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„Schneiders Ruhe" Don M. B., Dittersbach vor zehn Jahren war Schneiders Ruhe noch wohl erhalten, Schneiders Ruhe, das Gasthaus im Walde.Es lac, mittenimKleinenNonnenwaldezwischen Neundorf und Dittersbach hart an der Straße. Daches war kein gewöhnliches Gasthaus, nein, es ähnelte sehr wenig den Wirtshäusern und Restaurants, wie man sie in Städten und Dörfern zu finden pflegt. Es war vielmehr nur ein kleines Stückchen Erde, das ein Naturfreund aus Dittersbach zu seinem Ruheplätzchen erkoren hatte. Kein Schild und kein äußeres sicht bares Zeichen prangte an den Wänden, die von zwei Seiten von Birken- und Eichensträuchern gebildet wurden, während die ande ren Seiten Türen und Fenster zugleich darstellten. Auch kein Kellner mit fliegenden Rockschößen rannte geschäftig umher, und kein behäbiger Wirt lud zum Eintritt ein. Die einzigen Zeichen einer Herberge waren die hübsch grün gestrichenen Bänke, die an den „Wänden" standen. In der Mitte des Gasthauses stand ein Lindenbaum, dessen Aste ein schützendes Dach bildeten, und der in Ermangelung eines Fremdenbuches eine stattliche Anzahl von Namen in seiner Rinde verzeichnen konnte. Das Schönste aber worein gutgepflegtes kleinesBlumenbect, das von einem Staketen zaun umgrenzt war. In wunderbarer Pracht blühten hier Stief mütterchen und Levkoien, Fuchsschuh und Wicken, Rosen un^ Nelken, und selbst Reseden und Aurikel fehlten nicht. An dieses Blumenbeet wandte der Besitzer, der Schneider Eduard Seibt, alle Sorgfalt an und pflegte seine Schützlinge mit besonderer Liebe. Der Seibt-Schneider, wie er allgemein hieß, hatte diesen Platz „Schneiders Ruhe" getauft, und er ist auch in aller Form durch ein Waldfest eingeweiht worden. Es war dies im Jahre 1899. Ein seltsamer Festzug bewegte sich damals durch Dittersbach nachdem Walde, unter dessen rauschenden Bäumen das Waldfest seinen Verlauf nahm. Der Seibt-Schneider hatte einen aus unzähligen Fleckchen bestehenden buntscheckigen Rock an und saß mit seiner Frau auf einem geschmückten Wagen. Eine Musikkapelle schmet terte ihre Weisen dem Walde entgegen und eine Menge Einwohner beschloß den kuriosen Festzug. Im Walde aber war für mannig fache Belustigungen gesorgt, und das Fest ist jetzt noch eine frohe Erinnerung für diejenigen, die es mit erlebt haben. Von dem Feste an bildete nun die Waldherberge den Aus flugsort vieler Bewohner, die sich meist Sonntags den Spazier gang gönnten, um sich dort unterm Lindenbaum einige Stunden in die Natur zu vertiefen. Wunderschön saß es sich hier, wenn das Auge das Blumenbeet streifte und die Vögel auf den Bäumen sangen und flöteten, wenn der Wind geheimnisvoll in den hohen Kiefern und im Lindenbaum rauschte und die Zweige der Birken- und Eichensträucher leicht ins Gesicht schlugen. Mau konnte ver stehen, daß gerade hier der Seibt-Schneider sein Ruheplätzchen erbaut hatte. Lange Zeit blieb es so, lange Zeit blieb Schneiders Ruhe nicht nur für den Besitzer eine Erholungsstätte, sondern auch für viele Leute aus Dittersbach und Neundorf. Und wenn ein Wanderer auf der staubigen Straße kam und in dem Kühlen Schatten des Waldes kurze Rast halten wollte, so war er nicht wenig erstaunt, hier ein Plätzchen zu finden, das er mit keinem Wirtshause vertauschen mochte. Wenngleich kein schäumendesBier bereitstand, das den Durstigen erquicken konnte, so gab es dafür Himbeeren, Heidelbeeren und Brombeeren, mit denen er gewiß zufrieden war. So bildete denn Schneiders Ruhe eine Erholungs stätte für alle, die es wußten oder zufällig vorüberkamen. Als aber der Seibt-Schneider gestorben war und das Feld und mit ihm Schneiders Ruhe in andere Hände überging, denen nichts an der Erhaltung derselben lag, kam die Waldherberge nach und nach in Verfall. Die Bänke wurden abgebrochen und das Blumenbeet umgegraben und somit auch das Schönste gewissenlos zerstört. Jetzt stehen nur noch die Sträucher und der Lindenbaum. Kein Blumenbeet lockt mehr, keine Bank bietet sich dar und nur der Lindenbaum flüstert leise das Lied der Vergänglichkeit. Wenn aber der Wind stärker durch den Wald braust, dann stöhnt er auf und klagt, daß man ein schönes Stückchen Erde zerstört hat und von dem er allein mit seinem Namenverzeichnis Kunde gibt. Wie lange wird es dauern und auch er sinkt zu Boden, und dann erinnert nichts mehr an den einstmals schönsten Ort des Kleinen Nonnenwaldes, an Schneiders Ruhe. Zittau. Im „Globus" fand am 18.Oktober der erste Vor tragsabend des neuen Winterhalbjahrs statt. Vom geschäftlichen Teil ist zu erwähnen, daß zwei Mitglieder ihren Austritt erklärt haben. Demgegenüber stehen neun Neuanmeldungen, die aus besonderen Gründen ausnahmsweise sofort erledigt wurden. Der Stadtrat zu Zittau hat dem Verein für seine Veranstaltungen grundsätzlich die Eiutrittskartensteusr zu Gunsten der Wegebauarbeiten im Gebirge erlassen unter der Bedingung, daß ihm alljährlich die Rechenschafts berichte vorgelegt werden. Man nahm von dieser Vergünstigung mit Befriedigung Kenntnis und erklärte sich gern mit der gegebenen Vor aussetzung einverstanden. Im Mittelpunkt des Abends stand ein bei aller Schlichtheit ungemein fesselnder Lichtbildervortrag des Vor- sitzenden Herrn Professor Dr Weder über das so anspruchslos klingende Themas .Alte Steine am Wege." Die Postsäulen, die Mord- und Sühnekreuze im Sachsenlande behandelte der Redner in seiner gediegenen geistvollen Art und ließ diese stummen und doch so beredten Zeugen längst versunkener Jahrhunderte erzählen von Lebensgewohnheiten und Gepflogenheiten vergangener Geschlechter. Manches fesselnde Kulturbild zog am Auge der aufmerksam folgenden Hörer vorüber und regte zu nachdenklichen Betrachtungen an. Noch vor einem halben Jahrhundert zählte man in Sachsen etwa vier hundert derartige Denkmäler. Leider ist im Laufe der Zelt der vierte Teil davon beim Straßen- und Eisenbahnbau durch Unachtsamkeit zu Grunde gegangen, bevor sich dec Heimatschutz nachdrücklich ihrer annahm. In größerer Anzahl sind Steine dieser Alt noch um Zittau und Bautzen, im Gebiet der sächsischen Schweiz und der Zwickauer Mulde sowie im Vogtlande erhalten geblieben. Sie erzählen uns von stimmungsvoller Poesie der Landstraße und wecken die Erinne rung an manche längst verklungene Sage unserer Heimat, und auch der launige Humor des Vortragenden kam ergiebig zu seinem Recht. Aus der näheren Umgebung wurden namentlich die Fischgrenzsteine 'im Weisbachtal, die Steindenkmäler bei Rusdors und im Hainc- walder Schloßpurk, endlich die Zittauer Wegsäulen an der Gronauer Straße, bei der Freudenhöhe und am Lulherplatz erwähnt. Die licht vollen Darlegungen des Redners und seine prächtigen Bilder sanden lebhaften Anklang. Am 23 Oktober fand eine gemeinsame Besichtigung der alter tümlichen Zittauer Kreuzkirche und des sic umgebenden ehrwürdigen Friedhofs statt, zu der sich eine ganze Anzahl Mitglieder mit ihren Angehörigen Ungesunden hatte. Herr Friedhossinspektor Hennig hatte freundlichst die Führung übernommen und gab eine Reihe wert voller Erläuterungen, die das Verständnis für die zahlreichen dort noch vorhandenen Kunst- und Altcrtumsschätze wesentlich erleichterten. In großen Umrissen schilderte der Führer die wechscloollen zeit geschichtlichen Ereignisse, deren Zeuge das stille Kirchlein am Frauentor gewesen ist. Eingehend wurdrn die zum Teil künstlerisch-prachtvollen Epitaphien erklärt, die das Innere des Gotteshauses schmücken. Dann wandte mau sich dem stillen Friedhof zu, jenem weltverlorenen Winkel inmitten des brandenden Lebens, der in träumerischer Ab geschiedenheit eine fast erdrückende Fülle von Erzeugnissen eines hoch entwickelten Kunsthandwerks in unsere Tage herübcrgerettct hat. Bedeutende Meister der Skulptur und Schmiedekunst, deren Namen heute keiner mehr zu nennen weiß, haben sich hier verewigt, und ihre Werke brauchen den Vergleich mit anerkannten Größen der deutschen Kunstgeschichte nickt zu scheuen. Hervorragende Männer, die sich um die Stadt große Verdienste erworben haben, haben hier ihre letzte Ruhestätte gefunden. Der Musikfreund steht im Banne der Erinne rung an Andreas Hammerschmidt. Alles mahnt hier eindringlich an irdische Vergänglichkeit, aber der Hauch der Ewigkeit schwebt tröstend darüber. Trotzdem erscheint es natürlich geboten, dem Verfall der wertvollen Kunstdenkmäler nach Kräften Einhalt zu tun, und der Appell des Führers an den „Globrzs" zur Mitarbeit aus diesem besonderen Gebiete des tzeimalschutzcs wird sicher williges Gehör finden. Herr Professor Dr. Weder dankte dem Herrn Inspektor Hennig im Namen des Vereins für die vortreffliche Führung und feine anregenden Darlegungen. Einen Höhepunkt in der Vereinsgeschichte wird der öffentliche Vortragsabend bedeuten, der am 24. Oktober in den Kroncnsälen