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746 I'. Literatur und Geistesleben. die Leerheit und Nichtigkeit alles Irdischen. Der gefeiertste Liederdichter nach Opitzschcn Kunstrcgeln war Johann Rist, aber gerade dieser Dichter, den wir bald näher werde» kennen lernen, hat mehr als irgend einer der poetischen Genossen dazu beigctragcn, an die Stelle der gedrungenen, musikalischen, volksthümlich-herzlichcn Lieder der älteren Periode die breite Geschwätzigkeit mit frommen Redensarten in glatter Form und me trischer Technik zu setzen. Wir werden sehen wie weit an Tiefe und religiösem Gefühl der Königsberger Simon Dach dem norddeutschen Freund überlegen war. Auch Georg Neumark, der unS noch öfters begegnen wird, hat in den Tagen der Armuth, „als Thränen und Sorgen sein tägliches Frühstück waren", manches treffliche Kirchenlied angestimmt, ehe er in den „tönenden Schwulst und die gespreizte Dürre" der Schäfer poesie gerieth, und der geistliche Verfasser breiter Romane Noll Gelehrsamkeit und frommer Gesinnung Andr. Heinr. Bucholz aus Rinteln hat in seinen für weitere Kreise be stimmten „Hausandachten" und „geistlichen Pocmata" auch unter den Formen der neue» Kunstdichtung eine volksthümliche Einfachheit zu bewahren gewußt. Andr. Grpphius, dem wir an einem andern Orte begegnen werden, hat die poetische Begabung und Vielseitigkeit auch im Kirchenlied entfaltet, wo er von der schlichten Kraft und Einfalt des lutherischen Gesangs bis zum vollen Farbcnschinuck einer reichen Erfindungsgabe aufzustcigen unternahm. Allerdings herrscht in seinen „Kirchhofsgcdankcn" und in seinen „geistlichen Oden" das Düstere und Schreckhafte vor und seine Phantasie ergeht sich am liebsten in Trauerbildern und im irdischen Thräncnthal, zu freudigen Er hebungen konnte der schwergeprüfte Mann, der im achtundvierzigstcn Lebensjahr ins Grab sank, seine Gemüthsstimmung und seine poetischen Ergießungen nicht cmpor- schwingen. Wie verschieden von dieser trüben Weltanschauung ist die heitere Zuversicht und das Gottvcrtrauen, wie sie uns in den „geistlichen Andachten" des Predigers Paul Gerhard aus Sachsen entgegentreten! In keinem geistlichen Dichter des Jahrhunderts 1606-70. spiegelt sich der Geist Luthers so treu ab als in diesem Manne, der in keiner Lage seines Lebens den sittlichen Muth verlor, dessen Gedichte den Ausspruch bestätigen, „daß alles Gute aus dem Grunde der Heiterkeit wächst, die darum Ernst und Würde nicht aus schließt". Gerhard's 120 Lieder in einfacher kräftiger Sprache, von denen noch jcht sehr viele in den Kirchengcsangbüchcru der protestantischen Welt sich finden, „sind eine Helle Stimme des christlichen Volksgesangs in allen Beziehungen des Menschenherzcni zu Gott." Seine Kreuzlieder sind allemal auch Trostiieder; thue und leide was Gatt gefällt und gib dich zufrieden. Ein strenger Lutheraner verweigerte er als Prediger in Berlin die Unterschrift des von dem Kurfürsten verlangten Reverses, das Tolcrauzedikt einzuhalten, jS. 602), und gab lieber seine Stelle auf. Mit den Gesängen Gerhards dürfen die Lieder und Psalmen verglichen werden, die sein Freund Johann Francke ans der Lausitz in der „Geistlichen Zion" gesammelt hat, wenn auch manche davon nicht die Kraft und den poetischen Schwung der Gcrhardschen erreichen. Auch bei Francke maltet eine zuversichtliche Gottcslicbc, „die dem Irdischen und aller Furcht Trotz bietet" und Toben der Welt „steht und in gar sicherer Ruhe siegt." Nach einer alten Uebcrlicscrung hat auch die Gemahlin des großen Kurfürsten Luise Henriette, Tochter Friedrich richs von Oranien, deutsche Kirchenlieder gedichtet, wie denn das schöne Lied meine Zuversicht" ihr zugeschricben ward. 3. Martin Spitz und die Zkunstdichtung seiner Zeit. ^'dreißig- Der dreißigjährige Krieg hat auf das geistige Leben des deutschen Volkes die nach' ^Kriegs" theiligstcn Wirkungen geübt: nicht nur daß die großen Errungenschaften der Ref^ mationszeit von der deutschen Erde weggefegt oder zerdrückt waren, daß die Heimat Kim b>ie ">°r! ^Urj ^a» geiia >n Test Ir °tl bl »>irtz ^»t. s^er 7-bn ^!>e - v?» "e>. . ?- fft