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straße, hier Semmering genannt, in ausgeprägten Schlangen windungen den steilen Abhang rechts hinunterzusteigen. Wir aber wandten uns links nach der Höhe, um auch den Ursprung der Schwarzen Elster zu entdecken. Nach einigem Suchen gelang uns seine Entdeckung mit Hilfe des Meßtischblattes, und wenn auch der eigentliche Quellpunkt infolge seiner Lage inmitten einer jungen Anpflanzung un zugänglich war, so konnten wir doch in unmittelbarer Nähe desselben unfern Zwieback in das kristallhelle Wasser tau chen und in lauschiger Waldeinsamkeit kurze Zeit rasten. Nun gab es einen etwas Schweiß kostenden Anstieg über wild durcheinanderliegende Granitfelsen bis auf die Höhe des weiß-blau-weiß bezeichneten allgemeinen Touristenwegs, der die Kammlinie entlangführt. Hier oben brachte uns ein müheloses Wandern in kurzer Zeit bis zum Sibyllen- stein, vielfach auch Hochstein genannt, 449 Meter hoch. Uber den Ursprung seines Namens berichtete H. Naumann in der vorigen Nr. der OHZ. Leider bietet sich zur Zeit von dem Gipfelfelsen, der durch eine fest zusammengeklammerte Naturtreppe ersteigbar und durch mehrere eiserne Geländer gut gesichert worden ist, keine umfassende Rundsicht dar, sondern es sind nur einige Ausschnitte aus dem Landschaftsgemälde zwischen den hoch ragenden Baumkronen zu sehen. Inmitten des stattlichen Fichtenwaldes, in den sich hie und da eine Tanne mischt, schlugen wir unsere Mittagstafel auf einer Felsplatte aus. Meine jugendlichen Begleiter waren wie immer früher als ich mit ihrem Anteil fertig und stöberten die Umgebung nach einer verlassenen Räuberhöhle oder einem ähnlichen aben teuerlichen Schlupfwinkel durch, ohne indessen etwas der artiges zu finden. Die weithin tönenden Fabrikpfeifen der in den Tälern ringsum sich lang hinstreckenden Industrie dörfer verkündeten bereits das Ende der Mittagspause, als wir aufbrachen und auf der Hoch stein st raße der gestern abend schon berührten Luchsenburg wieder zustrebten. Bald war die Försterei Luchsenburg erreicht, und wir konnten unfern Durst mit frisch gemolkener Milch stillen und die letzten Grüße nach der Heimat schicken, die zugleich unsre Ankunft für Donnerstag .abend anmelden sollten. Dann wurde derRöderquelle ein Besuch abgestattet, die auf einer moorigen Waldwiese hinter dem kleinen Örtchen Röderbrunn gelegen ist und in der schönsten Weise das Bild eines aus dem Schoße der Erde heroorbrechenden Ge wässers bot. Auf einem schmalen Pfade, den die Bewohner des letzten Hauses von Röderbrunn beim Wasserholen aus der Quelle benützen, gelangten wir an dieselbe. Unsre Füße sanken bei jedem Schritte tief in die hellgelben Polster des Torfmooses ein. Hie und da sammelte sich auch Wasser in den Eindrücken, die wir dabei zurückließen. Auf dem Grunde des Quellbeckens wurde an fünf Stellen der weißliche Boden von dem aus der Tiefe emporstrebenden Wasser in unauf hörlich kreisenden Wirbeln bewegt und zu immer feineren Körnchen zerrieben. Als wenn winzige Schlammvulkane da unten brodelten, so sah es aus, und deutliche Spuren zeigten an, daß bei größerem Grundwasserreichtum noch mehr solcher geheimnisvoll bewegter Strudel in Tätigkeit seien. Aus dem klaren Spiegel der Quelle schauten uns die leise vom Wind gerührten Zweige der am nahen Wiesenrand stehenden Bäume entgegen. Vom nahen Karschteiche, durch den der Quell bach hindurchsließt, wehte das gedämpfte Rauschen des hohen Schilfes herüber. 200 Meter höher befanden wir uns jetzt über dem Meeresspiegel, als wenn wir in unsrer Heimatstadt am Ufer der Röder dahinwandeln, und diese 200 Meter galt es nun noch an ihrem vielfältig geschlungenen Laufe entlang hinabzusteigen. Glück ab! Im Waldesdunkel fließt die junge Röder zuerst dahin; nur wo sie ihren Lauf durch Teiche nimmt, lichtet sich der Himmel über ihr. Der größte dieser Teiche ist der Busch müh lteich, unter dessen aufgemauertem Damm die Ohor ner Obermühle liegt. Von hier an wird die Röder zum Wiesenbach, an dessen Ufer wohlgenährte Rinder das kurze Herbstgras abweiden, und an dessen Talhängen sich frucht bare Felder bis zum begleitenden Höhenrücken hinanziehen. Unterhalb der Niedermllhle birgt sie in die stundenlange Häuserreihe der gewerbfleißigen und industriereichen Ort schaften Bretnig und Großröhrsdorf ein. Namentlich in letzterer reiht sich Fabrik an Fabrik. Wir befanden uns hier in dem nördlichsten der zahlreichen großen oberlausitzer Industriedörfer, die nur noch in der Gesamtanlage einem Dorfe gleichen, sonst aber, namentlich im geschäftlichen Leben, fast städtischen Anstrich tragen. Das Großröhrsdorfer Rat haus ist das erste und zugleich das jüngste, das die Röder auf ihrem Lause berührt. *) Fast zu lang erschien meinen kleinen Begleitern die zu beiden Seiten dicht mit Wohn- und Arbeitsgebäuden, mit Kaufläden und zahlreichen Gast höfen besetzte Dorsstraße, und freudig begrüßten wir den Wald, der am untern Ende von Großröhrsdorf uns wieder aufnahm, nachdem wir unter der Überführung der Arnsdorf- Kamenzer Bahn hindurchgelangt waren. Die Röder, die in Großröhrsdorf infolge der Abwässer der Fabriken bald schmutzig-grünes, bald tiefschwarzes Wasser geführt hatte, trieb nun wieder klare Wellen zwischen wiesenumsäumten Ufern rauschend dahin. Aus der Ober lausitz heraustretend und in die Erblande zurückkehrend, die wir in Ortrand bereits verlassen hatten, näherten wir uns über Kleinröhrsdorf und Wallroda, wo stattliche Bauergüter sich aneinanderreihen, der Stadt Radeberg. Es war bereits Abend geworden. Auf der Landstraße begeg neten uns heimfahrende Kartoffelwagen und von der Stätte ihrer Tätigkeit zurückkehrende Fabrikarbeiter. Links rollte ein Personenzug der Görlitz-Dresdner Linie einer feurigen Schlange gleich dahin, und wie unheimliche Augen glühten uns die nimmer erlöschenden Feuer der Radeberger Glas hütte entgegen. Da die volle Dunkelheit schon hereingebro chen war, mußten wir die Besichtigung der Stadt auf den folgenden Tag verschieben. Der Gasthof zur Stadt Dresden nahm uns auf und gewährte den ermüdeten Wanderern reichliche Erquickung und stärkende Rast. IV. Am nächsten Morgen sollte es zunächst noch einmal an der Röder aufwärts gehen, um den Felixturm aufzusuchen, den wir gestern abend in der Dunkelheit nicht einmal gesehen hatten. Am Amtsgericht im alten Schlosse, dem Geburts haus des Dichters Langbein, vorüber kamen wir zum Rade berger Flußbad und zur Hüttermühle. Als wir eben an dieser vorbeigeschritten waren, erschallte hinter uns das Lied vom Heimattal, von einem Männerchor gesungen und durch ein gutes Grammophon wiedergegeben. Wir blieben am Mühlteiche stehen, bis es verklungen war, und gelangten zwischen prächtigen, alten'Eichen dann bald zumFelix- turm auf dem Hutberge. Leider fanden wir ihn verschlossen und niemand war in der Nähe, der Abhilfe hätte schaffen können. So zogen wir auf der Pulsnitzer Landstraße zur *) Inzwischen ist ein lang gehegter Wunsch der Großröhrsdorfer in Erfüllung gegangen. Ihrer Gemeinde ist im Juli d. I. das Stadt recht verliehen'wrrden.