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nur zufrieden, armer Schelm, ich vergesse dich nicht." Gewiß hat er mir gerade heute, auf den Heiligen Abend, eine ansehnliche Geldsendung zukommen lassen! Vielleicht hat er noch einen recht guten Verdienst an meinen Büchern gehabt. Ei, wie wird mir meine liebe Marthe freudestrahlend entgegen kommen, und ein warmes Stübchen, ein Christbäumchen und ein gutes Abendessen wird meiner harren. Auch die Geschenke für die Kinder wird das Christkind gebracht haben." Und auf einmal jubelte er laut: „Ei, was bin ich doch für ein Glückspilz! 3a, ich weiß, wie ich mich mit dem lieben Christkindel stehe!" Es begann bereits zu dunkeln. Und als der Dichter so ge sprochen hatte, wandte er den Blick zum Himmel. Da erblickte er auf einmal einen riesengroßen Lhristbaum, der seine Zweige über den ganzen Himmel ausbreitete. Und Englein kletterten an dem Christbaum umher und zündeten die Lichter an, die lauter strahlende Sterne waren. Da geschah dem Dichter ganz wunder sam, ihm wurde so rein und fromm ums Herz, daß er die Hände falten und beten mußte. Auf einmal lag vor seinen Füßen ein breiter lichter Schein. Der Dichter blickte sich um und sah, daß der Schein von dem Wäldchen ausging, das zu seiner linken Seite an der Straße lag. Und jetzt bemerkte er mit froher Verwunderung, daß alle Bäumchen des Wäldchens mit brennenden Wachskerzen besteckt waren. Rasch ging der Dichter die wenigen Schritte bis hinüber zu dem Wäldchen. Doch gleich am Eingang desselben trat ihm ein ungefähr vier Spannen langes Männchen entgegen, ganz weiß gekleidet, mit einem mehrere Ellen langen schwarzen Bart, den es durch dieBeine gezogen hatte und dessen Endspitzen, gleich einem Roßschweif, oben zu seinem großen, runden Hut herauswehten. Das Männchen hatte aber ein freundliches, Zu trauen erweckendes Gesicht, und es sprach mit einem der Flöte ähnlichen Ton: „Fürchte dich nicht vor mir. Ich bin der Schutz geist dieses Wäldchens. Ich habe dich lieb gewonnen! Denn oft, wenn du im Frühling und Sommer hier im Schatten meiner Bäume lagst, um zu dichten, habe ich dich als Eichkätzchen umhüpst. In ein anderes Tier konnte ich mich, meines langen Bartes wegen, nicht verwandeln. Du hast oft gut und vertraulich zu mir ge- sprachen, und auch mit dem andern Getier des Wäldchens hörte ich dich plaudern, ja, selbst mit den Blumen sprachst du, die dir wohl durch ihren Dust geantwortet haben mögen. Wie hat mich dein Entzücken an meinem Reick und dein Schöpfen aus ihm immer gefreut! Und als das Christkind heut durch meinen Wald flog, sagte ich ihm, du seist würdig, eine Krone zu tragen. Da meinte das Christkind, du trügest schon eine, die Dichterkrone, aus Himmelsstrahlen geflochten, die leichter und leuchtender sei, wie eine goldene Königskrone. Und dein Herz sei eine Gottes sonne für sich, die besonders den Kindern ihre erwärmenden Strahlen spende. In deinen Erzählungen hättest du die Kinder auf lieblichen, blumigen Pfaden' in Gärten geführt, worin die reinste Himmelskost ihrer wartet, in denen nur schöne und gute Früchte wachsen. Denn durch das, was in deinen Märchen zu lesen sei, würden die Kinder sittenrein und edel. Und wenn sie das wären, dann würden sie auch allezeit heiteren Sinnes sein und ihre Pflichten im Leben tun. Sie würden beten und arbeiten. Und wenn sie jederzeit frohen Mutes wären, so würden sie ihren Leib gesund und die Seele rein erhalten. Und hätten sie dies beides, so würden sie leicht ihr Fortkommen im Leben finden und es zur Wohlhabenheit bringen. Also hätten die Eltern der Kinder es dir zu danken, wenn ihre Kinder ganze und prächtige Menschen würden!l Dir hätten sie es zu danken, wenn sie alles Gute und Schöne der Welt in vollen Zügen genießen könnten. Darum sollten dir Eltern und Kinder höchste Ehren erweisen, dich mit Ruhm auszeichnen und dir dein herrliches Mühen reichlich lohnen durch irdische Güter. So sollte es sein und so würde es auch in Zukunft geschehen, sagte das Christkind zu mir, und für deinen starken Glauben wolle es dich heute besonders belohnen, indem es dich ein Wunder erleben lassen will, ein Weihnachtswunder, wie es noch keinem Menschen zuteil geworden ist. Sieh dich um! Alle die Wachslichter an den Bäumen zündete das Christkind für dich an und für dich hat es die Tannen und Fichten so herr lich geschmückt. Nimm davon für dich und die deinen so viel du nur willst!" Der Dichter hatte schon lange mit Vergnügen all die köstlichen Dinge bemerkt an den Bäumchen. An einer kleinen Fichte wuchsen Äpfel, Birnen, Nüsse, Mandeln und Honigkuchen in Menge, an einer Tanne Würstchen. Speck und kleine Christstollen, an einem dritten Bäumchen hingen allerlei Spielsachen und an einem vierten warme Handschuhe, Müffchen, Jacken, Strümpfe, Schuhe und selbst wollene Tücher in allen Farben. Der Dichter begann nun mit Eifer zu pflücken und er betete, jubelte, lachte und weinte abwechselnd dabei vor lauterem Glück und inniger Dankbarkeit. Das Männchen trippelte immer hinter dem Dichter her und hielt einen großen Sack auf, in dem er alles hinein tun konnte. Zuunterst legte der Dichter ein schönes wollenes kirsch rotes Tuch für sein liebes Weib Marthe. Darauf packte er warme Kleidungsstücke, von jedem etwas für Frau und Kinder. An sich selbst dachte er nicht in seiner Herzensfreude. Aber das gute Männchen legte heimlich das Nötigste für ihn dazu. Dann pflückte der Dichter munter, und immer freundlich aufgefordert von dem Waldmännchen, Honigkuchen, Würstchen, Speck, Nüsse, Apfel, Birnen, Christstollen und allerlei Süßigkeiten in seinen Sack. Nun aber kamen die Spielsachen an die Reihe. Zuerst lockte ihn eine schöne Trommel am nächsten Tannenbaum. Gleich darunter hing ein weißwolliges Lämmchen. Und ein paar Schritte weiterhin blitzte an einer niedrigen Fichte eine blanke Messingtrompete mit einer blauen Quaste. Daneben stand ein Bilderbücherbaum, und mit Freuden bemerkte der Dichter seine eignen neusten Bücher darunter, wovon er eines abnahm für seine kleine, feine Maria. Auch ein Wickelkind für sein liebes Mädchen fand er bald, und nun meinte der Dichter, er habe genugsam von allen, und er dankte dem Männchen mit warmen Worten und dem Christkind durch ein Gebet. Aber das Waldmännchen legte verstohlen noch einiges zu oberst auf den Sack und band ihn dann rasch zü. Doch ehe ihn der Dichter noch aufjchultern konnte, sagte das Männchen: „Halt! Hier ist noch etwas für dich, was du sehr wohl wirst brauchen können. Und er gab dem Dichter zwei rot seidene mit Gold gefüllte Beutel, die dieser mit dankbarerRührung in seine Rocktaschen steckte. Dann wischte er sich die Freuden tränen von den Wangen, damit sie nicht zu Eisperlen gefrieren sollten, und reichte dem Männlein noch einmal die Hand, doch dieses rief: „Wie? Du willst doch nicht etwa das Christbäumchen vergessen? Da kämst»du beim lieben Iesukind schön an. Suche dir nur das Schönste aus, wie du es verdienst, und feire mit deinen Lieben ein recht frohes Weihnachtsfest!" Damit verschwand das Männchen. Der Dichter wählte ein besonders reizend ge- schmücktes Tannenbäumchen aus, nahm seinen schweren Sack auf den Rücken und trat den Heimweg an. Doch als er auf die Wiese heraustrat, umgab ihn plötzlich ein so wunderbares himmlisches Leuchten, daß er die Augen schließen mußte, so sehr wurden sie davon geblendet. Und jetzt vernahm er über sich reinen süßen Engelsgesang und hörte deutlich die mit unvergänglicher heiliger Schrift in jedes Christenherz gegrabenen Worte: „Ehre sei Gott in der Höhe, Friede auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen. Fürchtet euch nicht, denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr in ider Stadt Davids." Der Dichter wagte es endlich, die Augen zu öffnen, und nun sah er etwas, das er im Leben nicht wieder vergaß. Aus der Wiese knieten, umgeben von Schafen und Rindern, in Andacht ver sunkene Hirten. Der Dichter ließ sich mitten unter sie nieder und schlug seine ehrfurchterfüllten Augen zum Himmel auf und betete inbrünstig, denn der Himmel stand offen und umgeben von seinem Glanz kamen immer neue Engelscharen daraus hervor, als Gottesboten. Als sich d.ie Hirten erhoben, stand der Dichten ebenfalls auf und folgte ihnen nach. Sie kamen an ein stallartiges, nach vorn geöffnetes kleines Gebäude, über das ein großer, hell funkelnder Stern sein Licht ausgoß. Und hier geschah das Wunder: Dem Dichter wurde die heilige Geburt Christi offenbart! Er sah das liebe Iesusknäblein in der Krippe liegen, auf Heu und auf Stroh, behütet von dem liebevoll sorgenden Blick der Mutter Maria. Hinter ihr stand Joseph und um das ganze heilige Bild schwebte eine Wolke jubilierend»,: Engel. Inmitten der betenden