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Pichos in den dort aufgehäuften Lesesteinen, die ähnlich wie im östlichen Erzgebirge in jahrhundertelanger mühseliger Arbeit zu sog. Steinrücken von den Bauern am Raine ihrer Felder angesammelt worden sind und zugleich einen Schutz für diese hochgelegenen Acker bilden. (Einzahl: die Steinrücke, also weiblich) Ium anderen ist der Iweiglimmergranit außerordentlich reich an Einschlüssen. Am Mönchswald schon kann man, etwa im Blockmeer des Adlerwaldes, in der granitischen Grundmasse ost gehäuft rundliche, scharf abgesetzte, bis faust große Quarzbrocken finden, die in ihrer Form an Quarz geröll e erinnern. Sie sanken wohl in die erweichte Grund masse ein und schmolzen schließlich fest. Wittern sie aus dem Iweiglimmergranit aus, so entstehen kugelige Bertiefungen, die sich bei geeigneter Lage des Blockes mit Regenwasser füllen. Längst sind die „Schalen" vom Volke beobachtet worden. Denn der einfache Mann ist ein vorzüglicher Be obachter. Nur mit der Deutung als „Teufels Seifennäpfchen" oder wenn sie größer sind, als „Teufels Waschbecken" können wir Heutigen nicht mehr zufrieden sein. Wir wollen keine Erklärungen, die die gestaltende Einbildungskraft hervorbringt — wir wollen solche, die auch im vollsten Sonnenglanze des denkenden Verstandes Stich halten. wissenschaftliche, nicht künstlerische Naturdeutung also' Ein Schulbeispiel geradezu für diese geistesgeschichtlich recht merkwürdige Stellung des Menschen zur Natur: scharfe Beobachtung und zunächst phantasieoolle, erst später wissenschaftliche Deutung einer Naturerscheinung — bieten die ebenfalls im Iweiglimmergranit häufigen Roßtrappen. Wir wollen denselben Weg gehen, den die Menschheit ging und zuerst einmal Roßtrappen suchen und beobachten, zumal ich diesen Gang mit Schülern oft ausgeprobt habe: es erwies sich dabei wiederum, daß der Weg, den die Entwickelung des Ganzen einschlug, auch gut und geraten ist für die Er ziehung des Einzelnen. Roßtrappen also im Iweiglimmergranit? Wie sehen die aus? Nun gerade so, als wenn ein beschlagenes Pferd seinen Huftrttt im Straßenkot abdrückt! Aber wie soll so etwas im harten Granit möglich sein? Wie sollen Pferde auf die Kammhöhe, in die Blockmeere, ja auf die Gipfel klippen unserer Granitberge gelangt sein? Und wenn wir sie dann doch sanden auf dem Czorneboh, am Hochstein, besonders fein an den Kälbersteinen: was für Riesenpferde sind das gewesen? Denn manche dieser Roßtrappen mißt in der größten Ausdehnung etwa 50 Ientimeter. Ja — unsere Altoorderen wußten, woher diese eigentümlichen Bildungen kamen: Ihre künstlerische Bildungskraft schuf aus dem „Zeichen", der Roßtrappe, das Riesenroß und setzte den Sturmreiter daraus, der mit Geheul über die nächtlichen Berge hetzte und dabei hie und da eine solche Spur zurück ließ. Unser heimischer Maler Martin Neumann aus Nechern hat diese Gestalt wiedergeschaut und wiedergegeben. Und ich bin stolz darauf, sein Bild des „wilden Jägers", des „Berndietrich", zu besitzen, der schneller reitet als der Sturm, der die Bäume biegt! Wir erkennen, daß das ursprüngliche Bild des Sturm reiters Wotan sich im Laufe der Zeit mit anderem Blute füllte. Merkwürdig bleibt wiederum, daß in unserer Lausitz gerade oie Gestalt des tapferen Ostgotenkönigs (1-526 n. Ehr.) Dietrich von Bern für ihn eintrat, während das granitische Riesen- und Fsergebirge z. B. den „Rübezahl", der graniti sche Odenwald den „Rodensteiner" dafür nahm. Unsere fränkischen Bauernstedler des 12. und 13. Jahrhunderts hatten in Lied und Sage den gefeierten Sigurd oder Sieg fried, — so müssen wohl Bayern und Niedersachsen diese Sagengestalt Berndietrichs in unsere Lausitz eingesührt haben: denn an der Donau wie an der Elbe war der Lieb ling des Volkes Dietrich von Bern, „von dem die Bauern singen und sagen", wie es in Chroniken bis ins späte Mittel- alter heißt. Oder geht diese Gestalt etwa auf eine noch ältere Schicht unserer Lausitzer Bevölkerung zurück? Das wäre des Fleißes der Forscher würdig, die Frage der Herkunft gerade dieses Sturmriesen Berndietrich in unserer Heimat zu lösen.*) Aber wie stellte man sich den Riesenreiter vor? Da weiß Sage und Dichtung reichlich Antwort! Ludwig Bech - stein schildert ihn mit seinem Troß in seinen Gedichten (Frankfurt a. M. 1836, S. 269) vom Hörselberge, den er als Hör-Seelen-berg deutel: Es wohnen dunkle Mächte tief in des Berges Schoß, und während der zwölf Nächte läßt sie die Hölle los. Da dröhnt's wie Horngeschmetter tief aus des Berges Kluft, da braust's wie Hagelwetter hoch oben in der Lust. Da schallt ein lautes Heulen von Stimmen dumpf und hell, bald ivie der Schrei der Eulen, bald wie der Hunde Gebell. In Menschen, und Tiergestoltcn zeigt sich ein Geistestroß von Jungen wie von Alten, und Jäger koch zu Roß. So zieht das Spukgelichter, ein grausenvoller Schwarm, im Nacken die Gesichter oder Schädel unterm Arm ... Und voran zieht als Warner der getreue Eckart. Das klingt noch recht altgermanisch - heidnisch, klingt wie Göttersage, noch nicht wie Heldensage. Gottfried Kinkel aber zeigt uns in seinem Dietrich von Berne den Übergang von Göttersage in Heldensage: der mächtige Fürst erschien seinen Goten sehr bald als Göttersohn, zumal er sehr jung zur Führung seines Volkes gelangte, es herrlich emporleitete und nach langem Fürstenstand erst starb. Da hatte man schnell vergessen, daß sein Vater Dietmar hieß. „Der schwarze Elfe der Nacht" war sein Vater. Der alte Dietrich ruft ihn: Nun höre mich, Vater, nun höre mein Wort! Nun hole mich heim zu dir. Bin satt des Lebens und will nun fort; Was soll der Alternde hier? Mein dunkler Bater, nun höre geschwind, Dich ruft dein gewaltiges Heldcnkind, Der alte Dietrich von Berne. Seit ächzend die Mutter ans Licht mich gebracht, Hab ich nimmer dein Antlitz geschaut. Nun komm, du dunkler Else der Nacht, Vor dem den Sterblichen graut! Das Feuer, das du mir gegossen ins Blut, Es lohet zu scharf, es verzehrt die Glut Den alten Dietrich von Berne! ... Und der alte Schwarzalf der Berge hört den Sohn und sendet ihm zum letzten Ritt ein Geisterroß, ein Riesenroß, das ihn „im Windsbrautsausen" zum Bater trägt. Und wie er sich umsah unmutsvoll, da stand ein mächtiges Roß, deß' ungeduldiger Husschlag scholl, und Schaum vom Gebiß ihm floß, war schwarz und glänzend: da schwang er sich auf und spornt cs zum Jagen im schnellen Lauf Der alte Dietrich von Berne.