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Am 20. Sonntage nach Trin. hielt v/l. Kretschmar in Görlitz seine Antrittspredigt. Nenn Jahre hat er hier gar segensreich ge wirkt. Er starb daselbst am 11. Mai 1711, früh 8 Uhr, „seines Alters 57 Jahr, Ministern 32. Jahr. Bey dessen ansehnlicher Se- pultur (Beerdigung) hat man ihme öffentlich gedruckt nachgerüh- met, daß er gewesen Lcclesise Ortkocioxise 8tuftio8i88imu8, Vitae intkAritste 8pectati88imu8, Intrepiciae in rebu8 säver8i8 ?atientia6, Lxempio probnti88imu8l" *) In Görlitz liegt er begraben. — Von denjenigen Theologen, die bisher in Görlitz amtiert haben, ist er einer der tüchtigsten und volkstümlichsten. Sein Gedächtnis erlösche nie! *) D. h. der rechtgläubigen Kirche Allereifrigster, hoch zu bewundern wegen der Rechtschaffenheit seines Lebens, in Schicksalsschlägen durch sein Vorbild an unerschrockenem Erdulden sehr bewährt. OberlausitzerBoiksliederinPolen Mitgeteilt von Max Rönsch München Mein vor einigen Jahren verstorbener Vater Ernst Rönsch hat seine Jugend in der deutsch-polnischen Stadt Pabianice bei Lodz verbracht, wohin seine Familie in den 50er Jahren des vorigen Jahrhunderts aus Seitendorf ausgewandert war. Dieses Pabia- nice war damalsso eigentlich eine Weberkolonie südlausitzer Ge präges. Weberfamilien aus einer Reihe südlausitzer und benach barter deutschböhmischer Dörfer suchten und fanden dort lohnen deren Verdienst, als die Heimat damals bot. Mancher hat es in der neuen Heimat zu grohem Wohlstand gebracht. Der Anfang war freilich meist recht schwer und es hat unter den Kolonisten vielfach harte Not gegeben, sodaß mehr als eine Familie wieder umkehrte. Auch das Heimweh hat viele wieder in die Lausitz ge bracht. Zu diesen gehörte mein Vater. Wie es nun überall ist, wo Oberlausitzer in größerer Anzahl in der Fremde beisammen sind: Die Pabianicer Einwanderer schloffen 1 Der Mmertanr Ein junges Weibchen ging zum Tanz, Wie auch zum Kirmesschmaus, Zu ihrem Herrn Gevatter Franz, Den Mann ließ sic zu Haus. Jetzt war sie bei der besten Lust, Da trat die Magd herbei Und machte kläglich ihr bewußt, Daß krank der Ermann sei. Das Weibchen sprach: „Geh nur voran, Ich mach noch einen Tanz, Dann eile ich zu meinem Mann. Nur frisch, Gevatter Franz!" „Ach Frau, er ist sehr tödlich krank," Erwiderte die Magd: „Er machl's wahrhaftig nicht mehr lang, Der Doktor hat's gesagt!" „Der Doktor ist ein Narr wie Du, Wie ich vermuten kann! Gevatter, tanzt nur immerzu, So eilend stirbt kein Mann." „Gevatterin, es ist wohl Pflicht," Sprach endlich auch Herr Franz. Sie sprach: „Euch widersprech ich nicht, Macht nur noch einen Tanz." Die Magd kam wieder angewetzt Und rief im Iammcrton: „Euer Mann bekommt vom Priester jetzt Die letzte Ölung schon!" „Voll Angst und Schrecken bebt mein Sprach sie: „Gevatter Franz! (Herz," Ach lindert meinen Seelenschmcrz Durch einen hiibschen Tanz!" „Nun," rief die Magd, „nun ist er tot, Er liegt schon auf der Sträh!" (Streu) „Du Narr!" sprach sie. „Dann ist's nicht Daß ich nach Hause geh!" snot, „Was sollt ich nun zu Hause tun, Nicht wahr, Gevatter Franz? Wie könnt' ich bei dem Toten ruhn? Jetzt macht noch einen Tanz! sich zu Rat und Tat eng zusammen. Sie führten die heimischen Gebräuche weiter und pflegten die Geselligkeit. Dabei muß be- sonders gern und viel gesungen worden sein. Mein Vater hat aus jener Jugendzeit drei handgeschriebene Bücher voll Lieder hinter lassen, wie sie damals in Pabianice in den Kreisen der südlausitzer Landsleute gesungen wurden. Die Bücher enthalten neben all gemein bekannten Volksliedern eine Reihe heute nicht mehr be- kannterLieder ausgesprochen heimatlicher Art, viel Schwermütiges, Rührseliges von geringem, literarischem Wert, Räuber- und Rittermären, aber auch gediegenere Sachen, die wert sind, der Vergangenheit entrückt zu werden. Eine besondere Art bilden eine Reihe Gesänge, die wohl von den in Pabianice ebenfalls zahl reich vertretenen Landsleuten aus den Weberdörfern des Ieschken- und Isergebirges beigesteuert wurden, z. B. die schönen Jäger lieder und einige andere mit humoristischem Einschlag. Es ist rechte Heimatluft, die uns aus den Liedern entgegenweht, doppelt wertvoll, wenn man weiß, daß die Lieder einstabgesprengten Landsleuten dazu verhalfen, das Andenken an die Heimat zu be- wahren und hochzuhalten. Vater, lieber Vater droben, Laß es einmal nur gescheh'«, Meine traute Heimat laß mich Nur noch einmal Wiedersehn! In der Heimat wohnt die Liebe, In der Heimat wohnt die Lust. Ach so bange, ach so bange, Klopft das Herz hier in der Brust. Süße Heimat! 3. Treue Hieve Ich möcht' es mir wünschen, wär' heute der Tag, Wir beide wir stünden schon bei dem Altar. Wir wollten einander die rechte Hand geben, Und wollten recht fröhlich miteinander leben. Und wenn cs die Eltern nicht zugcben wollten. Daß wir uns einander nicht heiraten sollten; Das wär' ja eine Schande fllr mich und für dich, Wenn unsere Hochzeit sollt' wieder zurück. Und wär' schon der Himmel von lauter Papier, Und wär' jedes Sternlcin ein Schreiber dafür, Und schrieben sie vom Abend bis wieder zum Tag: Da schrieben sie uns Beiden die Liebe nicht ab. 4 Seuiigramireit Ich bleibe herzlich gern zu Hause, Zu Hause bleiben ist recht schön, Da sitz ich stets in meiner Klause, Wenn andre in Gesellschaft geh'», Da find' ich die Zufriedenheit In meiner stillen Einsainkeit. Beständig in Gesellschaft leben, Erfordert allzuoielen Zwang, Wie bald ist'- um Respekt geschehen, Wie bald gerät man da in Zank Zu Hause schweigt der Ehrgeiz still, Da setz ich mich, wohin ich will. Da rede ich, wie mir's um's Herze, Und darf den Haß der Welt nicht seh n, Ost bei dem ungebet'ncn Scherze Draus ließ die Magd sich nicht mehr seh'n, Bis man begrub den Mann. Dann mußte sie zur Witwe geh'», Ihr dies zu zeigen an. „Soll ich erst mit, was meint Ihr nun, Ach, Heir Gcvatter Franz? Mein Mann wird ohne mich auch ruhn, Wir bleiben hier beim Tanz!" Noch war das Kirmesfest nicht aus, Da kam die alte Magd Und ries: „Ein Freier ist zu Haus, Den sehr die Liebe piagt!" „Herr Iemersch! Nun muß ich nach Haus! Adjc, Gevatter Franz! Lebt wohl, nun ist die Kirmes aus, Nun dank ich für den Tanz!" 2. keimweh Nach der Heimat möcht ich wieder, In der Heimat möcht ich sein! Strahlte mir doch einst so golden Dort der liebe Sonne Schein. In der Heimat wohnt die Liebe, In der Heimat wohnt die Lust. Ach so bange, ach so bange Klopft das Herz hier in der Brust. Süße Heimat! Warum ist cs denn das Sehnen Nach der Heimat trautem Herd, Das mit süßer, stiller Wehmut Mir das arme Herz beschwert? In der Heimat usw. Sch ich Arm in Arm hier wandeln Ein beglücktes Liebespaar, Denk ich, wie ich einst so glücklich In der sieben H.imat war. In der Hcimat usw. Seh ich hier die grünen Fluren, Dort der Bäume Wipfel wchn: Denk mit Sehnsucht an die Heimat, Wo mir alles doppelt schön! In der Heimat usw.