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dagegen ist gerade in Dehnung und Kürzung dem Oberlausitzischen durchaus ähnlich. Der alte Baumert in Hauptmanns „Webern", die im Waldenburger Bergland spielen, spricht einmal von seinem „Gootstieschroock" (Abendmahlsrock), also in allen drei Silben die eigenartige Dehnung. Gerade in den „Webern", die auch in Mundart-Ausgabe erschienen sind, kann man zahlreiche Belege für die enge Verwandtschaft der schlesischen Gebirgs-Mundarten mit dem Oberlausitzischen finden. Wie schwer es dem Nichtkenner werden muß, in den Laut bestand einer Mundart einzudringen, soll uns das Schicksal des schriftdeutschen „a" zeigen. Hört man einen Oberlausitzer sagen: „De ganze Nacht wird getanzt; immr a dr Wand lang," so könnte man meinen, schristdeutsches „a" bliebe durchgängig erhalten. Aber das Gegenbeispiel: „Da guckeinmal Schwäger! DerBraten ist geraten," belehrt uns eines Besseren, denn es heißt in der Mundart: „D oo guck amool Schwoogr! DrBrootn is gerootn." Aber dem schristdeutschen „a" entsprechen außerdem noch eine Reihe andrer Laute der Mundart, die fast alle in fol gendem Beispiel enthalten sind: „Mein Mann hat die Brache geackert; nächstes Jahr gedachten wir Haser darauf zu säen!" „Mei Moan hoat deBrooche geackrt; zu Iuhre bucht mr Hoabr druff ze sahn." Der wörtliche Vergleich ergibt: l.Schriftd. „a" bleibt entweder erhalten (geackrt), oder wird 2. zu kurzem bezw. langem „oa" (Moan, hoat) oder 3. zu langem „o" (Brooche) oder gar 4. zu „u" (Iuhr, duchtn). Derselbe schrift deutsche Laut spaltet sich in eine Anzahl deutlich unterschiedener mundartlicher Laute. Das gilt auch für das Verhältnis der Schriftsprache zu anderen Mundarten. Besonders bezeichnend für das Oberlausitzische ist der Wandel von „a" in langes „o" sowie langes und kurzes,,»". Den „oa"-Laut (zu sprechen wie „wswr" im Englischen) hat auch das Obersächsische. Noch ein Beispiel für die Spaltung eines anderen schrift deutschen Lautes sei gebracht: „Nehmt zween Besen und kehrt den Schnee recht weg." „Nahmt zwiene Basn und kährt'n Schnie raicht weg." Es tritt deutliche Scheidung in „e", „ä", „a" und „ie" ein. Daß diese Erscheinungen nicht willkürlich, sondern nach Regeln geschehen, können wir an der Spaltung von schriftd. „ei" und „au" erläutern, weil hier auch der Nichtkenner des Oberlau. sitzischen nach seinem Sprachgefühl sich ein Urteil bilden kann. Umgangssprache unsrer Gegend und Mundart verfahren in diesen Fällen nämlich in gleicher Weise. Aus „Stein und Bein" wird „Schleen und Been", aus „weit und breit" aber weit und breet". „Weet" statt „weit" oder gar „Zeet" statt „Zeit" zu sagen, ginge jedem gegen den Strich. Das hat seinen Grund in der Abstammung des „ei"-Lautes der Schriftsprache aus verschie denen Lauten des Mittelhochdeutschen. „Weit" und „Zeit" stam men von „wit" und „zit"; Stein, Bein und breit dagegen lau- teten schon im Mittelhochdeutschen „stein, dein, breit", und ihr „ei" wurde schon damals wie „ee" gesprochen. In allen Wörtern dieser Abstammung hat die Mundart „ee", in allen anderen bleibt schriftd. „ei" erhalten. — Ähnlich ist es bei „au". „Der Bauer raucht" wird zu „Dr Baur roocht". Auch hier wäre Boor statt Bauer undenkbar. Es stammt von bür, rauchen dagegen von „rouchen", dessen „ou" wie dumpfes o gesprochen wurde. Nur in diesen Fällen hat die Mundart „oo" statt au; in allen anderen bleibt schriftd. „au" erhalten. Dieser Spaltung eines Lautes der Schriftsprache in mehrere der Mundart steht gegenüber das Zusammenfallen verschiedener Selbstlaute der Schriftsprache in ein und denselben der Mundart. „Die Zehe ist böse; sieh nur die Röte über und über", heißt im Oberlausitzischen „De Ziehne is diese, sie ock die Riete iebr und iebr". Die vier Laure i, e, ö und ü haben denselben Ersatz: langest. Gerade das Zujummcnsallen dieser vier Laute ist eines der bezeich nenden Merkmale unsrer Mundart; das Obersächsische hat: „De Zehe is beese; steh nor die Reete iebr und iebr"; das Schlesische zeigt auch hier sich eng dem Oberlausitzischen verwandt. Noch einige Beispiele für das Zusammenfällen andrer Laute! „Da ist das Rauchen verboten!" wird zu: „Doo is 's Roochn orbotn". A, au und o werden durch denselben langen o-Laut ver treten. — Oder „u" und „o" haben als Ersatz „u"; „Gutes Brot, heißt „gudes Brut". Oder e, ä und a der Schriftsprache fallen zu, sammen in einen a-Laut der Mundart. „Wer wird den alten Käse stehlen?", macht der Lausitzer zu: „War wird dan aaln Käse stahln?" Noch manches wäre zu erwähnen; etwa die merkwürdige Be handlung der Lautgruppen „aae, ege, oge". Statt vieler Worte ein altbekanntes Beispiel: „Unsere Magd hat einen Nagel in unser neues Wägelchengeschlage n". „Unse Moaid hoat an Noail a unse noies Wainl geschloin". Hierin freilich zeigt das Gesamtgebiet der Lausitz große örtliche Verschiedenheiten. Noch kein Wort haben wir ferner gesagt über Selbstlaute unbetonter Silben, noch garnichts über die Mitlaute. Davon ein andres Mal. Die Beispiele haben gewiße bezeichnende Merkmale der ober- lausttzer Mundart erkennen laßen ; freilich sind im Gesamtgebiet nun noch manche Besonderheiten denkbar. Für bestimmte Eigen arten kann man feste Grenzlinien angeben; z. B. für die Aus sprache der schristdeutschen Wörter „Schnitte, Schlitten" und ähn licher. Nach Wenzel spricht man „Schiftete, Schlieten" westlich einer Linie, die von Zwickau i.B. nördlich bis zur Landesgrenze bei Iägerndörfel führt, von da der Grenze entlang bis Neugers dorf und dann südlich vorbei an Kottmarsdorf und Obercunners- dorf. Östlich dieser Linie hat Wenzel die Dehnung nicht beobachten können. Sehr eigentümlich ist die mancherorts beobachtete Wand- lung vom ursprünglich kurzen „e" in einen Doppellaut „iä", wo vor dem „ä" ein kurzes Vorschlags-„i" zu sprechen ist; z.B. Kette — Kiäte, Flegel — Fliägel. Solche Eigenarten schwinden aber mehr und mehr, sind jedenfalls in der von Wenzel angegebenen Ausdehnung beim heutigen Geschlecht nicht mehr zu beobachten. Was hat nun im Laufe der Zeit die Ausbildung von Beson derheiten einzelner Teilgebiete begünstigt? Es scheinen die Gren zen der alten Herrschaftsbezirke dabei eine Rolle gespielt zu haben, sodaß im Gebiet der Herrschaft Rohnau manches sich anders ent- wickelt hat als in der benachbarten Ostritzer Herrschaft oder im Cigenschen Kreis. Das ist auch einleuchtend; die Orte einer Herr schaft hatten dieser gegenüber gemeinsame wirtschaftliche Ver- pflichtungen (Frondienste); häufiger gegenseitiger Verkehr war die Folge, ursprüngliche Verschiedenheiten der Aussprache schliffen sich ab und glichen sich innerhalb des Bezirks zu gemeinsamen Eigenarten aus. So spricht man in Reichenau und Umgebung „Dr Baur raucht", oder „Ich lauf a's Haus", während im Gesamtgebiet der Oberlausitz „au" sich in „au" und „o" spaltet: „Dr Baur roocht." Alte Leute sprechen sogar: „Ich loaf a's Hoas", doch kommt dies immer mehr in Bergesienheit. Als zweite Eigentümlichkeit fällt in Reichenau, Türchau, Markers dorf, Lichtenberg, Dornhennersdorf, Seitendorf auf, daß man spricht: ,,D' Loit gihn a d' Kirch und Kumm heem glaufn, wenn d' Sunn schien schennt". Anderswo heißt es „De Lotte gihn a de Kirche und Kumm heem gelaufn, wenn de Sunne schiene schennt". Die unbetonten Vorsilben werden verschluckt, und das Endungs-,e' der Haupt- und Umstandswörter (Adverbien) fällt weg; bei Eigenschaftswörtern dagegen bleibt es erhalten. Solche Eigen arten scheiden die Sprache von Reichenau und Umgebung deutlich von derjenigen der Nachbarorte; die Hauptmerkmale der Ober- lausttzer Mundart sind trotzdem geblieben. Das Verschlucken der Bor- und Endsilben ist auch in Weifa bei Schirgiswalde üblich. Dort sagt man: „Dr Wind schmeißt d' Ast a d' Scheibn", oder „Ich hoa d' Toasch be Korln glussn". Die Bewohner verschiedener Ortschaften hänseln sich gern gegenseitig wegen solcher Besonderheiten und mancher Spottvers wird gebil det. So wird von Weigsdorf bei Reichenau behauptet „AWägs- durf strächn se de Gägn und de Boaßgägn zu glächr Zät". Also schriftdeutsches „ei" bleibt hier nicht erhalten, auch wenn es auf mittelhochdeutsches langes „i" zurückgeht. Das erscheint merk würdig und ist doch verständlich, wenn man weiß, daß dieses „ä" statt „ei" in den Ortschaften der angrenzenden Herrschaft Fried land früher üblich war; doch auch diese Spracherscheinung stirbt aus. Sie ist übrigens auch in Schlesien um Glogau herum zu finden, wo man statt „Schwein" und „Zeit" „Schwän" und „Zät"