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154 Gbsrlaufltzer Heimatzstturrg Äc. 14 schon damals, sehr zum Mißvergnügen seiner Mutter, in den Künsten der Schleichpatrouille und suchte auf Umwegen die schwächste Stelle des Gegners zu erkunden. Da stand plötzlich ein vornehm gekleideter Herr im Zylinder vor dem Knaben und sprach ihn in fremdem Dialekt an. Er fragte den Knaben nach den Namen der umliegenden Ortschaften und ließ sich erzählen, was der Junge von der großen Schlacht wußte. Dann nahm er selbst das Wort und eröffnete dem er staunten Knaben, daß er einen französischen Herzog vor sich habe, der offenbar über reichen Grundbesitz verfügte. «Wenn Sic meine Besitzung zu Fuß durchlaufen wollen, so müssen Sie 12 Stunden ununterbrochen laufen," sagte der Fremde. „Das Land gehörte eigentlich meinem Bruder und mir, aber mein Bruder ist wahrscheinlich hier in dieser Schlacht umgekommen. Sehen Sie diese Stelle, wo wir jetzt stehen, hier bin ich mit meiner Reiterabteilung über das Feld gebraust und dort, wo der Abhang beginnt, ritt mein Bruder. Wir winkten uns hier den letzten Gruß zu: seitdem habe ich ihn nicht mehr gesehen. Ich bin von Frank reich hierher gereist, um zu versuchen, eine Spur meines Bruders zu entdecken oder wenigstens Anhaltspunkte für sein Schicksal zu erhalten. Mein Bruder hat nämlich in seinem Testamente, das erst 20 Jahre nach Friedensschluß geöffnet werden durfte, bestimmt, daß die Gemeinde, in deren Bereich sich sein Grab befindet, die Summe von einer Million Franken erhält mit der Verpflichtung, ihm ein Grab mal zu setzen und dasselbe in gutem Zustande zu erhalten. Sollte sein Grab nicht bekannt sein, so erhält derjenige, der es entdeckt oder sonstwie Nachricht geben kann, die Hälfte der Summe, während die andere Hälfte der betreffenden Gemeinde zufällt. Ich habe nun nicht erfahren können, wo mein Bruder gefallen ist, und so muß ich annehmen, daß hier in dieser Gegend sein Grab sein wird. Wenn Sie," so fuhr der Fremde fort, „in dieser Gegend bleiben, 'und je erfahren sollten, daß man tn einem Kriegergrabs ein Skelett gefunden habe mit zwei linken Rippen von Silber und zwei Fingern von Silber an linker Hand, so mögen Sie wissen, daß man das Grab meines Bruders entdeckt hat. Mein Bruder istin einerSchlachtinItalienverletzt worden, und seine beschädigten Glieder wurden durch silberne Teile ersetzt." Der Fremde übergab dem Knaben alsdann seine Karte und schärfte ihm ein, sie sorgfältig aufzubewahren und wenn sich das Grab gefunden haben sollte, sie dem französischen Gesandten in Dresden oder /Wien zu übergeben. Zum Schluß aber betonte der Besucher, daß die Schlacht bei Bautzen noch Hunderte von Jahren vorbildlich für alle Truppengattungen sein werde. Ein anderer Feldherr als Napoleon würde nicht als Sieger aus ihr hervorgegangen sein, und auch Napoleon mußte in jenen Tagen überall ein greifen und Tag und Nacht eingreifen, um sein Ziel zu er reichen. „Mein lieber Herr," schloß der Fremde, „wenn Sie alt werden und sei es 60 oder IM Jahre, Sie werden immer und immer wieder französische Offiziere in bürgerlicher Kleidung in dieser Gegend treffen, denn es gibt keine bessere Schule für den Soldaten als das Studium der Schlacht bei Bautzen. Leben Sie wohl und behalten Sie mich in gutem Andenken." Damit entfernte sich der Fremde, und der Knabe war des Gehörten so voll, daß er fast aus seine Spielkameraden vergessen hätte. Fast schien die Sache ein Traum zu sein, wenn nicht die Karte und ein halbes Frankenstück, das der Fremde dem Knaben gegeben hatte, als greifbare Beweise den Vorfall beglaubigt hätten. Der Knabe hob die Andenken gut auf, ward größer und älter und hoffte von Jahrzehnt zu Jahrzehnt, eine Spur des toten Herzogs zu finden. Unendlich viele Male hat man schon Kriegergräber bloßgelegt, aber noch nie konnte ein Hinweis auf den Verschollenen gefunden werden. Wird es dennoch einst jemand beschieden sein, den Schatz zu heben oder wird die Million Franken der Vergessenheit anheim fallen oder wird sie dem französischen Staate zufallen, zu dessen Gunsten letzten Endes das Testament lautet? Das eine ist jedenfalls eingetroffen. Zahlreiche französische Offi ziere haben seither das Schlachtfeld besucht, unter ihnen so gar der französische General Boulanger, der zur Zett seines Glanzes an der historischen Stätte weilte. Auch später wurden von französischer Seite nochmals Versuche unter nommen, das Schicksal verschollener Franzosen hier aufzu klären. So erschien kurz nach 19M abermals ein französi scher Offizier in Zivil bei dem inzwischen verstorbenen Verfasser der Reymannschen Chronik von Bautzen und er kundigte sich sehr eingehend nach dem Schicksal der Sammel- gröber von 1813 und danach, ob nicht irgendwo auffällige Reliquien gefunden worden seien. Ein neues gewaltiges Erleben ist seitdem über unser deutsches Vaterland, ja über den ganzen europäischen Kon tinent dahingebraust. Abermals hat die Erde Blut getrunken und vielen, vielen hunderttausenden müder Krieger die letzte Ruhestätte gewährt. Aber diesmal ist es deutsche Sehnsucht, die nach den Gräbern wallfahrtet, und die, die wir liebten, ruhen in fremder Erde. Erinnerungen an Dr. Moschkau Bon W. Fiebiger, Niedercunnersdorf O^eim Lesen des Artikels über Dr. Moschkau in Nr. 12 Ihrer „Heimatzeitung" wurde ich an ein heiteres Vorkommnis erinnert. — Ich besuchte mit einer Schulklasse und einer Anzahl Erwachsener den Oybin und sein Museum. Moschkau empfing uns sehr liebenswürdig und fragte nach unsrer Heimat. Als er das Wort Nieder cunnersdorf hörte, offenbarte er uns, daß er diesen Ort und Obercunnersdorf, wo er sich seine erste Frau geholt habe, sehr gut kenne. Einer meiner Begleiter fragte, faunisch lächelnd, ob er sich noch an den ereignisvollen Abend er innern könne, an dem er im Kretscham einen Vortrag über Leichenverbrennung gehalten habe. Moschkau erwiderte kurz, er habe lange Zeit mit Schrecken daran gedacht und lenkte das Gespräch schnell auf ein anderes Thema. Ich ersuchte ihn, mir doch über diesen Abend einiges zu berichten, worauf er etwa folgendes ausführte: „Nach dem Kriege 1870/71 begannen sich die Geister auf allen Gebieten für Fortschritt zu regen. Ich hatte mir u. a. vorgenommen, die Leute für die Leichenverbrennung zu gewinnen, was mir in der Stadt weit besser gelang als auf dem Lande. In Nieder cunnersdorf kamen die Besucher schon recht respektlos in den Saal, manche in schmutziger Arbeitskleidung und in Holzpantoffeln. Während meiner Ausführungen machten sie schon ihrem Unmut auf verschiedene Weise Lust, und kaum hatte ich geendet, so stürzte eine Rotte wütend nach der Bühne und schrie: „Luder, wir brech'n dr di Knuchn, drno koannst'ch glei falber verbrenn'n lussn!" Um der Wut der aufgeregten Schar zu entgehen, ließ ich Kopfbedeckung und Überrock zurück, riß eiligst ein Fenster auf, sprang