orscht derkremsn." Gottfried schaute unmutig auf. Wer hatte ihn da belauscht? Ach so, na der Pilzpeppi wüßte auch manchmal Rat. „Ös denn nö an Schänd, su a Gsteck Schötznkiench?" meinte er verächtlich. Der Alte setzte sich ihm gegenüber, strich sich seinen Bart, warf den Priem von links nach rechts und legte sein Gesicht in be kümmerte Falten. „Fceich ös an Schänd", entgegnete er ernst, als hänge von des Löfflers Königswürde das Wohl und Wehe Europas ab. „Nee, nee, oas wenn doas an Kunst wiär, sich dö Schärp vo an annern derschissn zo lassn. Doas koan jeder domme Jong." Er knurrte wie ein böser Hofhund. Da beugte sich Pilzpeppi zu ihm herüber und flüsterte geheim nisvoll: „Siech Leut muß mer mit iähr eegn Woaffn schloin. Loaß doch o an annern ser dch schissn, wenn du nö miet) koannst. Amend Hot no enner nö gschossn, dard a guter Schätz ös. Wenns armer machn, derno koannst dus o machen." Mit dieser Sophi sterei wollte er ja vorläufig nur wissen, wie der Wirt über den Plan zwischen dem Pilzpeppi und dem Rieger-Franz denke. „Dr Rieger Hot no zo schissn," sagte Gottfried langsam und überlegte, ob an des Alten Worten ein Körnchen Wahrheit sei. „Dr Rieger-Franz? E woas d nö soist," rief Pilzpeppi und hieb begeistert auf den Tisck." Ond do hoan sö n Leffler schonn zon Kiench ausgschrien? Woaröm dn doas? Dr Rieger schoißt doch besser wie der Demld-Bäck." Er schloß die Augen halb und schielte durch die engen Schlitze lauernd in das Gesicht des dicken Kretschamwirtes. Liebscher hatte sich oorgebeugt. Das Gespräch interessierte ihn. Da sah er, wie einer gar nicht so abfällig über Erschießen der Königswürde durch einen andern urteilte. Hm, wenn er vielleicht doch drauf einginge? Daß er gut schoß, wußten alle. Seine Marschallschärpe hatte er sich ja im Vorjahre auch selbst verdient. „Ieija", sagte er leise, „dö Kienchsschärp tett n Rieger zu vill Geld kostn doas ganze Iuhr über. Die hoans nö zon Nausschmeitzn." Da tippte ihm der Alte mit dem Zeigefinger auf die Stirn. „Nu Kratschnwört, du böst doch sonst nö su oalbern. Loaß doch n Rieger ser diech schissn!" flüsterte er. Liebscher fuhr sich über seine blendende Glatze, blieb eine Weile stumm und sagte dann zögernd: „Nu ja, doas wollt ja dr Rieger- suhn o." „Na also." „Aber an Ihr ös abn o nö groad, siech vo annern zon Kiench schissn zo lossn." Eben wollte Pilzpeppi entgegnen, da tat sich die Tür auf und der Grünbestrumpfte trat wieder ein. Verdammt noch einmal, daß der gerade jetzt kommen mußte. Was würde denn das werden? Der Fremde sah sich vorsichtig in der Stube um, durchspähte jeden Winkel und schrak ersichtlich zusammen, als er den riesen haften Alten erblickte. Aber der Wirt war ja auch da. Also kam er näher. So ohne Sang und Klang wollte er nicht verschwinden. Er war es seiner Reputation als Äbgeordneter des städtischen Schützen vereins schuldig, daß er gegen das Verhalten protestierte, das die Dörfler gegen ihn gezeigt hatten. Rauswerfen ließ er sich nur in seiner Eigenschaft als Prokurist der Firma Tulpenstiel L Co., denn da gehörte es zum Geschäft. Aber hier, nein, das war denn doch etwas Anderes. „Sagen Sie mal, Herr Wirt, das ist die reinste Räuberspelunke hier bei Ihnen. Was soll denn das heißen? Hier ist man ja seines Lebens nicht mehr sicher." Der dicke Liebscher hatte sich schwerfällig von seinem Sofa er- hoben und trat dem Beschwerdeführer entgegen. „O, der Herr missn schonn entschuldigen", sagte er verlegen.