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Bereiche erklärt, schließt den Schwesternbund. Vor etwa sechzig Jahren, als die windfreie Heufuderkuppe noch nicht von einem bequemen Pfade iiberfurcht war, kam selten ein Wanderer hier hinauf. Holzfäller und Schmuggler waren ihre häufigsten Gäste. Mehr besucht wurde sie, als sie eine Schutzhülle und ein Aussichts gerüst trug. Sturmgewalt zerstörte aber schließlich auch diese Bauwerke, da sie aus Holz errichtet waren. Möge der Tag nicht mehr gar zu fern sein, da die geplante wetterfestere und größere Heufuderbaude den Ersteigern des Hohen Iserkammes Stärkung und Unterkunft gewährt — auch im Winter: denn als eine zu kunstsvolle Rodelbahn erscheint uns die Waldstraße, die vom Wcstrande des Heufudergipfels nach Schwarzbach hinunterspringt. Die Ausschau vom Heufuderplateau erschließt uns vor allem wieder die schlesische Borgebirgsweite. Nahe vor uns, so winzig jetzt erscheinend, steht der ruinenüberzackte Greiffensteinhügel. Hinten, weiter rechts noch, dämmern nacheinander der Probst- Hainer Spitzberg und der Gröditzberg aus der Horizonttiefe auf. Dunkel ragt auch die Hogulje, die höchste Gipfelung der klippen reichen Bober-Katzbach-Bergc, über die Schar der Hügelgenossen empor. Und dann ostwärts! Hier tritt uns der Kemnitzkamm mit seinem stillen Wäldergewell nahe. Die Richtung auf die Riesengebirgsmauer zu bezeichnet der Hochstein. Ihm gerade entgegegengesetzt, schweiftderBlick in Böhmen und Sachsen hinein. Aufwürfe am Horizonte nach Norden zu sind die Lausche, die Königshainer Berge und die Landeskrone. Und dicht vor uns in den Gründen die Dörfer des schlesischen Iscrgaues. Eine viel zügige, blaß schimmernde Fülle von Naturbildern überall, wie aus einer niederen Riesentasel ineinandergezogen. Ganz gebannt in ihren lieblichen Schimmer, den die Sonnenhelle noch freund licher tuscht, magst du dich kaum wenden, um weiterzuwandern, wieder durch Waldpforlen — dem Gipfel der Tafelfichte zu. Und bald hast du ihn auf mühelos beschreitbarem Pfade erreicht. Obgleich er schon seit länger als einem Jahrzehnt nicht mehr als höchste Erhebung des Isergebirges gilt, hat er doch den be herrschenden Eindruck gewahrt. Und fürwahr, mit seinem acht zehn Meter empor sich türmenden Aussichtsgerüst wc'jt er auch über den etwas höher sich wölbenden, am östlichen Kammende verborgen liegenden Hintcrberg hinaus. Das Rundbild, das dem Ersteiger des Tafelfichtenturmes sich zeigt, ist besonders nach der Seite der böhmischen Bergzüge und unermeßlichen Wäldermeere hin eindrucksstark. Die Schönheit seiner Schauweite bleibt selbst hinter der des Schncekoppenpanoramas nicht zurück. Was an Vielgestaltigkeit im Gesichtsfeld der Tafelfichte sich auftut, hat der große Heimaterforscher Adolf Traugott von Gersdorf auf Meffersdorf einst gründlich klargelegt. Während seiner achtzig Besuche des Berggipfels schuf er jenes neunhundert halbe Quart seiten umfassende Schriftstück, in dem er mit peinlichster Gewissen haftigkeit jeden Schaupunkt des weiten Gesichtskreises bezeichnete. Der Aussichtsturm der Tafelfichte steht nicht genau auf ihrer höchsten Stelle, sondern etwas westlich davon. Wer von Schwarz bach her über den gleichfalls mit einem Aussichtsgerüst ver sehenen walddunklen Dreßlerberg oder auf dem Laßmannstege und über den Görlitzer Platz die Taselfichtenhöhe erklimmt, ge langt auch an jenen Ort, der die Entstehung des Namens Tafel fichte erklärt. Etwa zehn Minuten unter dem Gipfel ist er gelegen. Uber ihn hinweg führt die Grenze zwischen Schlesien und Böhmen. Und herrlich ist die Blickweile, die sich bei ihm plötzlich auftut. Ehemals soll ihn ein bei einer Fichte ausgestellter tafelähnlicher Stein bezeichnet haben. Auch redet man von einer Tafel, die am Stamm der Fichte angebracht gewesen wäre. Doch steigen wir wieder die äußerste Bergsteilung hinan. Nicht weit von dem Ausschaugerüst und der Hütte, in der Vater Fritsch seit vielen Jahren als Gastwirt waltet, gerade dort, wo der Pfad ins Hegebachtal hinabträgt, reckt sich aus dem Grau unbehauener Felsblöcke ein Obelisk. Die Inschrift in dem davor liegenden Steine erzählt, daß der Dichter der Befreiungskriege Theodor Körner am 15. August 1809 die Taselfichte erklomm. Stimmungsvoller noch wirkt das oerwetterte Marterholz, das der dahingegangene Neustadtler Dechant Ivmrich an einem Baume hinter dem Denkmal anbringen ließ. Und nun in den Hegebachgrund hinab. Schnell springt der straff gezogene Pfad ihm zu. Weit zurück ist hier am Hange der Wätdermantel geschlagen, so daß unsere Augen mit stiller Be wunderung die Weite der Fichten-, Tannen- und Mischwaldzüge erfassen können. So weit der trunkene Blick reicht — Welle an Welle, Aufwurf an Aufwurf des dunkelgrünen Wäldersamtes. Und regellos aufgereiht und ineinandergeschoben die oben stets mild gerundeten Bergkuppen. Vom Hohen, Mittleren und Welschen Iserkamm ragen die umdunkelten Felshäupter in das stumme Schaufeld hinein. Fast geradezu rückt uns der Käuuge Berg entgegen. Hellgrün leuchtet die schmale Schneise, die schnür- gerade seinem Scheitel zusäumt. Rechts, ziemlich weit hinten, türmt sich das lange Massiv mit der Großen Bogelkoppe, dem Taubenhaus und dem Schwarzen Berge (oberhalb Lhristiansthal) in die Himmelsweite. Näher wölbt sich in gleicher Richtung der Wittigberg. Links vom scharf heraustretenden Käuligen Berge thront der Siechhübel. Und ein wilderer Schwarzer Berg mit einer ganz eng gezogenen Kuppe liegt ihm benachbart. Von ihm noch weiter nach links gleitend, gelangen wir an den Buchbergkegel. Der Hochwiesenplan mit den Hütten Klein-Isers schmiegt sich an seinen Fuß. Doch schau südöstlich Groß-Iser auf seinem hell schimmernden Plateau! Silbern gleißen seine Dächer in der Mittagssonne. Wie ein Muschellager erscheinen die blendenden Hütten. Die endlosen Wälder, die ihren Wiesenfleck allseitig um- wipfeln, sind der sie umwogende Ozean. Gleich fernen Küsten steilt der 3ug der Riesengebirgsthrone am verschleierten Horizont. Doch springen wir für ein paar Augenblicke seitwärts! Eine Frau mit einer breit geschichteten Tracht Dürrholz will unaufhaltsamen Schrittes an uns vorüberstapfen, und nur schmal ist der Pfad. Unten auf dem Talwege müssen wir dann nochmals ein Hindernis umgehen. Eine Ladung Busch- und Wolfheu rollt bedächtig im Rücken eines sehnigen, kupferbraun gebrannten Alten auf Weisbach zu. Sobald die Talrinne sich uns auftut, hören wir das Hegebackwasscr raunen. Unmittelbar unterm Hangpfade ist der Quellgrund. Westwärts, fast in rechtem Winkel, wenden wir uns fort. Tannen scharen sich beiderseits zum Dickicht zusammen. Dort, wo eine Holzbrücke den brausenden Bach überquert, be ginnt dann wieder die Steigung. Ein Abstecher soll uns den Käuligen Berg, der uns viel verheißend zuwinkte, erschließen. Und wir haben diese Gipfelerstcigung nicht zu bedauern. Trotz der sengenden Hitze, die bis in die tiefsten Talwinkel strömt. Denn zu den Fichten und Tannen gesellen sich weglängs üppige Buchen, die lindernde Schattenhände über uns breiten. Sie sind die Spaliertruppe großer Buchenscharen, die drei Hänge des Käuligen Berges umstellen. Zur Herbstzeit geben sie mit dem bunten Wirbel gilbender Blätter diesem einen ganz besonderen Reiz. Bald haben wir die Gipfelhöhe erreicht. Eine trotzige Fels gruppe, die man leicht ersteigbar gemacht hat, türmt sich am west lichen Rande des Bergscheitels vor uns auf. Ehe wir sie erklimmen, richtet eine einzeln stehende, verstümmelte Riesenfichte unsere Aufmerksamkeit auf sich. Düster reckt sie die schwarzen, oer- knorrten Aste. Wilde Sturmfaust hat ihr die Krone geraubt. Als eine verzauberte Teufelsgestalt, die durch ein Fernrohr zur Tafelfichte hinüberspäht, erscheint sie dem phantasievollen Sinn. Von dem kühn aufgesetzten Felsstuhl herab können wir wieder ein wechselvolles Rundgemälde betrachten. Unter dem Hange der Westseite, mit dem Steilabsturz der thronenden Trümmermaffe, beginnt die lichtgrüne, lebensvolle Flur des Wittigtales, die bis in die Horizontdämmerung hinein sich erstreckt. Der Turm des hochgesetzten Friedländer Schlosses ist der bezeichnendste Punkt in der Horizontlinie. Freilich nur bei weniger durchsichtigem Luftkreis. An klaren Tagen fliegt der Blick sogar bis zum Zit tauer Hochwald und zur Görlitzer Landeskrone hin. Die Berg kämme mit den Schroffen der Mittagsteine, der Hainskirche und des Nußsteins säumen wildbucklig und weit gen Westen das breite Talband der Wittig, während rechterhand der der Tasel fichte anhäugende Kalmrich, nur bis Weisbach hin, das niedere Gefilde abschließt. Zauberisch schön schwellen beiderseits Buchen waldwogen über die Hänge. Jenseits kuppeln wieder die öst-