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Der Schützenkönig Eine Oberlausitzer Geschichte von Richard Blasius-Schandau (Fortsetzung) Er wollte sich nur auf dem Schießstande einmal sehen lassen, der Kretschomwirt. Den ganzen Nachmittag konnte er nicht dort herum- stehen. Er mußte wieder in sein Geschäft. Aber er konnte bei der Nähe des Platzes doch hin und wieder mal zusehen, und wenn es auf ein Biertelstündchen war. In der Gaststube war es unterdessen wieder leer geworden. Der Wirt hatte ja draußen auf dem Festplatze heute ein Schankzelt stehen. Und das hatte einen mächtigen Anziehungspunkt. Da schenkte die Rest aus Rumburg in einem feschen Tirolerkostüm das Bier aus. Oh, die Rest, die Männer alt und jung wischten sich den Mund sauber, wenn von der die Rede war. Im Beisein der Eheweiber aber durfte überhaupt nicht von der Rest gesprochen werden, denn sie wurden sonst höllisch eifersüchtig. Darum ließ auch keine Frau ihren Mann allein in das Zelt gehen, sie ging mit. Und das wollte Gottfried ja bloß, denn umsomehr wurde dann verzehrt. Im Gastzimmer des Kretschams saß die Käthe allein und hatte noch rotgeränderte Augen. Da trat einer ein, das war ein gern gesehener Gast, wo er hinkam, denn trotz seiner sechzig Jahre hatte er den Kopf voll lustigen Unsinns. Er unterhielt die Leute mit seinem Allotria stundenlang. Das war der Pilzpeppi aus Böhmen. Eigentlich hieß er Joseph Steiner, doch das wußten nur die wenigsten. Er durchstreifte im Sommer die Wälder und sammelte Pilze, die er dann verhausterte. Man sah ihn selten ohne eine Hocke Herumlaufen. Ein großes, rotes Tuch, aus dem Stiele und Köpfe von „Rutheetln und Steenbilzn" herausguckten, war sein Wahrzeichen. So auch jetzt, als er in die Stube trat. Er setzte sich in eine Ecke, ganz vorn an der Tür. Weiter herein kam er selten. Er war doch eben nur der Pilzpeppi. Aber was für eine Gestalt hatte er! Groß und breit, mit langem, dichten Bollbart, der in schneeiger Weiße blinkte, saß er da. Das Urbild eines Försters hätte er abgcben können. Er trank gern einen guten Schluck. Und der Durst hatte ihn wohl hereingetrieben. Das Ge töse auf dem Festplatze mied er. Dazu fühlte er sich nicht mehr jung genug. Ihm ging das Interesse an derlei Dingen ab. „Nu gun äag rei, Majdl!" grüßte er Käthe und sah verwundert in die geröteten Augen. Erfreut erhob sich Käthe. Der Pilzpeppi! Gott sei Dank, da war sie wenigstens nicht ganz allein und kam auf andere Gedanken. Der würde nicht lange dasitzen, ohne irgend eine Schnurre zum besten zu geben. „Gun Tagg, Pilzpeppi, wuhar kommt» iähr heut." „Hm hm, wuhar warch halt kommn?" meinte der Alte und blinkerte ihr listig zu. „Wuhar mer halt oall an jedn Tag kommn. Bon Struhsack." „Wollter woas trink« ?" „Nu su an Frog. Wenn Sonnig frih dr Pfoarr ed Körch gicht, sroist do oh, ob a priädgn will?" Käthe ließ Bier ein und setzte ihm das Glas vor. Der Pilzpeppi ging stets zechfrei aus, denn was er trank, das kam zehnfach da durch ein, daß seinetwegen die Gäste hocken blieben. „Host ja wieder amöl rute Augn. 's will wühl halt ni richtg kloappn mit n Franz?" Käthe wunderte sich nicht, daß der Alte um ihre Herzensnöte wußte. Der war bewandert in allen Angelegenheiten der Dörfler, kannte Freud und Leid und war auch kein schlechter Berater und Helfer. „Dr Boater hotn heut nausgschmössn," sagte sie wehmütig. „Nu nu, su richtg nausgschmössn wühl nö. Doas koanch mer nö denkn, aber amend nausgiehn geheeßn." Käthe nickte bejahend, zum Zeichen, daß seine Korrektur das Richtige getroffen habe. „Ieija, a Hot an Dicknöschl, dr Kratschnwört, ond woas derr Leffler-Max ös, dar hoat den an Steen en Brat. Na na, sös ju no nö oaller Tag Obnd." „Iech nahm'« nu emo nö." Käthe stampfte temperamentvoll mit den Füßen. „Nee siech ock oa! Böst wu 'n Liebscher-Gottfried sein Toachter? Hm hm, iech mächtn oh nö, wenn iech a Majdl wär." Käthe mußte auflachen. So komisch kam ihr der Alte vor. „Wenn du a Majdl werscht, diech wär wühl der Leffler-Max oh nö hoan wolln." „Nee, wenn iech a Majdl wär, wär iech ja goar Kees mich", lachte der Pilzpeppi, „sondern schon lang Grußmotter. Hahahaha, dr Pilzpeppi Grußmotter. Oes doas zon Ausdenkn? 's ös abn jeds, war a sein muß. Do gibts kee Wenn ond Aber." Käthe setzte sich zu dem Alten. „Pilzpeppi, iähr mißt mer halfn." „Nu, woaröm d'n nö?" „Iech hoa schon gdocht, wenn dr Max tett Kiench warn, do kriggt dr Boater d Halle Wut ofn." „Oach su, dar will a wu warn?" „Freich, oern Iuhr ös a Marschall gwast. Do «recht a doach nu amo Kiench oh sein." „Nu ja, aber dr Leffler-Max ond Kiench. Dar koan doach abn su gutt mit an Basnstiel schissn. Do tröfft a oh wie mit senner Flint." „'s koan doach oh a annerer fern schissn, amend drDemld-Bäck. Dar tröfft gutt." Pilzpeppi sann einige Augenblicke vor sich hin. Dann brummte er: „Hm hm, mer warn halt sahn.'s ging schon»,'s ging schonn." Da wurde er in seinen Betrachtungen unterbrochen. Es trat ein junger Bursche in Schützentracht herein. Aber die Joppe stand ihm schlecht. Die Joppe umschlotterte ihn wie ein unbändiger Sack. Seine eine Schulter war bedeutend höher als die andere. Sein Haar spielte ins rötliche hinüber, und ans seinem Gesichte lag ein schläfriger, dummer Zug, der nicht eben von großen Geistesgäben des Burschen sprach. Pilzpeppi lachte leise auf. Wenn man vom Teufel spricht, ist er nicht weit. „O, Leffler-Max, doas is halt fein, doaß d groad kömmst. Otze abn hoan mer dei Lob e oalln Tonoartn gsüng," sagte er ironisch zu dem Ankömmling, der den versteckten Sinn hinter den Worten nicht verstand. „Gun Tag, Kath!" grüßte Max Leffler das Wirtstöchtcrlein. Die wenigen Worte kamen langsam und breit aus seinem Munde, als müsse er sich erst jeden Laut im Hirne zusammensuchen. „Nu, woas wöllstn du ötz do?" erwiderte das Mädchen un willig. „Dö Schißwies ös doach dorte hinn." Daß der nun auch jetzt noch kommen mußte, wo sie grade den Kriegsplan mit dem Alten hätte beraten mögen. Ihre Laune wurde durchaus nicht besser. Der Pilzpeppi aber nahm gleich das Zentrum aufs Korn. „Du, Max, iech hoa groad ghorrt, du wöllst dö Kath do hei- roain," sagte er mit listigen Mienen. Max grinste verlegen, was durchaus nicht zur Verschönerung seines Antlitzes beitrug. „Iech hält schonn Lust," meinte er, „aber der Kratschnwört Hot gsoit " „Na, du böst mer o der Schinnste," unterbrach ihn Käthe, nur um nicht zu hören, was da der Vater wieder einmal gesagt hatte. Er hatte ihr den Burschen sicher auf den Hals gehetzt. „Doas sell a gsoit hoan?" fragte lächelnd der Pilzpeppi. Max Löffler gab sich einen Ruck, grinste wieder verlegen, hustete ein paarmal und sagte dann in seiner langsamen Art zu dem Mädchen: „Mign täst miech doach, Kath?" Das Mädchen drehte sich unwillig um und sagte wegwerfenden Tones: „Do konnst lang woartn." „Nu ja, aber der Kratschnwört Hot gsoit " „Ond iech hoa o woas gsoit, ond doas gölt." Schwupp, drehte sie sich um und lief hinter den Schanktisch, wo sie mit Gläsern hantierte, nur um etwas zu tun zu haben. Würde er denn nicht wieder gehen, der Einfaltspinsel, wenn sie sich nicht mit ihm abgab? Es schien nicht so. Er stand wie an gewurzelt fest und schaute ihr verdutzt nach. „Hm hm", brummte der Pilzpeppi und schlug dem Burschen die Hand auf die Schulter, daß der wehleidig zusammenzuckte, „doas Majdl will ubn naus. Die nömmt of d Letzt goar halt ock an Kiench."