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Kuppen anstehenden Gesteins schoben, wie sie im südlichen Rand gebiete der großen Vereisung allenthalben aus dem Schwemm- land hervortraten (z.B. Kreckwitzer Höhen bei Bautzen), wurden diese von der grandigen Masse in der Stoßrichtung des Eises ab- gescheuert, sanft gerundet (Luv-Seite) und die widerstandsfähige ren Gesteinsteile (Hänge) geglättet und stellenweise sogar poliert. Die entgegengesetzte Seite der Klippen (Lee-Seite) blieb dagegen, weil sie der Stoßkraft des Eises nicht ausgesetzt war, unverän dert. So entstanden die Schliff buckel und Rundhöcker, wie wir sie hier vor uns sehen. Die größeren und härteren scharf kantigen Geschiebe in der Grundmoräne haben auf den geschlif- fenen Flächen zahllose, mehrere Zentimeter tiefe Schrammen, Furchen und auch feine Ritzlinien eingegraben, die sämtlich parallel zu einander verlaufend die Richtung Nord 18°—20° Ost nach Süd 18°—20° West innehalten. Daraus kann man auf die unge fähre Bewegungsrichtung der Eismassen schließen. Diese Erscheinungen wurden im Jahre 1894 von dem 1921 verstorbenen Geologen Professor Dr. O. Beyer entdeckt und beschrieben. °) Damals wurde hier auf einem Flächenraum von rund 900 qm der Geschiebelehm abgeräumt und der darunter anstehende Granit freigelegt, um beim Erweiterungsbau des Bahnhofes Demitz verwendet zu werden. Leider ist auch diese Felsfläche mit den von Beyer beschriebenen Erosionswirkungen durch Abbau bald wieder vernichtet worden. Doch wurde im Jahre 1900 eine neue Fläche von rund 580 qm von der Geschiebe- lehmdecke befreit. Der freigelegte Granit zeigte dieselben deut lichen Spuren einstiger Eisbearbeitung. Hier machte Beyer noch eine weitere interessante Entdeckung. Er fand nämlich auf dieser Felsfläche eine dreiseitige Vertiefung von 60 cm Durchmesser, in deren Mitte er eine kleine, oollstän- big in sandigen Lehm eingehüllte Granitsäule von 25 cm Höhe und 18 cm Durchmesser sand, die die Schubkraft des Eises nicht umzubrechen vermocht hatte. °) Um nun die Zerstörung auch dieser neuen Felsfläche zu ver hindern, wandte sich Beyer in einer Eingabe an die General- direktion der Sächsischen Staatseisenbahnen mit der Bitte um Schutz der Felsen. Die Generaldirektion erkannte auch in dan kenswerter Weise den hohen wissenschaftlichen Wert dieser Er- scheinungen und sicherte dem Antragsteller zu, »daß die Erhal tung des naturhistorisch bemerkenswerten Bor- Kommnissesim Auge behalten werden wird."Unterm 27. Juni 1905 beschloß sie dann, „das bet r. Areal in dem Bahnhofsplan hervorzuheben und mit „Gletscher- schliff" zu bezeichnen." Ein späteres Gesuch des Pächters um Weiterbetrieb des Bruches wurde daraufhin abgelehnt.«) So stehen wir heute noch dank des Entgegenkommens der Generaldirektion vor diesem stummen Zeugen der gewaltigen Eiszeit, deren wir leider nicht mehr allzuviele in Deutschland haben. Wenn die eigentlichen Gletscherschrammen mit der Zeit auch der fortschreitenden Verwitterung zum Opfer fallen werden, so können wir an den Schliffbuckeln doch immer noch die Erosions- Wirkung jener gewaltigen Eismassen auf den harten Granit be wundern, die sich unter der konservierenden Geschiebelehmdecke durch die Iahrhunderttausende hindurch bis auf unsere Zeit un verändert erhalten haben. °) ') Ein riesiger erratischer Block wurde z. B. im Geschiebelehm von Strehla bei Bautzen aufgefunden. Er liegt jetzt in den Anlagen der Stadt am äußeren Reichentore und hat ein ungefähres Gewicht von 280 Zentnern. °) Beyer, O. Neues Vorkommen von glacialen Frictions- erscheinungen auf Granit in der Lausitz. Zeitschr. Deutsche Geol. Ges. Bd. Xl-VIl. 1885. S. 211-214. 1 Abb. ') Beyer, O. Die Schlisflächen bei Demitz. Sitz.-Ber. u. Abh. Naturw. Ges. „Isis"-Bautzen. 1898—1901. S. 39. ') Nach den Akten der oorm. Generaldirektion der Sächsischen Staatseisenbahnen. °) Abbildungen der Schlisflächen inRatzrl, Die Erde und das Leben, eine vergleichende Erdkunde l. 1901. Seite 568—589; Beyer, Förster, März. Die Oberlaufitz. Meißen 1906. S. 103. Beyer, R. 3. Geol. Führer d. d. Laufitz. Berlin 1914. S. 12Z und vergl. Anm. 2. ?1. Gottfried Kretschmar Lebensbild eines Lausitzer Pfarrers BonFr. Bernh.Störzner in treuer Diener des Herrn und seiner ihm anvertrautet, Gemeinden war dl. Gottfried Kretschmar. Anno 1674 hatte er in Wittenberg „disputirt" (vtrum ex dlcttuila 8pina in iiiomine dlortuo Lcrpcns nu8cntur) und vorzügliche Empfehlungen erhalten. Am 29. Juli 1679 bekam er die Bocation (Berufung) zum Diaconat in Bischofswerda. Noch ziemlich jung wurde er zu diesem nicht leichten Amte berufen. Der jeweilige Diakonus war Pestilentialis, Pestprediger der Stadt und der eingepfarrten Dörfer. Der neue Diakonus wurde alsbald auf eine gar harte Probe gestellt. Im Juli 1680 brach in der Stadt die Pest aus und for derte in Bischofswerda selbst 659 Personen und in den eingepfarr ten Dörfern 79 Opfer. Viele Bewohner flüchteten aus der Stadt, dl. Gottfried Kretschmar blieb aber auf seinem Posten. Obgleich „schwacher Leibes-Constitution", hat er sich keine Ruhe gegönnt, seine seelensorglichen Pflichten trotz aller Gefahren auszuüben. Keinen Pestkranken ließ er ohne Trost, ohne geistlichen Zuspruch, alle besuchte er und reichte jedem, der darnach verlangte, das hl. Abendmahl. Tag und Nacht war er unterwegs, bald in der Stadt, bald in den eingepfarrten Dörfern. Den Verstorbenen gab er das letzte Geleit, und so manches Mal war er der Einzige, der hinter dem Sarge herging und am Grabe stand. Nicht selten war er es auch, der dann noch das Grab zuschaufelte. Wieviel Tränen hat er getrocknet, wie vieler Herzen getröstet und wieder aufgerichtet! Schon seine Gegenwart brachte mancher Familie wieder Lebensmut und neueHoffnung. Darum war er auch soviel begehrt. Und er kam, wenn man ihn rief! Kam gern! So konnte man ihn oftmals selbst um Mitternacht durch die stillen Straßen und Gäßchen eilen sehen, um den Sterbenden in den letzten Stunden nahe zu sein und ihnen die Augen zuzudrücken. Ein treuer Gehilfe war ihm in dieser schweren Zeit der Cäm- merer Johann Weber. Er gehört mit zu den wenigen Herren der Stadt, die nicht geflohen waren. Weber ging gleichfalls ohne Furcht mit in die verpesteten Häuser, brachte den Pestkranken Nahrungsmittel und Arzeneien. Die Pestleichen begrub er, so es nötig war. Der Cämmerer Johann Weber war am 29. August 1640 in Bischofswerda geboren, kam 1678 in den Ratsstuhl und wurde am 27. Dezember 1707 einstimmig zum Bürgermeister der Stadt gewählt. Bon ihm schreibt der Chronist: „Anno 1680 in der Pest blieb er, da sonst die meisten Herren hinausgezogen, in der Stadt und hals durch gute Vor- sorge mit Tobia die Tobten begraben. —In seinem 12 jährigen Stadt-Richter-Amte mußte er von bösen Leuten viel Tort aus- stehen, allein Gott wußte die gerechte Seele zu rechter Zeit zu erlösen. War ein fleissiger Kirch- und Betstunden-Geher, ein Mann von sonderlicher Gutthätigkeit gegen Kirch- und Schul- diener und viele andere. Hat hier und da seines Rahmens Gedächtnis gestifftet!" dl. Gottfried Kretschmar wurde Anno 1684 zum Archidiakonus der Stadt erwählt, und die Bürger waren stolz, gerade ihm solche Ehre erweisen zu können. Achtzehn Jahre hat er auch dieses Amt mit aller Treue verwaltet. Da erging an ihn von Görlitz aus ein ehrender Ruf. Er wurde Anno 1702 als Pastor Primarius dahin berufen. Am 19. Sonntag nach Trin. hielt dl. Kretschmar in der Stadtkirche zu Bischofs- werda seine Abschiedspredigt. Da ging ein lautes Schluchzen und Weinen durch die im Gotteshause Versammelten. Am Dienstage darauf verließ er die Stadt. Das ganze „Rats- Collegium und viel Volks" gaben ihm auf eine weite Strecke das Geleite. Wie schwer wurde es auch vielen, sich von diesem aus- gezeichneten Manne, diesem warmherzigen Freunde und Berater, zu trennen! — Jetzt erst kam vielen so recht zum Bewußtsein, da er von dannen ging, was man an ihm gehabt hatte.